Das Interview wurde mit Deb Demure (Alex Clinco) und Mona D (Alex Nicolaou) geführt. Aus Gründen der Lesbarkeit wurden die Antworten der beiden Musiker mit Ausnahme einer Frage zusammengefasst.
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Ich bin vor ca. anderthalb Jahren auf eure Band aufmerksam geworden und habe mir „The Demonstration“ angehört. Beim neuen Album kommt es mir so vor, als ob ihr nicht nur ins Songwriting und die Produktion mehr Arbeit gesteckt habt. Es gibt vier Vorabsingles. Die Promo scheint also auch anders auszufallen. Gab es da Unterschiede?
Durch die erhöhte Popularität der Band kann das Label mehr Geld für Promo ausgeben, denke ich. Auch die Erfahrung, die Dais (Label) in der Zwischenzeit gesammelt hat, hilft da natürlich. Für uns fühlt sich das einfach wie eine normale Entwicklung an. Man wird besser darin, sein Projekt zu züchten und mehr Leute zu erreichen.
Von eurem Label habe ich vorher noch nichts gehört. Das könnte aber daran liegen, dass es nicht viele Bands wie DRAB MAJESTY gibt, die ich höre. Hat Dais Records noch mehr Bands in dieser Richtung?
Ich denke, dass es immer noch ziemlich boutique-artig ist. Vielleicht hast du von PSYCHIC TV gehört. Es sind nach wie vor Bands, die eher aus dem Underground kommen und Indie-Bands sind. Größere Bands im traditionellen Sinne gibt es auf dem Label eher nicht. Aber es gibt darauf Bands, die für bestimmte Szenen sehr wichtig sind.
Was würdet ihr zum Vergleich von „The Demonstration“ und „Modern Mirror“ sagen? Ich finde, dass der Sound schon ähnlich ist, das neue Album aber besser ausgearbeitet. Für mich fühlt sich „The Demonstration“ eher nach einem Konzept an und „Modern Mirror“ eher nach einer Sammlung von Singles, die in sich aber schon kohärent ist.
Der Produktions- und der Schreibezyklus waren viel länger. Wir haben viel mehr über alles nachgedacht. Es war außerdem der Wunsch größer, die Texturen des Albums reichhaltiger und einzigartiger zu machen. Wir haben aus den Fehlern von „The Demonstration“ gelernt, die wir auf diesem Album definitiv gemacht haben. Was das Songwriting angeht, ging in jeden neuen Song etwa so viel Anstrengung wie in jeden Song von „The Demonstration“. Ich versuche dabei immer mein Bestes. Persönlich mag ich es, Songs als Singles zu sehen und dementsprechend zu schreiben. Das trifft dann nicht immer den Geschmack der Leute. Ich denke, dass es Songs gibt, die eine Single des Albums hätten werden sollen und anders herum. Bei manchen wollte ich das eigentlich nicht. Natürlich gibt es offensichtliche Hooks und catchy Passagen, aber wenn wir uns beispielsweise den Kanon der 80er-Jahre-Hits anschauen, stimme ich da vielleicht mit der Hälfte überein. Es gibt da auch eine Menge fragwürdiger Lieder.
Da kenne ich eigentlich nur TEARS FOR FEARS und DEPECHE MODE, die in eure Richtung gehen. Aber wenn man beispielsweise „Oxytocin“ anmacht, fühlt man meiner Meinung nach direkt, dass das eine Single ist.
Der Song ist relativ anders als die anderen Songs auf dem Album, denn er besteht aus nur zwei Akkorden. Der Song wird dadurch interessant, wie die Gesangsmelodie diese Akkorde interpretiert. Er ist recht simpel. Singles sind das aber nicht immer. Geschmack spielt da eine große Rolle. Ich habe eine recht hohe Erwartung an unser Publikum. Ich glaube, dass unsere Fans durch verschiedene Parts gefordert werden können und nicht die typischen Songstrukturen brauchen. Bridges, Chorusse, zweite Chorusse, verkürzte Chorusse, B-Sektionen und so weiter. Klassischerweise wiesen beliebte Lieder diese Formate auf. Heutzutage ist das weniger so. Mir kommt es vor, als ob wir momentan eher in einer „erste Strophe, erster Chorus“-Zeit leben.
Ich denke, dass euer Auftritt auf dem Roadburn-Festival meine Aufmerksamkeit auf euch gezogen hat. Alleine schon, dass ihr mit auf dem Lineup gestanden habt. Wie kommt die Nähe zu diesen Metal- und Alternative-Bands zustande? Man merkt eurer Musik schon einen düsteren Touch an, ich frage mich das aber trotzdem.
