Hallo DIORAMIC. Mein Name ist Clement und ich schreibe für www.allschools.de. Mit wem habe ich das Vergnügen?
Jochen Müller, Bassist und zweiter Sänger von Dioramic.
Stellt euch doch kurz den Lesern vor. Was macht ihr neben der Musik?
Wir machen eigentlich nichts als Musik. Ein Leben „neben der Musik“ gibt es also gar nicht. Arkadi und ich geben Gitarrenunterricht, sowohl privat, als auch an Musikschulen. Anton startet gerade als „Zedd“ seine Karriere als Electro-DJ und gemeinsam betreiben wir neben der Band noch unser eigenes Tonstudio, das Mysterium Studio, das wir im August 2009 eröffnet haben.
Was bedeutet eigentlich DIORAMIC?
„Dioramic“ ist das Adjektiv zu dem Wort „Diorama“, das wörtlich übersetzt so viel wie „Ich sehe hindurch“ bedeutet. Als „Dioramen“ werden daher spezielle Schaukästen bezeichnet, in denen Modellfiguren oder -landschaften dargestellt sind. Das Ganze ist sehr vergleichbar mit einer Band auf der Bühne. Während früher also z.B. noch Krippendarstellungen als ziemlich coole Dioramen galten, haben wir den Begriff für das moderne Live-Konzert umgedeutet. Die Konzertbühne ist für uns das neue Diorama und weil wir auf ihr stehen, sind wir „Dioramic“.
Warum hat es bis 2009 gedauert, mit LifeForce Records ein für euch repräsentatives Label gefunden zu haben?
Da musst Du mal die anderen Labels fragen! Nein, im Ernst: Ich weiß es nicht genau. Ich vermute, dass wir einige Sachen einfach falsch angegangen sind. Zudem hatten Anton und ich bis 2009, bzw. 2008, noch die Schule zu besuchen. Dann folgten Zivildienst, etc. Es kam uns eben auch viel dazwischen. Wir kamen oft an Leute, die uns nicht wirklich weiterhalfen, denen wir aber vertrauten. Ich denke, wir konnten einfach nicht das Gefühl vermitteln, die Sache wirklich professionell angehen zu können. Das soll sich jetzt aber endlich ändern, denn wir haben aus unseren Fehlern gelernt. Mit LifeForce hat es dann ja auch glücklicherweise geklappt, das war der erste richtige Schritt nach vorne und aus dem Schatten der letzten Jahre heraus.
Ihr bezeichnet euren musikalischen Erguss als Art-Core. Was steckt hinter diesem Begriff?
Das ist ein Kunstbegriff, den wir einst erfanden, um Eingeweihten einen etwaigen Eindruck von unserer Musik zu verschaffen. Das „Art“ ist entlehnt aus dem „Art-Rock“ der 70er Jahre. Wir mögen Genesis, King Crimson und Yes sehr, Arkadi und Anton sind damit aufgewachsen. Wir glauben, dass diese Bands uns schon sehr beeinflusst haben, auch wenn man das heute nicht mehr so ganz heraushört. Dafür steht dann das „Core“, das sich mittlerweile leider hinter jedem Wort beliebt gemacht hat. Es verweist auf Einflüsse aus dem (Post)-Hardcore Bereich. Zudem bedeutet das Wort „Art-Core“ für uns der Übersetzung nach, dass die Kunst der Kern unseres Schaffens ist.
Als ich mir euer zweites Album "Technicolor" angehört habe, wäre ich nie auf das Herkunftsland Deutschland gekommen. Ihr klingt nicht wirklich typisch deutsch. Woran liegt das?
Könnte das daran liegen, dass wir nicht Klaus Meine als Sänger haben? Hey, nur ein Scherz- Ich liebe die Scorpions natürlich über alles. Doch zurück zum Thema: Kaum einer unserer Einflüsse kommt aus Deutschland, wir waren mit Deutschen Bands musikalisch nie richtig vertraut (außer mit den Scorpions). Wir haben uns viel mit amerikanischen oder britischen Bands auseinandergesetzt. Ich habe das Gefühl, die Deutschen kupfern oftmals einfach ab, was woanders vorgemacht wurde. Ich kenne viele Bands, die „klingen wollen wie...“. Wir haben vergleiche schon immer gescheut und sie selten als Komplimente aufgefasst. Wir sehen uns eben auch nicht als typisch deutsche Band, weil wir schon oft das Gefühl hatten, von unseren Landsmännern nicht richtig verstanden zu werden. Aber es wird zunehmend besser, ich glaube, wir stoßen zwar zögerlich, aber dennoch kontinuierlich auf mehr Akzeptanz und Aufmerksamkeit und darum sind wir sehr froh.
