Interview mit CITIZEN

14.10.2017
 

 

Gerade mal zwei Dates spielen Citizen auf ihrer Europatour zur Erscheinung ihres neuen Albums "As You Please" in Deutschland - eins davon im Kölner Tsunami Club. Wir nutzten die Chance, um uns mit dem Frontmann Mat über die neue Platte und vieles mehr zu unterhalten.

 

Das ist erst euer zweites Mal auf dem europäischen Festland und es sind nur zwei Termine. Letztes Mal war es nur etwa eine Woche. Warum spielt ihr hier so wenig?

Das liegt um ehrlich zu sein zu einem großen Teil an mir. Ich bin nicht der allergrößte Fan was das Touren angeht, vor allem außerhalb des Landes. Meistens machen wir das daher nur eine Woche oder eine anderthalb Wochen.

 

Gibt es denn einen Grund, so wenig zu touren? Arbeit oder Familie oder sowas?

Familie. Wenn man ständig unterwegs ist, ist es wirklich schwer, in Kontakt zu bleiben. Ich stehe meiner Familie sehr nahe, deswegen habe ich sie gerne viel um mich herum. Das ist also das Ding.

 

Und da gibt es keine Streitigkeiten in der Band?

Nein, jeder sieht das ziemlich cool. Ich weiß, dass die anderen gerne etwas länger touren würden, aber sie sind auch zufrieden damit, wie es momentan läuft. Ich bin außerdem eine ziemlich aktive Person, ich mache gerne Sport und esse daher auch gerne bewusst. Wenn wir hier in Europa sind, bin ich darauf beschränkt, wie oft unser Tourmanager essen will. Und dann ist es normalerweise auch Junkfood. Und trainieren kann ich auch nicht.

 

Wie viele Monate des Jahres tourt ihr denn dann?

Vielleicht sechs. Aber nicht so viel wie andere Bands. Unsere Freunde von Turnover zum Beispiel sind ja nie zu Hause. Für manche Leute ist diese Tourroutine eben genau das, was sie wollen. Für mich ist das anders. Ich versuche, mir da das Beste rauszuholen, aber ich will nicht ständig unterwegs sein. Ist einfach nicht mein Ding.

 

Bei der letzten Tour konnte ich nicht da sein. Ich habe aber gehört, dass du deine Stimme verloren hattest und nicht singen konntest.

Ja, stimmt. Man, das war so komisch. Speziell auf dieser Tour habe ich kaum geschlafen und ich kam nicht auf den Jetlag klar. Am ersten Morgen sind wir erst um 7 zum Schlafen gekommen und dann um 9 Uhr wieder aufgestanden. Ich war also todmüde und es war saukalt draußen. Ich bin da leider etwas empfindlich. Und wenn du die Stimme dann weg hast, kannst du nichts tun, außer dich ausruhen. Ich weiß nicht mehr, bei der wievielten Show das genau war, aber irgendwann in den ersten Tagen wollte ich mich aufwärmen und klang einfach nur wie ein sterbendes Schwein. Das war echt richtig scheisse. Ich habe auf Spotify einen Citizen-Song abgespielt und darauf gesungen, und dann haben die Anderen gemerkt, dass es leider gar nicht geht. Austin von Turnover und Eric, der damals auch bei denen gespielt hat, haben dann die meisten Songs live übernommen. Wir haben so eine aufgebrachte Nachricht von einem Typen bekommen, der meinte „Ich habe so und so viel Kohle bezahlt, um euch zu sehen, und dann so eine Scheisse“ und ich dachte mir nur „Sorry. War nicht meine Absicht“.

 

Erzähl uns bitte etwas über Honey Lung und darüber, warum ihr sie als Support ausgewählt habt.

Sie sind jung und gute Leute. Normalerweise wählt unser Gitarrist Nick die Supports aus. Wir haben da über unser Management eine Liste von Bands bekommen. Nick hat sich alle angehört und Honey Lung ausgewählt. Sie kommen aus London. Und ich vertraue da auf sein Urteil und es hat sich gelohnt. Junge Bands sind wichtig, sie sind schließlich die Zukunft.

 

Für fünf Tage hätte sich eine andere Band aus den Staaten wahrscheinlich als Support nicht gelohnt. Hättet ihr denn da Bands, die ihr gerne mal mit rüber mitbringen würden?

Ja, schon. Mein Bruder spielt in einer Band namens The Flats. Sie haben noch nie mit Citizen gespielt. Ich weiß nicht mal, ob er das wollen würde. Er will nicht, dass die Leute denken, dass er sich nur an uns dranhängt. Aber ich glaube er würde ja sagen, wenn wir sie fragen würden.

