Callejon Interview mit Bernhard und Thorsten
Vom ScrEMOmetal zum Zombiecore, Identitätswechsel im Hause CALLEJON oder wie würdest Du Euer neues Hausgenre beschreiben?
Die neue Platte geht ja schon in eine etwas andere Richtung, und der "Emo"-Einschlag ist, denke ich, nicht ganz so präsent wie vorher. Aber wir haben definitiv keinen Identitätswechsel vollzogen, sondern die Stärken der Band stärker herausgestellt, und auch mal was Neues ausprobiert. Die Bezeichnung "Zombiecore" bezieht sich ja auch eher auf die inhaltliche und textliche Ebene de Platte, als auf die musikalische.
Würde denn Zombiemetal nicht besser passen, denn "Zombieactionhauptquatier" fällt ja eindeutig wesentlich metallischer als seine Vorgänger aus?
Das stimmt zum Teil, auch wenn nach wie vor auch "Core"-Elemente auszumachen sind. "Zombiecore" ist als Ausdruck einfach griffiger. Wir hatten auch überlegt, es uns ganz einfach zu machen, und es die schlichte Bezeichnung "Metal" auszupacken, was dann aber wieder zu breit gefächert wäre, denn von Avantasia bis Dimmu Borgir sind ziemlich viele Musikstile Metal. Letztendlich sind solche Kategorisierungen von dem Stil einer Band sowieso nicht das, worauf wir unbedingt scharf sind, aber es ist für Presseinfos, etc. nun mal unerlässlich. Aber wie gesagt, hat der Begriff eher mit der Zombiethematik diesen Albums zu tun, als mit der grundsätzlichen musikalischen Ausrichtung von Callejon.
Das komplette Album inklusive Artwork, Eurer Promopics und Co ist nun auf dieses Zombieding, fast im Sinne einer Corporate Identity ausgelegt. Wie kam es eigentlich dazu?
Wir hatten schon den Song Zombiefied fertig, und spielten gerade mit dem Gedanken, das Album auch um diese Zombiethematik aufzubauen, auch weil Basti ein totaler Zombiefilm-Fanatiker ist. Dann kamen wir zu den Testaufnahmen für das Album zu Eike nach Hamburg, wo wir in einer Musikerwohnung im höchsten Stockwerk eines leerstehenden Verwaltungsgebäudes untergebracht waren. Das wiederum stand auf dem obersten Parkdeck eines verlassenen Parkhauses... also pure Zombieatmosphäre. Der Besitzer der Wohnung hat uns dann auch direkt eröffnet, dass auf dem Parkdeck vor Kurzem jemand erhängt wurde. Jedenfalls haben wir diesen Grusel-Vibe mit in das Album einfließen lassen, wir sind durch die leerstehenden Gänge gegeistert, haben das Büro Nr. 666 gefunden und uns dann nachts nicht getraut, pissen zu gehen, weil das Klo im Treppenhaus war. Jedenfalls haben wir gedacht, dass das alles kein Zufall sein kann, und deshalb haben wir dann das Album Zombie Action Hauptquartier genannt und auch textlich um dieses Motiv aufgebaut.
Jetzt, da ihr offensichtlich Zombieexperten seid, welche Filme kannst Du mir denn empfehlen?
Da sind natürlich die Klassiker von Romero und Fulci, und Basti könnte jetzt wahrscheinlich einen mehrbändigen Abriss der Geschichte des Zombiefilms schreiben - ich finde jedenfalls auch einige Werke neueren Datums, wie 28 Days/Weeks Later, Land of the Dead oder die Dawn of the Dead-Neuverfilmung sehr überzeugend.
CALLEJON ist von jeher eine polarisierende Band. Das neue Auftreten wird dies zweifelsfrei noch weiter vorantreiben und "Fashion" und "Trend"-Hascherei unterstellen. Ihr provoziert ja scheinbar bewusst, wieso eigentlich?