Metal ist ein sehr musikalisch ein sehr theaterartiges Genre, in dem Performance sehr wichtig ist. In diesem Sinne hat DRAB MAJESTY damit Überschneidungen. Metal-Fans können den Wert von Komplexität in der Musik sehen und mögen das. Wir haben uns das aber auch schon öfter gefragt, da wir uns mit vielen Leuten aus dieser Szene angefreundet haben. Für viele von ihnen fühlt sich DRAB MAJESTY auch wie ein Tor in eine neue musikalische Welt an, was sehr interessant ist. Auch beim Metal geht es oft darum, einen Gegensatz zum aktuellen Moment herzustellen mit all der Pompösität. Beispielsweise haben viele Bands eine bestimmte Ästhetik, zum Beispiel durch ihre Kleidung und ihr Bühnendesign. Das kann man natürlich auch auf DRAB MAJESTY anwenden.
Gibt es denn auch durch eure früheren Bands Verbindungen in dieses Genre? Du (Andre) hast ja auch Schlagzeug in MARRIAGES gespielt.
Doom Metal und Shoegaze sowie Postrock waren große Einflüsse für diese Band. Vielleicht ist das ein Faden, der zur Metal-Szene führt. Jedenfalls hat die Szene schon seit einigen Jahren einen speziellen Platz für uns.
Wie würdet ihr denn eigentlich euer eigenes Publikum beschreiben? Den typischen DRAB MAJESTY-Fan, sozusagen.
Eklektisch. Es sind Leute dabei, die die Glanzzeiten des 80ies Pop und des Post Punk miterlebt haben und jetzt jüngere Bands auschecken. Es gibt aber auch Achtzehnjährige, die das ganze Internet nach Underground-Musik durchsuchen und auf uns stoßen. Weirdos, Goths.. teilweise Hardcore-Goths. Manchmal auch die ganz durchschnittliche Alltagsperson. Leute, die total auf Produktion und Musikalität stehen, Gear-Nerds.. eigentlich von allem ein bisschen.
Sind Shows in Europa für euch anders als in Amerika?
Erfahrungsgemäß hat das europäische Publikum eine längere Ausdauer. Die Aufmerksamkeitsspanne der Amerikaner scheint nicht so lang zu sein. Wenn du headlinest, erwarten die Leute in Europa eher ein langes Set von dir. Ich denke auch, dass die Toleranz für kleinere Bands im weiteren Umfeld des Rock in Amerika größer ist. In Europa kommt mir das weniger so vor. Vielleicht spielen da Lautstärkebeschränkungen eine Rolle. Und der immer weiter steigende Erfolg der Electronic Dance Music, von der wir allerdings auch Fans sind. Es gibt Bands mittlerer Größe, zu denen wir bestimmt gehören, die hier nicht wirklich große Venues spielen können. Räumlichkeiten, wie wir sie in Amerika spielen, sind hier nicht so verbreitet. Hier sind es meist eher wenige Leute, die dem Ganzen dann sehr gewidmet sind.
Ich finde auch, dass es nicht viele starke Acts vom europäischen Festland gibt. Die Infrastruktur ist nicht so gegeben wie in den Staaten oder in England.
Das hat sich verändert. Die Aufmerksamkeit scheint nun mehr auf den Dancefloor gerichtet zu sein. Es gibt aber großartige Sachen aus Europa. Gibt es denn in Köln eine gute Szene für lokale Bands? Labels, Auftrittsmöglichkeiten, und so weiter?
Das kann ich dir tatsächlich nicht so gut sagen, weil es mir so vorkommt, als wären die Szenen nicht besonders integriert. Ich kann mir eigentlich nur ein Urteil über die Punk-Szene in Köln erlauben. Da kommen mir die Verbindungen und die Infrastruktur gut vor, aber das reicht nicht wirklich über die eigene Szene hinaus. Ich stelle mir ein bisschen mehr Eklektizismus da sehr spannend vor, könnte dir aber beispielsweise nichts über die Folk- oder die Electro-Szene in Köln sagen.
Ich denke, dass die Punk-Szene in Amerika sich gerade sehr öffnet. Leute, die Live-Musik generell mögen, beginnen damit, ihren sinnlosen Szene-Loyalismus zu vergessen und öffnen sich auch anderen Kategorien. Wir waren in den Staaten beispielsweise mit DEAFHAVEN und UNIFORM unterwegs. Also einer Metal-Band, die neben Ambient und Rock’n’Roll auch alle möglichen anderen Einflüsse hat und ein eher Industrial-beeinflusster Act. Mir kommt es so vor, als ob die Unterschiedlichkeit inzwischen wirklich wertgeschätzt wird.
Das hat für mich auch mit Reife zu tun. Als ich 16 Jahre alt war, hätte ich das glaube ich nicht wirklich hingekriegt.