 

Lass uns mal über euer neues Album “As You Please” reden. Mir kommt die Platte eine ganze Ecke ruhiger vor als der Vorgänger. Wo waren da die Unterschiede beim Songwriting und beim Aufnehmen? Was wolltet ihr erreichen?

Wir hatten kein bestimmtes Ziel. Der Vorgang war ein ganz anderer, wir hatten keinen Zeitdruck. Ich meine, normalerweise haben wir den auch nicht, aber wir kratzen normalerweise erst kurz vorher die Songs zusammen. Diesmal haben wir schon über ein Jahr vorher angefangen und haben Demos hin und her geschickt. Ins Studio sind wir mit 16 Songs gegangen. Herausgekommen sind 12. Wir haben 14 aufgenommen, 2 andere fliegen also irgendwo herum. „Everybody is Going to Heaven“ war aggressiv, aber ich denke „As You Please“ ist auf seine eigene Art und Weise auch ein aggressives Album. Wir wollten Dinge machen, die wir vorher noch nicht probiert hatten, aber dabei Citizen bleiben.

 

Wo spürt man diese Aggression denn? Mir kommt das Album nämlich ruhig vor.

Es kommt dir ruhig vor? Ich schreie eigentlich noch eine Menge. Die Vocals sind schon aggressiv auf „As You Please“. Ich denke nur, dass das nicht so rauskommt, weil ich diesmal nicht den Double von meiner Stimme so laut gemacht habe, deshalb klingt es eben ganz anders. Es sind quasi nur noch 2 anstatt 3 Mats, die da schreien.

 

Das macht Sinn. Aber ich meine auch die Gitarrenarbeit. Die Akkorde und so weiter.

Echt? Witzig, dass du das sagst. Die Akkordfolgen sind eigentlich ähnlich. Nicht dieselben, aber schon aus einem ähnlichen Bereich. Ich selbst denke, dass das Album ziemlich aggressiv ist. Wir haben außerdem absichtlich versucht, dass das Tempo in jedem Song ein bisschen anders ist. Das war etwas, das mich bei „Everybody is Going to Heaven“ etwas gestört hat. Wir haben die Songs schnell zusammen gehabt, aber es wurde dadurch etwas eintönig. Als wir dann das neue Album geschrieben haben, habe ich also mit dem Metronom gearbeitet und mehr auf das Tempo geachtet. Ich denke jeder Songwriter hat sowas wie ein natürliches Tempo. Wenn ich mir die Gitarre nehme und Songs schreibe, kommt da meistens irgendwas im Midtempo raus. Ich bin so ein Midtempo-Typ. Wir haben uns dazu also ein bisschen zwingen müssen. Aber dadurch ist eine etwas andere Atmosphäre rausgekommen.

 

Kannst du was über den Albumtitel und das Artwork erzählen?

„As You Please“ war eine Idee von Nick. Er hat das aus einer Zeile genommen, die ich geschrieben habe. Er könnte dir das besser erklären. Der Song „As You Please“ ist eine Art Liebeslied, auch wenn das schnulzig klingt. Es geht darum, sich jemandem vollkommen zu öffnen. Und das gilt irgendwie auch für dieses ganze Album. Wir haben versucht, sehr ehrlich und gerade heraus zu sein. Und das Artwork ist ebenfalls Nicks Arbeit. Er macht alle unsere Designs. Er hat dafür ein Stück Stoff auf den Boden gelegt und die Sterne mit der Hand ausgeschnitten. Keine Ahnung wo er die Idee her hatte. Als wir die Demos gemacht haben, hat er ständig diese Doodles von Leuten und Objekten gemacht und immer Sterne mit reingebracht, und wir dachten einfach, dass das cool aussieht. Wir dachten aber nicht, dass das was für Citizen sein sollte.

 

Gibt es einen bestimmten Song, der dir am wichtigsten ist oder auf den du sehr stolz bist?

Ich mag „Flowerchild“ sehr, den letzten Song auf der Platte. Der ging mir einfach so leicht von der Hand. Auch der Text, alles war so simpel. Die erste Demo mochte ich schon sehr. Ich habe die dann unserem Schlagzeuger Jake gezeigt. Er meinte dann, dass er ihn ganz cool findet, aber man konnte klar merken, dass er eigentlich nicht so davon überzeugt war. Und ich dachte mir „Oh, scheisse. Ich mag den eigentlich ziemlich“. Wir haben dann nochmal zusammen daran gearbeitet, und jetzt ist es mein Favorit. Der Text ist recht persönlich. Es ist nicht so leicht zu erklären. Aber ich versuche es mal: Ich bin ständig unter vielen Leuten. Und die Leute scheinen nur begeistert von deinem Zeug zu sein, wenn du ihnen etwas Trauriges gibst. Wenn du aber in einer guten Phase in deinem Leben bist, dann sagen all diese Leute so einen Schwachsinn. Dass sie sich wünschen, dass dir bald irgendwas passiert, damit du wieder etwas Trauriges abliefern kannst. Und darum geht es in dem Song ein bisschen. Diesen Leuten bin ich einfach egal, wieso soll ich sie also bedienen? Letztes Jahr hat mich das ein bisschen fertig gemacht, als ich zuhause etwas Zeit allein verbracht habe.

