Ein Konzertabend, der unter ganz klarem Zeichen steht: BLACK SABBATH beeinflussen bis heute Rockbands auf dem ganzen Planeten. Drei davon, zwei aus Berlin und eine aus dem heutzutage ja gar nicht mehr so fernen Schweden, sind gerade zusammen auf Tour und machen auch einen Stop in der Kölner Essigfabrik. Headliner sind die emsigen KADAVAR.
Hört und sieht man sich PABST, den Opening Act des Abends an, mag der Einleitungssatz dieses Artikels verwirrend erscheinen. Subtil versteckt im Indie-/Grunge-Gemisch des Berliner Trios, das aber heute streckenweise zum Quartett mutiert, sind die Einflüsse der Erfinder des Heavy Metal um Ozzy Osbourne und, hier natürlich relevanter, Tony Iommi. PABST schaffen es sehr leichtfüßig, Elemente aus verschiedenen Dekaden und unterschiedlichen Stilrichtungen so zu vereinen, dass etwas Frisches und unpeinlich Kohärentes dabei herauskommt. Der heutige Auftritt wird nicht gerade unter optimalen Bedingungen angetreten. Frontmann und Gitarrist Erik Heise hat sich auf Tour erkältet. Würde er das nicht anmerken, hätte man es aber aufgrund seines ohnehin eher nasalen Gesangs, der auf unaufdringliche Weise an LIAM GALLAGHER erinnert, eventuell nicht mal bemerkt. Egal, Kapuzenpulli drübergezogen und das Beste draus machen. Doch auch das Setting passt nicht ganz. Zweifelsohne passen PABST besser in einen verschwitzten Keller als auf eine Bühne auf Brusthöhe. Gut, dass Songs wie das coole (vielleicht zu Unrecht ein krass uncooles Wort geworden) „Accelerate“, der Ohrwurm „Shake the Disease“ und das augenzwinkernde „Forever O.K.“ auf jeder Form eines Rockkonzertes funktionieren und die Essenz von PABST gut rüberbringen. Trotz der Angeschlagenheit der Band passt hier das Allermeiste – vom tighten Drumming bis zur ekstatischen Performance der Saiteninstrumentalisten. Nur die Reaktion des Publikums fällt eher mau aus. Als Support auf einer Tour mit KADAVAR dürfen PABST dementsprechend noch einmal den Charme eines Geheimtipps genießen.
Während PABST wohl die Band war, die beim prozentual größeren Anteil des Publikums für Fragezeichen in den Gesichtern sorgten, ist das bei mir erst eine Band später bei HÄLLAS der Fall. Ich glaub, ich bin in den 70ern gelandet. Die Schweden jedenfalls wirken wie gerade aus einer Zeitmaschine gestiegen. Mit samtenen und glänzenden Bühnenoutfits sowie entsprechend passender Schminke hätten sie vor 40 Jahren auch eine gute Figur gemacht. Und auch musikalisch ist das nicht allzu abwegig. Es dauert nicht lange, bis ich trotzdem meinen Spaß an der Show finde. Der speist sich allerdings eher aus einem Unterhaltungsfaktor als aus auditiver Begeisterung. HÄLLAS sind nicht nur in Sachen Tempo im direkten Vergleich zu ihren Mitstreitern ordentlich gedrosselt, sondern auch was die Zerre angeht. Fast schon klingen die Gitarren stellenweise, man liebäugelt hier also eher mit den softeren Anteil aus dem BLACK SABBATH – Katalog. Nicht weiter schlimm, passt ja durchaus auch, muss man sich nur drauf einlassen. Mir kommt das Ganze, insbesondere auf Setlänge, zu kraftlos daher, doch die Essigfabrik wacht offensichtlich jetzt erst richtig auf. Und naja, zugegebenermaßen höre ich mir in den Folgetagen dann doch des Öfteren mal „Star Rider“ an. Ulkiger Ohrwurm. Würde ich an Guilty Pleasures glauben, wäre HÄLLAS eines für mich.
