Hallo George, bitte stell Dich doch erstmal für die Leser vor?!
Hey, wie gesagt: George Sänger bei At Daggers Drawn aus Berlin, außerdem mach ich Shows in Berlin und lebe mehr recht als schlecht von, mit und für meine Booking Agentur No Decline Booking.
Ihr habt mit „Serving Sorrow“ im Mai (2010) euer Debütalbum veröffentlicht und seid damit gleich auf Sharkmen Records gelandet, was ja nicht das schlechteste Label ist. Wie hat sich bei euch die Labelsuche gestaltet und hattet ihr Wünsche, mit wem ihr zusammen arbeiten möchtet?
Wir sind was das Album angeht echt froh Sharkmen Records an Bord zu haben. Die Label Landschaft, wenn es um Labels für neuere Bands geht, ist in Deutschland eher mit einer Wüste mit wenigen Oasen zu vergleichen als mit einer gesunden Szene die ihren Nachwuchs angemessen fördert. Da ich viel mit anderen Bands in Europa toure weiß ich, dass das auch anders und besser geht und wir sind wirklich sehr froh das Sharkmen Records und Fields Of Hope Records uns unter ihre Fittiche genommen haben. Zumal Sharkmen Records für mich eine sehr attraktive Option war, da das Label weniger nach Genre als nach guten Bands geht (Miles Away, Julith Krishun sind da nur zwei Beispiele). Prinzipiell ist es bei uns bis dato erst mal so gewesen das wir froh waren ein Label gefunden zu haben, welches unsere Wünsche respektiert und umsetzt und trotzdem auch konstruktive Kritik gibt und nicht einfach alles so umsetzt wie abgeliefert.
Schließlich sollte und muss man als junge Band nicht jeden Fehler machen um ihn zu verstehen und kann von der Erfahrung anderer nur profitieren.
Die Zusammenarbeit mit Shrakmen Records kam zustande als ich nach einem Konzert in Leipzig mit Basti ins Gespräch gekommen bin. Ich wusste bereits das er das Label mit viel Sorgfalt und Liebe fürs Detail betreibt da wir im in anderem Rahmen schon miteinander gearbeitet hatten und so war er mir direkt als potentieller Partner ins Gedächtnis gekommen.
Wir sind dann ziemlich schnell auf den Punkt gekommen und die Zusammenarbeit lief / läuft mehr als flüssig und wir freuen uns auch in Zukunft auf Sharkmen Records releasen zu können!
At Daggers Drawn gibt es ja nun schon ein paar Jahre. Warum hat das mit dem Debüt so lange gedauert?
Man kann nicht sagen davor wäre nichts gewesen. Wir haben ja auch schon eine Split 7" mit Daggers aus Belgien rausgebracht und mussten uns in der ersten Zeit erst mal mit Selbstfindung und diversen Line-Up Wechseln auseinander setzen.
Ich bin sehr froh dass das Album erst so spät gekommen ist und muss auch ehrlich sagen das ich im Rückblick sehr gerne noch ein paar Monate mehr gehabt hätte da wir in genau dieser Zeit einen Line-Up Wechsel hatten und da gab es viele Sachen die wir rein zeittechnisch nicht mehr umsetzen oder ausprobieren konnten. Nichts desto trotz bin ich mit dem Ergebnis mehr als zufrieden und denke das wir eine solide erste Platte gemacht haben die uns hoffentlich die Möglichkeit gibt darauf aufzubauen und weiter in verschiedene Richtungen zu experimentieren.
Wir haben in der Vergangenheit so viel wie möglich gespielt und versucht uns eine solide Fanbase aufzubauen, denn schließlich ist das touren und Shows spielen das worum sich bei uns alles dreht und die einizige Möglichkeit Platten raus zu bringen die jemand kennt und auch gerne hören möchte.
Als Fazit könnte man sagen dass das Album selber eigentlich erst der Aperitif sein soll für das was man von uns noch erwarten kann.