 

Ja, das kann ich total verstehen. Erinnert mich an den einen Kommentar, den ich mal unter einem Bild von Jon Simmons (Balance & Composure) auf Instagram gesehen habe. Das war ein Bild mit seiner Freundin, und irgend so ein Arschloch hat drunter geschrieben: „Mach Schluss mit ihr! Du schreibst nur noch scheiss Musik, seit du mit ihr zusammen bist.“.

Das ist einfach mega unverschämt. Es gibt all diese Leute, die sich dafür einsetzen, dass sich alle akzeptiert fühlen und wenn es dann um etwas geht, das sie von dir haben wollen, vergessen sie das irgendwie. Jon Simmons ist ein Mensch, was soll das also. Das ist nicht okay.

 

Vielleicht wollen die Leute einfach eine Beziehung aufbauen. Und vielen Leuten geht es einfach ständig beschissen, deswegen wollen sie traurige Musik hören.

Ja, und das verstehe ich auch. Aber es gibt genug Musik. Wenn dir etwas nicht gefällt, dann hör doch einfach was anderes. Man muss nicht unhöflich sein und versuchen, jemanden runterzuziehen.

 

Für die letzte Platte gab es einige fiese Kritiken. Zum Beispiel, dass es zu sehr nach Brand New klingt. Wie seid ihr damit umgegangen?

Das war mir eigentlich ziemlich egal. Was die Brand New Vergleiche angeht, da machen es sich die Leute zu leicht. Ich glaube viele dieser Leute hören einfach keine andere Band, die sich so ähnlich anhört, außer Brand New. „Everybody is Going to Heaven“ war sehr von Marilyn Manson, Nine Inch Nails und so weiter beeinflusst.

 

Echt? Marilyn Manson höre ich nicht, Nine Inch Nails schon recht viel. Eine bestimmte Platte von ihnen?

„The Downward Spiral“. Also die offensichtliche. Die Gesangsmelodien haben mich beeinflusst. Nur halt weniger peppig. Und Brand New geht auch in diese Bereiche rein. Deshalb wird jede Band, die das auch tut, sich für die Leute anhören wie Brand New. „Everybody is Going to Heaven“ wurde online viel kritisiert. Aber wir haben immer noch Konzerte ausverkauft und die Leute sind auch auf die neuen Songs ausgerastet.

 

Ja, ich glaube es lag auch daran, dass die Leute euch mit „Youth“ eher in die Poppunk-Schublade eingeordnet hatten.

Das war genau der Punkt. Wir wollten einfach nicht wirklich zu dieser Welt gehöre. Nicht dass wir diese ganzen Bands nicht gemocht hätten, aber so richtig haben wir da nicht reingepasst. Deshalb brauchten wir diesen Abschied in Form eines Albums. Wir wussten, dass wir dabei Fans verlieren. Aber letztendlich kommen immer noch Leute für „Youth“ auf die Shows, aber eben auch für die Platte danach. Die Konzerte sind einfach größer geworden. Wir waren gelangweilt von all diesen Poppunk-Vergleichen. Wir können nicht leugnen, dass wir auch mal solche Musik gemacht haben. Aber man entwickelt sich eben auch.

 

Was sind bisher deine Lieblingsplatten dieses Jahres?

Okay. Im Nebenraum findet gerade ein Interview mit Nick statt, in dem es genau darum geht. Und genau das wollte ich nicht machen (lacht). [Anm. der Redaktion: FUZE Podcast]. Ich bin nicht so der Typ, der da auf dem neusten Stand ist. Ich höre schon viel Musik, aber ich höre eher die selben Sachen immer und immer wieder. Aber eins werde ich dazu sagen: Cannibal Corpse haben vor kurzem einen neuen Song veröffentlicht, er heißt „Code of the Slashers“. Ich kriege nicht genug davon. Das Album wird also eines der besten werden, wenn es dieses Jahr noch rauskommt. Ansonsten sende ich auf jeden Fall Grüße raus an Turnover. „Good Nature“ ist cool. Ich höre aber eher die Sachen aus meiner „Good Music“-Spotify-Playlist.

 

Dann nenn uns einfach ein paar Klassiker von dieser Liste.

