CONVERGE bleiben unbestritten eine Bank im Metal-Sektor, was Jacob, Kurt, Nate und Ben vor allem durch ihre letzten Alben immer weiter zementiert haben. Auch ohne neues Material beglücken uns die vier im Festivalsommer 2019 auch mit Clubshows, so wie heute in der Kölner Essigfabrik.
Kurzfristig eingesprungen als erste Support-Band für CANDY, die ihre Europa-Tour absagen mussten, sind FANGE aus Frankreich. Leider verpasse ich sie.
Als zweites stehen jedoch einige alte Bekannte auf der Bühne, wenn auch im neuen Gewandt: SECT bestehen aus ehemaligen Mitgliedern von CURSED, EARTH CRISIS und FALL OUT BOY. Dementsprechend kann man sich schon im Vorfeld sicher sein: Die fünf Herren wissen, was sie da tun. In der Essigfabrik entsteht eine unheimlich dichte Soundwand, die mit der Intensität einer Dampfwalze über das Kölner Publikum hinweg mäht. Trotz der eher mauen Publikumsbeteiligung fällt der Applaus also sehr gönnerhaft aus. Musikalisch bewegen sich SECT in Sphären des Death Metal, Crust, Hardcore und 90s Metalcore. Frontmann Chris Colohan überzeugt jedoch nicht nur durch eine Stimme, als ob er Gift und Galle speien würde, sondern auch durch seine charismatischen Ansagen. Er thematisiert hierbei unter anderem Faschismus, die Grenzen die heutzutage wieder höher gezogen werden und vor dem letzten Song auch Substanzabhängigkeit. Es gelingt Colohan hierbei mit Leichtigkeit, eine Verbindung zum Publikum herzustellen, als er davon berichtet, wie auch die Bandmitglieder von SECT unter Problemen leiden und teilweise lediglich keine Substanzen konsumieren, weil sie dafür nicht stabil genug sind.
Obwohl TERROR um einiges bekannter sind als SECT und Deutschland jedes Jahr gefühlt mit drei bis vier Besuchen beglücken, fällt die Reaktion des Kölner Publikums deutlich mauer aus als von mir erwartet. Aber vielleicht ist auch genau diese Überpräsenz das Problem? Der wahrscheinlichste Grund dafür, dass heute das wohl befremdlichste TERROR-Set ist, das ich bisher gesehen habe: Sie sind nicht Headliner und das Lineup ist eher divers. Scott Vogel ist jedoch Fan von dieser Idee und weist darauf hin, dass er und seine Band CONVERGE lieben und jederzeit mit ihnen auf Tour gehen würden. TERROR starten mit „Lowest of the Low“ und bieten in der Folge einen guten Querschnitt ihres bisherigen Schaffens, der weder auf die frühe noch auf die späte Phase zu viel Fokus legt. In den vorderen Reihen wird zwar gemosht und mitgesungen, aber sie sind sehr spärlich bestückt. Von den Stagedives, von denen Vogel normalerweise nicht genug bekommen kann, kann man also heute nur träumen. Dennoch versucht er mehrmals, Stimmung zu machen und die Leute nach vorne zu animieren. Einmal bietet er sogar „Mr. Muscle“ im Publikum 100€ dafür, wenn er alle Besucher im Raum nach vorne schiebt. Die Setlist von TERROR lässt eigentlich kaum zu wünschen übrig: Es gibt schnelle Songs wie „Live by the Code“, mit „Betrayer“ einen der ruhigsten Songs der Band, mit „Life and Death“ gar den ersten geschriebenen Song überhaupt und natürlich auch massig Härte à la „Spit My Rage“. Der letzte Song „Keep Your Mouth Shut“ holt nochmal am meisten aus der Essigfabrik raus, dann beenden TERROR 10 Minuten früher als gedacht ihren Auftritt.
CONVERGE haben am Merchstand heute wieder dick aufgefahren: Sticker in groß und klein, Patches, Buttons. So weit, so normal. Darüber hinaus gibt es aber auch Prints von Jacob Bannon (unterschiedliche Formate für jeweils 50€) und sein Dunedevil-Buch. Nate Newton hat seine eigenen Pickups dabei und von Ben Koller gibt es unterschriebene CONVERGE-Drumsticks. Ob man das alles braucht, darüber kann man streiten, für die Diehard-Fans sind es aber sicherlich nette Gimmicks. Ins Set startet die Band aus Massachussetts gleich mit etlichen Krachern aus der späten Schaffensphase: Auf das zerbrechliche „A Single Tear“ folgt das epische „Dark Horse“, darauf dann der hektische „Aimless Arrow“ und das zermürbende „Under Duress“. Gleich von Anfang an wird die Nackenmuskulatur also ausgiebig beansprucht. Mit „Melancholia“ gibt es kurze Zeit später auch den neusten Song der 2018 erschienenen EP „Beautiful Ruin“. Jake, Kurt, Nate und Ben sind nahbar und gut drauf wie immer, sie spielen ihr technisch unglaublich anspruchsvolles Set runter als wäre es nichts. Umso härter trifft es einen dann, wenn Bannon einem vor Augen führt, dass jeder im Publikum das auch tun kann. Vermutlich hat er damit Recht, aber die meisten sicherlich nicht (mehr) in dem Ausmaß. Beim Titeltrack zu „All We Love We Leave Behind“ bricht Jacob fast in Tränen aus, mit dem Song ernten CONVERGE die heute wohl deutlichste Reaktion seitens des Publikums. Weitere Highlights sind für mich „A Glacial Pace“, das raffinierte „Sadness Comes Home” und der Moshpart am Ende von „I Can Tell You About Pain”. Jacob Bannon spricht in aller Deutlichkeit aus, dass wir genau ein Leben und damit genau eine Chance haben. Und dass es eine Entscheidung ist, ob man sich zurücklehnen und zuschauen will oder ob man es gestaltet. Wenn man diese Worte jemandem abnehmen kann, dann wohl dem Ausnahmekünstler und Label-Boss von Deathwish. Die zwei Songs lange Zugabe wird mit „Concubine“ zu einem sehr karthatischen Ende gebracht. Am Ende des Tages haben sich CONVERGE wie immer gelohnt. Einer der wenigen Negativpunkte: Kein einziger Song von der „No Heroes“ Platte. Aber bei dem Backkatalog kann man als Fan trotzdem kaum enttäuscht werden.