Das Süd-Londoner Alternative / Avantgarde Kollektiv Archive hat sich nach acht Alben aufgemacht sein bisher ambitioniertestes Projekt anzugehen, welches nun vorliegt: Axiom. Unter diesem Titel werden aktuell ein Musik-Album und ein dazu passender Kurzfilm veröffentlicht. Im Rahmen eines exklusiven Auftritts im legendären London Roundhouse haben Archive den Film und die Platte zusammen in einer Live-Performance vorgestellt. Interessanterweise war das Roundhouse nicht ausverkauft, was wohl daran liegt, dass Archive ihre Erfolge primär auf dem europäischem Festland feiern wohingegen die Band in ihrem Heimatland weitestgehend ignoriert wird.
Bevor ich auf den Archive Auftritt eingehe möchte ich jedoch noch ein paar Sätze zum Konzertsaal, dem Roundhouse im Stadtteil Chalk Farm von London, verlieren. Das Roundhouse wurde im Jahre 1846 als rundes Lokomotivdepot mit einem Drehgleis für die London and Birmingham Railway erbaut. Nach zehn Jahren wurden die Lokomotiven allerdings zu lang für das Gebäude, so dass es bis zum Jahre 1964 als Laden für eine Gin Brennerei verwendet wurde. Seitdem ist das Roundhouse als Kulturzentrum für unterschiedliche Events (z.B. dem iTunes Music Festival) und diverse Workshops im Einsatz. Bei der Renovierung wurde insbesondere darauf geachtet, dass im Innenraum die althergebrachte Baustruktur aus dem Jahre 1846 erhalten bleibt. Inzwischen gehört das Roundhouse zum national Erbe von England. Um es kurz zu machen: ich habe in den zahlreichen Jahren, in denen ich Konzerte besuche zahlreiche Veranstaltungsorte gesehen, aber das Roundhouse sticht hier absolut hervor. Es ist in meinen Augen die schönste Halle, die ich bis dato besucht habe. Vor Beginn des Konzerts bin ich in der Halle herumgegangen, habe all die schönen Details der Bauweise angesehen und war neugierig was Archive hier wohl darbieten werden. Auf dem Foto könnt ihr Euch einen kleinen Eindruck von der Halle machen.
Archive betraten pünktlich und unter großem Jubel der aus allen Ecken der Welt angereisten Anhängerschaft die Bühne und legten wie angekündigt mit Distorted Angels, dem ersten Song von Axiom, los. Parallel lief dazu auf einer großen Leinwand im Bühnenhintergrund der Axiom-Kurzfilm, welcher konsequent in schwarz-weiss gehalten ist und sich stimmungsmässig passend in die bedrückende Stimmung des Albums einreiht, diese sogar noch verstärkt. Musikalisch haben Archive auf Axiom ihre Trip-Hop Einflüsse deutlich erweitert und diese auf sehr gute Weise mit ihrem typischen Alternative / Elektro Sound kombiniert. Live sorgt diese beklemmende Mischung aus verstörendem Kurzfilm, der mich streckenweise an 1984 und Blade Runner ohne Sci Fi erinnert hat, und einem Album, das eigentlich ein durchgängiges Stück Musik ist, dessen Songs nahtlos ineinander übergehen, für eine sehr intensive Konzert Atmosphäre. Diese Atmosphäre wurde auch durch einen absolut perfekten Sound getragen. Dies Stimmen der „Prediger“ im Film sollen dem Zuhörer wahrscheinlich im Ohr klingen und das taten sie live auch ohne unangenehm zu werden. Ein Lob an das Team hinter dem Mischpult: es ist sicher nicht einfach 4 Sänger(innen) und zahlreiche Instrumente in einer uralten Halle, die nicht als Konzertsaal gedacht war, hervorragend klingen zu lassen. Archive gelang es im Rahmen des 40 minütigem Axiom Sets das Publikum zu fesseln: man war neugierig wie sich der Film und der Sound weiterentwickeln und liess sich von der unbeschreiblich dichten Atmosphäre aufsaugen. Ich hatte während einem Großteil des Axiom Sets eine Dauergänsehaut und wünschte mir inständig, dass Archive diese schöne Stimmung und Atmosphäre nicht mit einem Best-Of Set / Zugabenblock am Schluss kaputt machen sollten. Ja, ich wollte zum Ende der 40 Minuten, dass Archive diese unbeschreibliche Atmosphäre und Stimmung einfach für sich so lassen sollten wie sie ist.
Mein Wunsch wurde nicht erfüllt, aber ich sollte dennoch überrascht werden. Kurz nach dem Ende des Axiom Sets kamen Archive wieder auf die Bühne um ein weiteres Set mit zahlreichen „Hits“ zu spielen. Dazu gehörten unter anderem „Conflict“, „Hatchet“ und „Violently“ vom Vorgänger Album „With Us Until You’re Dead“. Interessanterweise schafften es Archive zusammen mit den Fans diesen Best Of Block mit all seinen druckvollen und energiegeladenen Songs nicht als Bruck zum ersten Teil der Show zu gestalten. Meine Befürchtungen waren somit unbegründet. Selbstverständlich wurden die „Hits“ im Publikum frenetisch abgefeiert und auch die Band zeigte sich in aller bester Spiellaune. Zum Ende des Sets war die Stimmung im Roundhouse auf dem Höhepunkt: Leute tanzten in den hinteren Reihen sorglos durch die Gegend, das Publikum wurde zwischen den Songs extrem laut all das schaukelte sich dann noch einmal zum Zugabenblock in die Höhe: die Band wurde schlichtweg noch einmal auf liebevolle Art und Weise auf die Bühne „gezwungen“. Es gab dann noch „Again“, „Dangervisit“ und den Archive Überhit „You Make Me Feel“ als Zugaben.
Ich habe selten ein Konzert mit einer solch dichten Atmosphäre in einer so schönen Halle sehen dürfen. An diesem Abend haben sich alle Bestandteile eines hervorragenden Konzert mühelos zusammengefügt: Tolle Halle, eine herausragende Band mit einem verdammt starken Album, eine stimmige Show und ein Publikum, welches nicht besser hätte sein können (kein Gequatsche, wenige Handyfotos, super Stimmung). An diesen Abend werde ich wohl noch häufig zurückdenken.