Es hört sich ausgelutscht an, aber ich habe echt viel David Bowie und Queen gehört. Vor dem letzten Jahr habe ich die nicht wirklich gehört. Ich kannte die üblichen Songs. Aber jetzt höre ich mich da gerade rein.

 

Ich habe auch erst mit David Bowie angefangen, als er gestorben ist. „Blackstar“ finde ich super.

Es ist wahnsinnig gut! Es sind so viele Details darin versteckt, im Booklet und so weiter. Es ist wirklich ein Meisterwerk, das mich fasziniert. Vor allem „Blackstar“, eigentlich über das ganze letzte Jahr. Ansonsten habe ich viel Queen und so ein Zeug gehört. Sehr altes Zeug, aber neu für mich. Es fühlt sich an, als würde ich in eine ganz neue Welt eintauchen.

 

Kannst du denn ein paar unbekanntere Bands aus den Staaten empfehlen?

Außer den Flats noch Tranquility. Silver Age. Freedom. Das sind alles Bands aus meiner Gegend. Der Schlagzeuger von Citizen spielt übrigens auch bei Freedom.

 

Was denkst du über das was in Las Vegas passiert ist? Und wie die Leute in Amerika darauf reagiert haben?

Es ist einfach tragisch und es macht mich einfach fertig. Wir lieben es in Las Vegas, wir hatten dort eine super Zeit. Aber dafür ist die Stadt ja auch bekannt. In Amerika gibt es sehr viele offensichtliche Dinge, die falsch laufen. Rassismus und so weiter. Aber es gibt diese seltsame Kluft, diesen internen Krieg in Amerika seit Trump als Präsident kandidiert hat. Leute, die Nationalismus verteidigen und so weiter. Es gibt eine Menge Wohltätigkeitsarbeit, aber auch viele Verschwörungstheorien und so weiter. Das kam wirklich unerwartet, ich weiß noch gar nicht was ich darüber denken so. Und natürlich ist es „White Privilege“, wenn der Typ nicht Terrorist genannt wird und die Sache mit seiner Religion in Verbindung gebracht wird.

 

Das heizt natürlich auch die Diskussion um die Waffengesetze in Amerika erneut an.

Ja, es ist keine Frage, dass wir ein Waffenproblem haben. Wenn ich die Straße runterlaufe und mich jemand anrempelt, dann bin ich gleich etwas nervös. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass der Typ eine Waffe hat, ist schon groß. Und da kannst du dann nichts machen. Deshalb ist man immer etwas angespannt. Ich glaube also an die Kontrolle von Waffen. Ich besitze allerdings auch eine Pistole. Die ist in meinem Haus versteckt, um mein Heim zu schützen. Aber Leute tragen eben auch halbautomatische Waffen auf der Straße herum, und es ist legal. Es gibt auch Leute, die an härtere Waffenkontrollen glauben und sie trotzdem offen zur Schau tragen. Und wenn es nur dazu dient, Linke zu provozieren.

 

Denkst du denn, dass es notwendig ist, eine Waffe zu Hause zu haben, um sich zu verteidigen?

Ich denke, die Waffengesetze tragen eben dazu bei, dass es notwendig ist. Man sagt, es ist dumm, Feuer mit Feuer zu bekämpfen. Aber wir haben schon viele Einbrüche in Toledo, wo ich herkomme. Und was mache ich da groß, wenn ein Typ mit einer Waffe in mein Haus einbricht? Soll ich mich dann erschießen lassen?

 

Ja, ich frage mich nur was der wichtigere Punkt ist: Sich zu beschützen oder die ganzen Risiken, die mit diesen lockeren Waffengesetzen einhergehen?

Ich verstehe schon, was du meinst. Wie gesagt, es ist eine schwierige Diskussion. Ich habe eine Waffe, aber rühre sie halt nicht an. Das ist jedoch bei jedem anders. Viele Leute tragen sie mit sich herum. Und es gibt auch viele Massenschiessereien. Ich weiß nicht wirklich, was ich dazu sagen soll. Ich fühle mich, als würde ich im Kreis reden. Es scheint eine so einfache Sache zu sein, ist aber dann doch so kompliziert.

 

Vielleicht hat es auch einfach mit der Geschichte von Amerika und eurem Aufwachsen in diesem Kontext zu tun.

Es gibt keinen Zweifel, dass Amerika ein Problem mit Waffen hat. Die Statistiken zeigen das. Und wir haben die ganze Zeit nichts dagegen getan. Da müssen schon Schritte gemacht werden. Ich bin aber nicht klug genug um zu sagen, was da genau passieren muss. Ich hoffe nur, dass das nicht wieder in den Hintergrund gerät und dann nichts passiert. Das ist nämlich oft mit eigentlich wichtigen Themen so.

 

Vielen Dank für das Interview!

 

Gerne, hat Spaß gemacht.