Auch hätte ich nicht wegen der musikalischen Dichte auf ein Trio gesetzt. Ist es bei drei Bandmitgliedern nicht oft so, dass zwei gegen einen Fronten beziehen?
Da wir bandintern ziemlich demokratisch agieren, kommt es natürlich dazu. Aber das ist OK, damit kommen wir alle am besten zurecht. Meistens wird einfach so lange argumentiert, bis jedem letztendlich alles egal ist. Dann kann man auch damit leben, seine Idee nicht durchsetzen zu können. Was die musikalische Dichte anbelangt: Wir spielen mit massig Effekten und ich habe als Bassist die Aufgabe, die Lücke des fehlenden 2. Gitarristen zu füllen, ohne aber eine Lücke in die Rhythmusgruppe zu reißen. Gelingt diese Aufgabe, so lassen sich relativ dichte Kompositionen erzielen.
Euer Album besticht einerseits durch eine Artenvielfalt, auf der anderen Seite seid ihr homogen und schreibt "Songs". Wie bekommt ihr eure Kreativität in den Griff, so dass Kompaktheit entsteht?
Wir achten darauf, dass immer ein roter Faden vorhanden ist. Den hört man zwar oft erst nach einige Durchgängen, aber die meisten Parts sind tatsächlich motivisch miteinander verknüpft. Wir arbeiten oft mit Variationen. Wenn ein Part kommt, muss er in der Gesamtkomposition Sinn ergeben. Und unnötiges „Gefrickel“ liegt uns deshalb fern. Wir betrachten immer das Ganze, freuen uns zwar auch, Parts zu spielen, die uns fordern, wollen es aber nicht übertreiben, d.h nur der Herausforderung wegen Musik machen. Es geht uns darum, kleine, zwar komplexe, aber dennoch als Ganzes funktionierende Welten zu erschaffen.
Seid ihr auf der Bühne auch zu dritt oder hilft euch noch jemand aus?
Nein, wir sind seit etwa einem Jahr nicht mehr nur zu dritt auf der Bühne. Unser Mediendesigner und langjähriger Freund Max Nicklas, der auch im Mysterium Studio involviert ist, spielt live Keyboards und Samples für uns.
Auf der DIORAMIC Myspace Präsenz betont ihr, dass erst Produzent Kurt Ebelhäuser das Potenzial der Songs „soundtechnisch auszuschöpfen wusste“. Meiner Meinung nach ist der Produktion das Kunststück gelungen, euer spielerisches Können in ein druckvolles Gerüst zu pressen, ohne zu klinisch zu wirken. Wie lange habt ihr im Studio an den Arrangements gefeilt?
Im Studio haben wir kaum an den Arrangements gearbeitet. Die Songs kamen komplett fertig ins Studio, sie mussten nur aufgenommen werden. Wir haben das Album dann in ca. 15 Tagen eingespielt. Wir wollten gerne mit Kurt zusammenarbeiten, weil wir das Gefühl hatten, dass er weiß, was für einen Sound wir uns vorstellen. Zudem verstanden wir uns hervorragend mit ihm von der ersten Stunde an. Er wollte wie wir, dass die Produktion fett wird, ohne nach Metal zu klingen. Es sollte ein angenehm roher, natürlicher und druckvoller Sound werden. Und das ist uns, wie ich finde und wie mir Deine oben beschriebene Meinung zu dem Sound der Platte zeigt, auch gut gelungen.
Technisch zockt ihr ungemein anspruchsvoll. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass ihr euch bremsen musstet, um nicht zu sehr vom Thema abzuschweifen. Hättet ihr Lust, auch mal eine PSYOPUS Orgie zu veranstalten?
Ich kenne diese Band leider nur vom Namen her. Aber wie gesagt, wollen wir Songs schreiben und die Virtuosität ist dabei immer nur Mittel zum Zweck. Wenn, dann mag ich Parts, die zu denken schwierig sind und nicht nur zu spielen. Parts, die einem technisch nicht das Höchste abverlangen, die einem aber einen Knoten ins Gehirn machen. Bis zu einem gewissen Grad geht das Hand in Hand, aber irgendwann geht es nur noch um Technik und da fehlt mir der Sinn dahinter.