KADAVAR sind seit einigen Monaten fünf Alben schwer, und auch die Live-Maschine rollt weiter und weiter. An einem Donnerstagabend eine so große Venue dermaßen voll machen, das muss man als deutsche Band in dem Sektor erstmal schaffen. Das Berliner Trio ist eine Ausnahmeerscheinung, das lässt sich nicht zuletzt mit meinem Kennenlernen der Band veranschaulichen: Auf dem VAINSTREAM ROCKFEST 2018 war ich in der späten Mittagssonne mehr als nur beeindruckt vom Retro-Sound und Retro-Feel von KADAVAR. Heute, etwa 16 Monate später, gibt es erstmal die drei ersten Songs der neuen Platte „For the Dead Travel Fast“ auf die Ohren. Es ist nicht mal annähernd so, als wäre ich Experte auf dem Gebiet. Aber ähnlich, wie viele nationale Künstler (DRANGSAL, GURR) derzeit die 80er wiederaufleben lassen, tun KADAVAR das offenkundig mit den 70ern. Auch auf ihrem nunmehr fünften Album. Berlin als Schmiede all dieser lokalen Juwele scheint dabei unaustauschbar. Dort feierten KADAVAR vor kurzem ihre Release-Show mit einem Lineup, dass erst dank der letzten Jahre als „eigentlich doch gar nicht so divers“ angesehen werden kann. Der Erfolg von Lupus, Tiger und Dragon kommt natürlich nicht von ungefähr – es scheint wirklich so, als wüssten die drei ganz genau, was sie da tun. Auch wenn das Ganze manchmal etwas ulkig daherkommt, wenn beispielsweise Schlagzeuger Christoph „Tiger“ Bartelt Grimassen zieht wie ein Fürst aus der Unterwelt oder Simon „Dragon“ Bouteloup nach wenigen Songs seinen Hut aufzieht und ihn bis zum Ende aufbehält, kann man diese neumodische Reinkarnation der Essenz des Rock einfach nicht leugnen. In der VISIONS bezeichneten KADAVAR sich als Anhänger einer Religion, und diese Religion heiße Rock. Heute huldigen sie, wie immer, mit jeder Faser ihres Körpers, ihren Göttern. Bartelt und Bouteloup sind zu jeder Zeit ein Augenschmaus mit ihrer Live-Performance. Christoph „Lupus“ Lindemann, kann da manchmal etwas untergehen. Während Bouteloup sich irgendwann seines Oberteils entledigt, schmettert Lindemann einem ein Wah-Wah-Solo nach dem anderen um die Ohren. Wer legt da eigentlich die Basis, Bouteloup und Bartelt mit ihrem Groove oder er mit seiner hypnotisierenden Stimme und seinem Zurücknehmen in Performance-Gesichtspunkten? Jedenfalls ist er der Einzige mit Mikro. Und der Einzige mit Haupthaar. Alle drei sind jedoch hörbar stolz auf ihr neuestes Werk. Fast die Hälfte der Setlist besteht aus „For the Dead Travel Fast“. Doch KADAVAR haben nicht vergessen, wo sie herkommen. Vom selbstbetitelten Erstlingswerk gibt es „All Our Thoughts“, „Black Sun“ (neben „Come Back Life“ wenn man so will die frühen Hits der Band) und „Living In Your Head“, doch insgesamt ist dann sogar von jedem Album etwas dabei. In Sachen Fanservice punkten die drei Tiermenschen also in vielerlei Hinsicht. Am Ende des Abends blickt man auf ein bierreiches Spektakel zurück, bei dem man mal ausgiebig vergessen konnte, dass es ja noch gar nicht Wochenende ist. Es hätte noch ein bis drölf Songs länger anhalten dürfen. Ein gewolltes Hängenbleiben in der Zeitmaschine, sozusagen.