Ja, aber die Leute müssen heutzutage auch offener sein, da die Musik so in den Underground gedrückt wird. Wertvorstellungen, die vorher vor allem zu Punk-Bands gehörten, sind nun von allen möglichen Musikrichtungen gelebt. Jeder arbeitet DIY. Niemand macht viel Geld. Der Vertrieb, Design und so weiter sind nun Probleme von fast allen Genres. Deshalb ist vielleicht auch der Bedarf an Support über Genregrenzen hinaus höher. Und wir finden das wirklich gut, denn wir arbeiten ja auch sehr eklektisch. Nur weil wir in einem bestimmten Genre positioniert sind, definiert uns das nicht. Wir ziehen Einflüsse aus den verschiedensten Richtungen.
Ich bin großer Fan von gemischten Line-Ups, aber wie können lokale Promoter denn eine solche Integration anstoßen?
Man muss an die Sache glauben und den Mut aufbringen, das Risiko einzugehen. Es zahlt sicher aber mehr und mehr aus. Die Leute werden wirklich aufgeschlossener, was Musik angeht. Und auch die Musiker selbst sind meistens offener und freundlicher zueinander. Das liegt wohl daran, dass sie trotz aller momentanen Widerstände das tun können, was sie lieben. Ich wüsste nicht wirklich, welche Strategie man da angehen sollte, aber das passiert meiner Meinung nach momentan auch ganz natürlich.
Ja, vielleicht auch aufgrund von diesen genre-übergreifenden Bands wie DEAFHAVEN.
Auch Festivals haben da einen großen Anteil daran. Dort siehst du häufig mehr als 100 Bands auf den Line-Ups, natürlich wird es da Vielfalt geben. Selbst der engstirnigste Metal-Band will wahrscheinlich nicht ein ganzes Wochenende den exakt selben Sound haben. Es gibt sehr viele Festivals, und jedes will ja irgendwie herausstechen. Deshalb hat sich da häufig ein ausgewählter Mix von bestimmten Genres bewährt in den letzten Jahren.
Lasst uns ein wenig über eure Einflüsse reden. Was würdet ihr jemandem, der von Synthpop keine Ahnung hat, denn als Empfehlungen geben? Was sollte man kennen?
Hast du mal was von TALK TALK gehört? Die sind ein hervorragender Ausgangspunkt, um für den Mix von Synthies, Gitarren, Texturreichhaltigkeit und gutem Songwriting ein Gefühl zu bekommen. Wenn du TEARS FOR FEARS magst, sind TALK TALK etwas anspruchsvoller, aber dennoch zugänglich. THE CHAMELEONS sind auch eine großartige Band, die sehr melodisch ist und gute Gesangsmelodien hast. Die nutzen eine ähnliche Soundpalette wie wir das tun. FELT sind auch eine klassische Band, die momentan einen großen Einfluss auf aktuelle Acts hat. In den frühen 2000ern war die Rockmusik sehr durch Gitarrenarbeit charakterisiert, die absichtlich primitiv gehalten wurde. Da wurde versucht, möglichst viel Sound aus einem Anschlag an der Gitarre zu bekommen. Mittlerweile gibt es viele Bands, die dazu wieder Gegenentwürfe entwickeln und mehr mit Arpeggios und pointierterem Spiel arbeiten. Ich denke, das vieles davon in den 80ern entstanden ist, vor allem durch Underground-Bands, die damals nicht sehr beachtet waren. Durch das Internet wird da vieles wieder ausgegraben, auch Dinge, die damals nicht auf CD veröffentlicht oder mal remastert wurden.
Mir kommt es manchmal so vor, als ob ein bestimmter Sound manchmal nur 15 oder 20 Jahre ruhen muss, bis er zurückkommt oder wiederentdeckt wird. Oft kennen die aktuellen Bands die damals einflussreichen Bands nicht einmal, was nichts Schlechtes sein muss.
Ich habe noch nie diesen kollektiven Gedanken verstanden, dass man Musik in Dekaden zusammenfasst und dann danach so tut, als ob in diesen Richtungen nichts mehr passiert wäre. Und man dann etwas Neues, Bahnbrechendes bräuchte. Viele tun so, als wäre das notwendig. Das sehe ich nicht so. Musik muss mich nicht total aus den Socken hauen. Es kann auch kaum noch etwas richtig neu sein. Nicht mal so etwas Unzugängliches wie Noise-Musik. Die wurde im Prinzip in den 40er und 50er-Jahren begründet. Es gab deutsche Opern, die sehr noisy waren und nach Industrial klangen. Dann gab es in den 70ern und 80ern viele Bands, die ihre Instrumente und Produktionstechniken wirklich bis ans Äußerste gepusht haben, um Noise-Musik zu erzeugen. So etwas hat immer eine in der Vergangenheit verhaftete Vorlage. Wo soll es auch sonst herkommen?
Die drei Bands, die ihr eben genannt habt, sind alles 80s-Bands?