Eigentlich sind wir überhaupt nicht darauf aus, zu provozieren. Wir sind bloß nicht bereit, bestimmte "Szene"-Konventionen und -Maximen zu erfüllen, nur weil manche Leute denken, dass man das als Metal- oder Hardcore- oder was auch immer Band tun müsste. Wir geben uns, wie wir sind und wie wir Bock darauf haben. Klar ecken wir damit bei einigen Leuten an, aber wir waren nie eine Band, die es allen recht machen wollte. Mal ganz ehrlich: Diese Unkrufe, wir würden irgendwelchen Trends hinterherlaufen sind doch einfach nur ein Armutszeugnis für diejenigen, die uns augenscheinlich nicht gönnen, Anklang zu finden. Keine Band, die totale Scheiße auf eine Platte packt, wird langfristig Erfolge einfahren, nur weil sie im Trend liegt, dass weiß jeder, de sich mehr als zehn Minuten mit der Musiklandschaft beschäftigt. Wir sind ja jetzt auch schon eine Weile mit dabei und ziehen einfach nur unser Ding durch. Insofern können wir ganz gut damit leben, von manchen Leuten scheiße gefunden zu werden, aber wir polarisieren nicht gezielt. Obwohl das natürlich immer besser ist, als irgendwo im Mittelmaß herumzudümpeln, und von jeden ganz okay gefunden zu werden.
Im Anschluss an die heutige Listening Session ladet ihr mich also zum Essen ins Steakhaus ein. Mir das nicht PC genug, weswegen ich nachher alleine zu Burger King gehe, aber mal im Ernst, lädt man als Band mit einem Hardcorebackground Medienvertreter ins Steakhaus ein?
Wir laden sowieso niemanden ein, das sind zum Glück NB, höhö? Eigentlich war wohl auch ein anderer Laden geplant, der aber kurzfristig ausgebucht war. Jedenfalls sind wir erstens eine Band, in der vier von fünf Leuten Fleischesser sind, und wir freuen uns auch auf das Steakhaus. Da ist unser HC-Background wohl nicht stark genug ausgeprägt. Und zweitens muss ja auch im Steakhaus keiner Fleisch essen, wenn er oder sie das nicht will. Ich denke, auch da gibt es genug Alternativen.
Thorsten ist ja selber Veganer, was isst er denn heute? Und wie steht Ihr denn dazu?
Ich denke mal, Thorsten wird einen riesigen Salatteller, vier gegrillte Maiskolben, einen Pott Tomatensuppe, ein bis zwei Baked Potatoes und den gemischten Gemüseteller der Saison nehmen, ungefähr ein viertel davon schaffen und dann Durchfall bekommen. Thorsten ist ja auch primär aus gesundheitlichen Gründen Veganer, da er eine Laktose-Intoleranz und Probleme mit der Magenschleimhaut hat. Er lebt sehr viel gesünder als wir und kann soundtechnisch wirklich beeindruckende Fürze ablassen, die allerdings kaum geruchsintensiv sind. Wir kommen also alle klar miteinander.
Aber reden wir noch Mal über das neue Album. Es ist definitiv sehr vielseitiger und abwechslungsreicher geworden als Euer älteres Material. Ich glaube ich hab sogar kleinere Ausflüge in Black Metal Gefilde herausgehört. Was habt ihr alles "ausprobiert" und was sind die signifikantesten Neuerungen?
Wir haben uns keine musikalischen Grenzen gesetzt und alles mit einfließen lassen, worauf wir Bock hatten und was sich in unseren Ohren gut angehört hat. Man hört den Songs definitiv den neuen Drummer an, wir haben uns aber auch in den technischen Aspekten und beim Songwriting weiterentwickelt. Wir wollten ein Album machen, das in sich stimmig und trotzdem abwechslungsreich ist. Ich denke, man hört nach wie vor stark heraus, dass es Callejon-Songs sind. Die auffälligsten Neuerungen sind wahrscheinlich die beiden ruhigen Nummern "Phantomschmerz" und "Fremdkörper". Bei letzterem handelt es sich um einen reinen Akustik-Song, der erst während der Studiophase entstanden ist. "Phantomschmerz" haben wir zusammen im Proberaum geschrieben, weil wir auch mal eine andere Seite der Band zeigen wollten, weil wir selber Bock hatten, einen ruhigeren, balladesken Song auf der Platte zu haben. Und genauso sind auch Blackmetal-Elemente auf dem Album. Wir hatten definitiv keine Lust, den kompletten Longplayer einfach nur eine Schiene zu fahren.