Wo habt ihr die Platte aufgenommen und wie war das mit dem passenden Studio? Gibt es in Berlin eigentlich gute und empfehlenswerte Studios, mit denen man einen vorzeigbaren Klang erzeugen kann? Ich habe so oft von Oldenburg gehört..!
Wir haben lange überlegt wo und in welchem Rahmen / Budget wir die Platte aufnehmen wollen. Da wir schließlich keine Indieband mit dicken Produktionsbudget sind sondern Musik machen, die sich in einem kleinen Rahmen bewegt, hatte die Geldfrage dabei ein schon sehr wichtiges Gewicht.
Letzen Endes haben wir uns dann für Die Tonmeisterei in Oldenburg und damit, was die Deutsche Studiolandschaft für Punk / Post / HC angeht, schon eher für den Rolls Royce entschieden.
Ausschlaggebend dafür waren das wir ein Studio haben wollten welches uns in Rat und Tat zur Seite steht und ggf. uns mit ihrem Fachwissen was Produktion als solches aber vor allem Hardcore und Punk angeht unterstützen kann.
Klar waren wir alle davor schon mal in einem Studio und haben Songs eingespielt, aber trotzdem gibt es Sachen die ich zumindest bis dato einfach nicht wusste und auch nie so umgesetzt hätte wie Henner und Rolle von der Tonmeisterei.
Als ich die Vocals aufgenommen habe hat Henner es geschafft in den 20 Sekunden in denen ich vom Aufnahmeraum zum Studio gelaufen bin einen ersten Mix aus den Takes zu machen und auf die Aufnahmen zu legen, sodass man echt schon einen echt fetten Sound hatte! So macht das dann einfach Spaß.
Außerdem war es für uns von großem Vorteil aus Berlin und damit aus dem Alltag / Jobs / Schule raus zu sein und uns einfach nur auf die Aufnahme zu konzentrieren.
Ihr habt ja dieses Wochenende beim Burning Ice in Gladbach gespielt, wo ja ein sehr illustres Programm aufgefahren wurde. Von Punk a la Riot Before bis hin zu etwas „tougherem“ a la Settle The Score, was mich auf die Frage bringt, inwieweit ihr euch in welcher Nische der Hardcore-Szene seht oder ist euch so ein Programm und die Facette der verschiedenen Festivals und Shows gänzlich egal?
Das ist wirklich schwer zu sagen. Ich habe da von Post-HC bis Modern Hardcore schon alles gehört und wenn ich drüber nachdenke fällt es mir sehr schwer es auf den Punkt zu bringen. Sicher ist nur das wir damit gestartet haben einen Modern Hardcore Sound zu wollen und das am Anfang auch ziemlich straight durchgezogen haben. Inzwischen ist es aber so, dass wir alle mehr und mehr Lust bekommen andere Einflüsse ein zu beziehen und neues zu probieren.
Wir haben gerade drei neue Songs geschrieben, die wir 2011 releasen wollen und sie sind, so viel kann ich sagen, dank unserem neuen Gitaristen Simon ein großer Schritt nach vorne. Wir haben uns an verschiedensten Elementen versucht und jeder Sound hat einen ganz eigenen Groove!
Ich denke, dass es für Festivals nur von Vorteil sein kann, ein gemischtes Line-Up zu haben da erstens niemand Bock hat sich 10 mal das gleiche am Stück anzusehen und selbst wenn man alle Bands mag das einfach langweilig wäre, da Festivals ja auch immer der Ort sind um Freunde aus anderen Städten zu treffen und einfach in Ruhe abzuhängen.
Das Burning Ice war ein Festival, das muss man einfach mal sagen, bei dem einfach alles gepasst hat. Von der Bandbetreuung über den Sound, die Location, das Line-Up und die wirklich beachtliche Crowd - einfach nur spitze. Wir hatten ziemlich viel spass und ein wirklich gutes Set.