Was habt ihr in den Texten versteckt. Gibt es eine Hauptaussage, einen lyrischen roten Faden?
Eigentlich gibt es keine Hauptaussage. Die meisten Texte sind von Filmen inspiriert, werden mit einer persönlichen Note versehen und so weit abstrahiert, dass am Ende doch jeder darin sehen kann, was er will. Vielleicht ist das also unsere Hauptaussage: Macht euch eure eigenen Gedanken!
Seid ihr mehr Hardcore, mehr Metal oder interessieren euch diese Begriffe bezüglich eurer (musikalischen) Einstellung nicht?
Diese Begriffe interessieren uns weder musikalisch noch persönlich. Wir machen Musik, die uns gefällt, die uns Spaß macht und die hoffentlich auch viele andere Menschen erfreut; ihr könnt sie dann nennen, wie ihr wollt. Wir vertreten auch keine „Styles“. Ich ziehe an, was ich geschenkt bekomme, lasse mir einen Bart wachsen, wenn's kalt wird und gehe zum Friseur, wenn meine Haare mich nerven. So oder so ähnlich denken wir alle über unseren „Style“. Jeder hat so viel Eigenes an sich, ich finde es schade, wenn Menschen große Teile ihres „Ich“ an Kategorien verkaufen. Wie ich diese Kategorien nämlich kenne, wird man von ihnen schlecht entlohnt.
Wenn die Foren in Bezug auf DIORAMIC bemüht werden, taucht immer wieder "sympathische Band" auf. Wie habt ihr das gemacht?
Echt? Das freut mich aber sehr, zu hören. Das kann daher kommen, dass wir uns nicht allzu ernst nehmen. Wir machen Musik, von der wir absolut überzeugt sind, das ist klar. Dass man aber deshalb auch keinen Humor haben darf, finde ich, sanft gesagt, nicht zwingend logisch. Wer sich zu ernst nimmt, vergisst, worum es geht: Darum, Freude zu haben, als Zuschauer oder Musiker. Ich stelle mich nicht gerne in ein Konzert und bin den ganzen Abend lang böse, denn das ist nicht weise. Wir haben genug Ernst in unserem Leben zu ertragen, da braucht man keinen, der einem erzählt, alles sei sogar schlimmer als man gedacht habe. Ich bewundere Personen, die ein konkretes Ziel verfolgen, ohne dabei krampfhaft verbissen zu sein. Wer schlau ist, bildet sich auf sich selbst nicht zu viel ein. Ich glaube, viele Menschen sind mittlerweile zu einem gleichen Schluss gekommen und die schreiben dann in Foren wohl nette Sachen über uns.
In "Technicolor" steckt Stilvielfalt. Welche Bands/Alben sind eurer Meinung nach 2009 ganz oben?
Ich denke eine Band muss hier genannt werden: Muse. Was die im letzten Jahr erreicht haben, hätte ich ihnen nicht zugetraut. Ich mag zwar die neuen Alben nicht, aber ich bewundere den Werdegang dieser Band sehr. Mastodon sind natürlich mit „Crack the Skye“ auch ganz gut im Rennen gewesen, ebenso Placebo mit „Battle for the Sun“. Zuletzt kann man noch „The Tropic Rot“ von Poison The Well und „Axe To Fall“ von Converge empfehlen.
Habt ihr noch Buch/Film Empfehlungen parat?
Ich muss an dieser Stelle „Also sprach Zarathustra“ von Friedrich Nietzsche empfehlen, mein absolutes Lieblingsbuch. Oder „Das Glasperlenspiel“ von Hermann Hesse. Zum Thema Filme: „Frühling, Sommer, Herbst, Winter...und Frühling“ und ich denke, ich spreche für die ganze Band, wenn ich sage: „The Fountain“. Anton legt jedem „Antichrist“ ans Herz. Ein sehr eindrucksvoller Film. „Adams Äpfel“ und „Memento“ wären weitere Empfehlungen. Arkadi's Buchempfehlungen sind Woody Allen's „Nebenwirkungen“ und Andreas Wehrmeyer's „Sergej Rachmaninow“ (Monographie). Zum Thema Film rät Arkadi „Apocalypto“, „Stay“ und „Babel“ anzuschauen.
Ich danke euch und wünsche DIORAMIC alles Gute!
Danke, wir euch auch!