Immergutrocken ist immer gut. So sollte man meinen. In den letzten Jahren gab es hier selten Enttäuschungen und immer ein hochkarätiges Line Up zu bestaunen. Warum auch immer, aber in diesem Jahr sind die Erwartungen bereits während man seine Sachen für die wilde Sause packt, relativ niedrig. Klassische Indierockhighlights sucht man vergebens auf dem Spielplan und man fragt sich, ob der Name "Immergutrocken" es noch so trifft. Nichts desto trotz, ein wenig aus Tradition, ein bisschen aus Neugier, zieht man dann aber doch los.
Freitags auf dem Gelände angekommen, das übliche, wenn auch nie gleiche Bild: Künstler haben das Festivalgelände zur Austellungsfläche gewandelt, das kleine Programmheft beinhaltet in diesem Jahr eine kleine Ralley und für das leibliche Wohl von fleischig bis vegan ist auch gesorgt. Die Mitarbeiter gewohnt freundlich, hilfsbereit und gut gelaunt empfangen einen und stimmen ein auf ein entspanntes Wochenende.
Man startet mit DIE HEITERKEIT obwohl es gar nicht so klingt und auch nicht so aussieht. Der Himmel verhangen und der Sound passenderweise düster, schwergängig. Hier und da noch ein Quietschen, kein leichter Einstieg. WHITE FENCE lösen dann aber bald den Knoten und auch die Regenwolken. Es gibt Beatnik mit Moshpart, Rock dann doch, 70´er auf Drogen und man wird warn. Es regnet in Strömen als WHEN SAINTS GO MACHINE ausgerechnet die Hauptbühne betreten. Das hat man auf dem Immergut auch schon lange bis nie erlebt und darum die Regenjacke optimistischerweise nicht dabei. Also bleibt man im Zelt. Was durch den Regen dringt, klingt nach MIA meets SKUNK ANANSIE meets BJÖRK. THE CURE treffen im Anschluss auf die SMITHS auf ein Sprechgesangkränzchen. TOY spielen im Zelt, die nassen Wesen kommen von draußen rein. Ziemlich düster, draußen düstert es nun auch. Kraftvoll eintönige Wesen mit dunkler Macht. Aber es hoppst, das Publikum. Extrem entspannt mit Ethnoklängen arythmisch gleitend in die Nacht mit EFTERKLANG, fast schon liebevoll. Aber die Nacht ist auch zum Tanzen da und wird nun dafür genutzt. TEAM ME machen ungefähr genau so liebevoll weiter. Niedlich aber fünfstimmig, Feinindie, verfrickelt, vielseitig servieren sie Klangwunder bis – gewalt. Mit Sicherheit eines der Highlights an diesem Wochenende. Einfach nur zum Warmhalten. JENS LEKMANN sagt dann einem schwer erkälteten Kopf "Gute Nacht" und lässt über nasse Straßen ins kuschelige Schlafgemach sinken.
Samstag, Sonne, Neustrelitz, Zitroneneis und Second Handbummel. Mal kurz am Schlösschen vorbeigehuscht und den Fröschen beim Singen gelauscht, bevor es wieder rein geht in die Wesenwelt des Immergut. "Jedem Ort sein Wesen" ist auch das diesjährige Motto das Festivals und so sieht man allerorten Menschen mit Masken oder Flügeln. Verkleiden ist auch immer gut. In der Sonne startet man dann auch den Tag ganz gemütlich mit einer Lesung von FRANK SPILKER. Der Frontriese der STERNE berichtet von Tom Trottelmann, kursiv Gedrucktes wird kursiv gelesen, Gesangseinlagen lässt der Herr sich nicht nehmen. Die Geschichten weniger lustig als vielmehr verstörend alltäglich. Wie gut, dass die Sonne scheint. Verwirrend geht es mit FENSTER weiter, die sich musikalisch zwischen Blingblingsoundeffekten bewegen, bei denen man sich fragt, wie das geht. Dröhnen, fliegende Wechsel an den Instrumenten und auch die Bühne wird zum Instrument. Die ersten Motivierten tanzen. Der Literaturnobelpreis für singendes aber unterhaltsames Niveau geht auch in diesem Jahr wieder an TIERE STREICHELN MENSCHEN. Schon im letzten Jahr konnten sie begeistern und schaffen es trotz strömenden Regens abermals. YOUNG DREAMS eröffnen im Anschluss Hauptbühne am heutigen Tag und das ziemlich immergutrockig mit viel Nachhall nach dem Regen. Musikalisch aus der gleichen Ecke wie KAKKMADDAFAKKA und KINGS OF CONVENIENCE, Tanzeinlagen auf der Bühne, Konfetti segelt in den Matsch. LESLIE CLIO lassen einen stehen. Vielleicht braucht es nicht zu jedem Künstler warme undoder umschreibende Worte. "Manchmal ist es auch nur der Rhythmus der zählt"; dachten sich wohl XUL ZOLAR und laden zum Tanzen und Mitklatschen. Die Gitarren bei DREDG abgehört, die Stimme etwas hühnerbrüstig. Theatralisch treten BEACH FOSSILS auf. Sie repräsentieren die Indiegeneration, die den Indie zu Tränen treibt mit quengenldem Gesang und aus lauter Verzweiflung möchte man sich das Shirt gleich mit dem Sänger vom Leibe reißen. Wenn es denn der Performance dienlich wäre. Im 3/4- Takt entern die wilden Kerle von DRY THE RIVER folkig die Bühne. Sie zeigen CITY AND COLOUR wie das mit dem stompin Beats geht. Wollen wir mal nicht wertend werden. Und somit schaffen wir mal eine "The"-Band aufs Immergut. THE VACCINES sind sicherlich das Highlight des Wochenendes. Im Gegensatz zu allem bisher Gehörtem auf jeden Fall sehr erfrischend. Vermutlich gibt es daher auch nur Mützen und keine Platten am Merchstand zu erwerben. Die Stimmung bleibt auch bei WE WERE PROMISED JETPACKS oben. Diese beginnen fulminant nd tanzen dann durch ihr Set. Das Zelt ist pickepacke voll und begeistert von OOOOooooOOOOooohhhh-Stadionhymnen. Verdient. Den Abend beschließen THE NOTWIST. Bester Seifenblasensoundtrack, die Stimme, Profis, gewaltig schwebend erwartungsgemäß zwischen Indietronic und Indierock. Fein. Da sollte man aufhören und zum Matratzenhorchdienst aufbrechen.
Liebes Immergutrocken, du bist immer eines meiner liebsten Festivals gewesen und wirst es vermutlich dank der Erinnerungen an vergangene lange bleiben. Aber bitte arbeite an deinem Image, den Rocker nimmt dir sonst bald keiner mehr ab. Und Liebe darf auch mal rauer sein.
Bestes!