Ja. FELT, THE CHAMELEONS und TALK TALK. RED LORRY YELLOW LORRY sind auch eine interessante Band. Punk-Ästhetik und -Performance, aber sie gehen auch in den Post Punk und New Wave über. Viele Gitarren-Arpeggios, eher auf der aggressiven Seite des New Wave.
Was sind eure Einflüsse abgesehen von musikalischen Einflüssen? Ihr habt ja auch eine gewisse cineastische Bühnen-Ästhetik, die vielleicht auch woanders herkommt.
Ich glaube nicht, dass etwas vom Image oder dem Aussehen der Band beeinflusst wurde von Dingen, die uns künstlerisch am besten gefallen. Zumindest nicht bewusst. Es ist wohl einer eine unbewusste Ansammlung von Dingen über die Jahre.
Aber du sagtest doch, dass alles in der Kunst aus etwas Vergangenem kommt?
Alex: Als ich Andrew zum ersten Mal gesehen habe und noch nicht in der Band war, war die Ästhetik noch femininer und menschenähnlicher. Mehr okkulte Symbolik, es war noch schrulliger. Seit ich dabei bin, wurden die Details eher rausgenommen. Es ist nun etwas sehr Verfeinertes und Schickes dabei herausgekommen, aber gleichzeitig ist es auch eigenschaftslos. Es gibt Konturen von Dingen, die man vielleicht kennen könnte und es ist schön anzusehen, aber es gibt sehr wenige Details. Die Anzüge, die wir gerade verwenden, haben zwar ein Muster, aber das lässt sich kaum bemerken.
Andrew: Vielleicht kennst du die Living Sculpture. Pantomimen verwenden diese Art der Performance, manchmal auch Street Performer wie die Silver Men. Es ist interessant, sich auf diese Weise zu einem Objekt zu machen und die menschlichen Aspekte zu beseitigen. Im Prinzip sind wir wie Roboter, die nur ihre Instrumente bedienen. Es ist stoisch und wir zeigen keine Emotionen.
Ich habe mich natürlich auch gefragt, was es mit den Masken auf sich hat. Mich hat das beispielsweise an GHOST erinnert. Die haben natürlich einen riesigen Erfolg momentan. Vielleicht gibt es sowohl aufseiten der Künstler als auch auf der Seite der Zuschauer ein Bedürfnis nach mehr Distanz, weil man in der modernen Zeit alles auf Schritt und Tritt verfolgen und das Gefühl bekommen kann, dass man Bandmitglieder persönlich kennt. Dadurch geht vielleicht ein bestimmter Reiz verloren.
Du hast meiner Meinung nach zwei sehr unterschiedliche Archetypen des Künstlers beschrieben. Ich denke, dass der performative Aspekt dieser Band auch dadurch zustande kommt, dass ich der diese „wear my heart on my sleeve“-Mentalität als Künstler für mich persönlich ablehne. Bei manchen Künstlern kann man alles über deren Leben wissen und ihren Schmerz mit ihnen auf der Bühne erleben. Das ist etwas, an dem ich nicht interessiert bin. Dann gibt es diese GHOST-mäßige Welt, die erschaffen werden kann und von der Mystik um sie herum lebt. Man weiß dabei nichts über die Leute hinter der Band. Und dann gibt es eben auch eine Zwischenkategorie. Bands, die in ihren normalen Klamotten auf die Bühne gehen und eigentlich eine Probe vor Publikum haben. Das möchte ich auch gerne vermeiden. Auch deshalb waren wir an einer gewissen Ästhetik interessiert. Dinge aus meinem persönlichen Leben haben keine wirkliche Relevanz für dieses Musikprojekt.
Wenn jemand sehr offen mit allem umgeht, kann das natürlich auch schnell langweilig werden, da es dann nichts zu entdecken gibt.
Wir wollen, dass die Leute ihre eigenen Emotionen und ihre eigenen Leben in unsere Musik hineinlesen. Wenn man also Aspekte der eigenen Persönlichkeit als eine Art Opfer dafür weglassen kann, dann kann das sehr intim werden. Es geht dann nämlich auf einmal um die Interpretation des Publikums anstatt um eine Fixierung auf deine Persönlichkeit. Wir wollen eine interessantere Dynamik in der heutigen, sich verändernden Welt des Musikkonsums erschaffen. Die großen Shows, das große Geld wird von DJs gemacht, die Songs von anderen Leuten spielen. Und zwar für Leute, die eigentlich die Hauptattraktion an der Show sind: Der Dancefloor. Momentan erscheint es also sehr reizvoll, die emotionale Reaktion des Publikums in den eigenen Auftritt zu implementieren. Das kann man unter anderem auch dadurch erreichen, dass man die Gewichtung von der Band runter nimmt.