Basti hat ja auch ziemlich an seiner Stimme gearbeitet. Teilweise wurden die eher "emolastigen" Passagen durch ganz anderen Gesang substituiert. Wollt Ihr Euch von dem "Emo"-Label entfernen?
Nicht unbedingt. Wir haben im Studio gemerkt, dass Bastis natürliche Gesangsstimme eigentlich tiefer liegt als die Sachen, die er in der Vergangenheit eingesungen hat. Das lag daran, dass wir früher oft unter Zeitdruck im Studio arbeiten mussten, und uns nicht damit "aufhalten" konnten, mal verschiedene Gesangsstile auszuprobieren. Das war diesmal zum Glück anders, und meiner Meinung hat der Gesang und die ganze Platte dadurch sehr viel gewonnen.
Kommen wir zu "Porn From Spain" und dem K.I.Z. Feature. Wogegen richtet sich der Track genau? Und wird mit dem BORN FROM PAIN Wortspiel eine Disswelle im Hardcore losgetreten?
Auf keinen Fall. Wir haben kein Problem mit Born From Pain und wollen den Jungs auch definitiv nicht an den Karren pissen. In dem Song geht es eher um festgefahrene Konventionen innerhalb einer Szene und ist eine Ansage für die Leute, die meinen bestimmen zu können, was Hardcore oder Metal ist und was nicht, was okay ist und was peinlich, was eine Band darf und was sie zu lassen hat. Viele scheinen vergessen zu haben, dass das Wichtigste gerade im HC-Bereich Toleranz und gegenseitiger Respekt ist. Wir haben kein Problem mit Leuten, die uns kacke finden, aber hinzugehen und anonym zu sagen: "Die sind ne beschissene, trendgeile Tuckenband" ist einfach, und zeugt weder von Courage noch von Intellekt. Startet selber ne Band und macht es besser, dann können wir uns auf Augenhöhe unterhalten, Mädels - Der Titel "Porn from Spain" ist einfach ein Wortspiel und bot sich an, weil Born From Pain eine klassische und bekannte Hardcore-Band sind. Eigentlich war das auch nur ein Arbeitstitel, aber als uns nichts Besseres eingefallen ist, haben wir es einfach dabei belassen.
Gab es irgendeine Reaktion von BORN FROM PAIN?
Bisher noch nicht, aber ich weiß auch nicht, inwiefern die sich dafür interessieren, was wir so machen. Die Platte ist ja auch noch nicht draußen. Falls unsere Leichen also demnächst mit zertrümmerten Schädeln auf einer Müllkippe gefunden werden, wisst Ihr bescheid.
Wie lief die Kollabo mit Nico genau ab?
Das war auf jeden Fall eines der Highlights während der Aufnahmezeit. Wir haben Nico im Vorfeld eine Demoversion von dem Song zugeschickt, er kam dann mit dem Zug aus Berlin nach Hamburg, rief morgens um 11 aus dem ICE an und meinte, dass er wegen irgendwelchen Gleisarbeiten später kommt, dass das aber auch egal ist, weil er eh noch an seinem Text arbeiten muss. Wir haben ihn dann am Bahnhof abgeholt und zum Studio gefahren, ein bisschen gequatscht, und als wir dann da waren, hat er seinen Text fertig geschrieben und eingerappt. An dem Abend sind wir dann noch in Hamburg losgezogen, waren zuerst in einem Metalschuppen, bis Nico uns bei einer R’n’B Party eingeschleust hat, bei der wir uns aufgrund eines amtlichen Alkoholpegels ziemlich daneben benommen haben. Samy Deluxe hatte an dem Abend dort aufgelegt und als ich irgendwann sturzbetrunken an der Theke hing, stand Samy Deluxe neben mir und hat mir nen Jägermeister ausgegeben und musste sich mein Besoffenengelaber anhören. Es war jedenfalls sehr beeindruckend, Nico im Studio zu beobachten und wir hatten auch ansonsten ne Menge Spaß zusammen.