Als Berliner Band seht ihr ja auch aktiv den Location-Verfall in der Stadt. Hans Wurst, Lokal, Kato, Knaack, Amnesie und so weiter und so fort, nur ein paar von vielen Locations die derzeit so schließen müssen. Da du, George, ja auch nicht nur Shows in B buchst sondern auch in komplett Europa und UK wäre meine Frage ob das einfach ein Phänomen von Berlin ist oder leider ein allgemeines Bild der Gentrifizierung weltweit?!
Ich glaube das Bild zieht sich quer durch jede größere Stadt Europas. Nur mit dem Unterschied, dass Berlin dank seiner beachtlichen Anzahl an, naja sagen wir mal "Überlebenskünstlern", also Leute wie ich, die sich mehr oder minder mit, naja sagen wir, einem kleinen Ding hier, einem spontanen Job da, über Wasser halten und somit das Bruttogehalt in Berlin auf einem sympathisch niedrigen Level halten und es wenigstens temporär geschafft haben die Gentrifizierung hier in ihren Kinderschuhen zu halten.
Leider sind die Tage schon seit langem gezählt und es ist unrealistisch Berlin wieder in den Zustand zurück zu versetzten, den es einst hatte und der zweifelsohne den Charme dieser Stadt ausgemacht hat.
Nichtsdestotrotz finde ich es super, dass das Engagement gegen die aktuellen Veränderungen hier bis jetzt ungebrochen ist und die Leute versuchen ihre Freiräume und den selbst erworbene Lebensstil zu erhalten und so lange das Ganze nicht in einer Art Kleingärtnertum ausufert, in dem sich jeder sein kleines Takatukaland aufbaut in dem nur noch die mitspielen dürfen, die dem gängigen Klischees des alternativen Lifestyles entsprechen, gibt es noch Hoffnung.
Allerdings habe ich im Laufe der Zeit die Beobachtung gemacht das gewisse Mechanismen einfach zusammen hängen und auf seltsame Art und Weise die Leute die sie am wenigsten wollen den ersten Schritt Richtung Gentrifizierung tun.
Da wären in Berlin zuerst die Hausbesetzer und Punks die zur Wendezeit Friedrichshain und Prenzlauer Berg zu diesem wunderschönen Lebenstraum alternativer und linker Kultur gemacht haben. An dem sich auch jeder andere ein Stückchen Individualität und Coolness für eine günstige Miete und passendem Sozialwissenschaftsstudium ergattern konnte. Hier wird jetzt wiederum Infrastruktur aus kleinen Kiez bar, Clubs und Nightlife aufgebaut die einfach danach schreien ein Insider und Kult zu sein und damit fast unaufhaltsam Richtung Kommerz gehen.
Was dann passiert ist lässt sich schnell zusammen fassen: Dem Nachtleben folgen die kleinen Läden den kleinen Läden folgen die Restaurants, den Restaurants folgen die Touristenführer mit ihren Geheimtipps, dem folgen neue Investoren, den folgen Hochglanzprospekte vom Loft in urbanem Szenekiez und dem folgen letzen Endes die großen modernen bauten die nur darauf warten mit Designeragenturen und Labels gefüllt zu werden.
Ihr geht ja bald mit Effort auf Tour, einer Band die ja ganz arg am Straight Edge und political correctness festhält. Seid ihr in der Band ebenfalls komplett SxE oder baut man auf Tour schon eher auf das harmonische Zusammenleben statt auf Ideologien?
Also zu deiner ersten Frage: Ganz klar Nein, wir sind nicht Straight Edge und ich persönlich finde da auch keinen richtigen Zugang zu diesem Lifestyle - aber hey - ich finde das muss ich auch nicht. Ich habe vor ca. einem Jahr das Buch „Punk DC“ gelesen und finde die Grundstruktur vom SxE Lifestyle und Politik sehr sympathisch, allerdings hat mir meine Erfahrung gezeigt, dass es leider viel zu oft nur noch um Lifestyle geht und die Attitüde einfach hinten dran bleibt und dann ist es für mich einfach nicht mehr attratkiv. Ich habe The Effort bis jetzt auf jeder ihrer Eurotrips begleitet und kann ganz klar sagen, dass die Jungs nicht zu der Sorte Lifestyler gehören. Tony und der Rest sind schon fast ihre ganze Jugend Straigh Edge und genau diesem Fakt ist es zu verdanken, dass man sich nicht mit stundenlangen Diskusionen aufhält sondern jeder einfach sein Ding macht und du so sein kannst wie du willst.
Klar gab es da schon den ein oder anderen Joke den ich nach einer durchzechten Nacht mit Lewd Acts auf meine Kappe nehmen musste aber es gibt auch genauso Fotos auf denen Sänger Tony mit (nicht brennender!!!) Zigarette im Mund, Bier in der Hand und X-Watch dekoriert schläft.
Also eine ganz lockere Atmosphäre. Wir freuen uns wirklich riesig auf die Tour mit The Effort, da es immer viel mehr Spass macht mit Bands auf Tour zu gehen, die man kennt und zu denen man einen Draht hat als auf komplettes Neuland zu stoßen.
Außerdem begleiten uns The Effort schon sehr lange in unserer Bandgeschichte und so hat Tony bei der letzten Tour noch schnell einen Guest Vocal Part bei unserem Song "Worthless" eingesungen und für nächstes Jahr steht dann ja auch noch eine gemeinsame US Tour in der Planung. Ich denke wir werden alle davon profitieren, The Effort werden viel zu lachen haben und ich schaffe es wahrscheinlich mein Tageslimit an Zigaretten zu halbieren!
Als letztes, diese blöde Standardfrage: Warum Hardcore? Was hat dich zum Hardcore gebracht und wie hast Du deinen Platz in der Nische gefunden?
Warum Hardcore? Da fragst du mich was. Ich glaube jeder der ein paar Jahre in der Szene ist fragt sich das mindestens einmal im Monat, wenn mal wieder irgend ein dämlicher Szene Gossip, Hype oder sonst was abläuft - aber für meinen Teil ist es so, dass ich klar die Hardcore Szene liebe und alles was sie zu bieten hat, aber trotzdem versuche mir in meinem Leben noch ein bisschen Platz für andere Sachen zu behalten.
In den letzten Jahren ist Hardcore für mich immer mehr zum Lebensmittelpunkt geworden und mein Leben besteht zu 2/3 aus touren, Konzerten und Booking. Das kann schon manchmal zu einer Überdosis führen aber spätestens wenn ich mal zwei Monate am Stück in Berlin bin merke ich wie mir die Decke auf den Kopf fällt und ich schleunigst raus will und das alles wäre ohne Hardcore für mich nicht möglich.
Dazu gekommen bin ich eigentlich erst relativ spät, nachdem sich meine Reise durch die Subkulturen von Deutschpunk zu Bands wie At The Drive-In geführt hat. Von da aus bin ich dann irgendwann in die deutsche Szene gekommen und bin damals vor allem durch Bands wie Tackleberry und Just Went Black richtig rein gekommen.
Aber ein ganz klares Statement und ein Fakt der wahrscheinlich für sehr viele in meinem Lager gilt: Ohne Comback Kid wäre ich vielleicht nie zu modern Hardcore gekommen. Die Band war damals einfach nur der Brüller auch wenn ich das jetzt wirklich nicht mehr sagen kann, aber ja das war wohl der entscheidende Moment für mich.
Ansonsten bin ich in einer Kleinstadt aufgewachsen und ohne die eins, zwei Shows im Monat wär ich wahrscheinlich einfach nur eingegangen.
Und jetzt gerade sitze ich mit Man Overboard im Van auf dem Weg von Glasgow nach Leeds, es ist nachmittags um 15.00Uhr und trinke Bier zu Chuck Ragan und versuch unser altes Schrottnavi wieder in Gang zu bekommen. Was will man mehr?