Interview mit Empty Vision

09.12.2008
 

 

Hey Micha, nachdem ihr im Sommer erst noch ein Bulletin gepostet habt, in dem es hieß, dass ihr euch gerade eine Auszeit nehmt und sich seitdem (und auch schon davor) nicht mehr viel auf eurer Seite getan hat, kam jetzt im Oktober die Nachricht vom Break-up. Was hat letztendlich zu dieser Entscheidung geführt?

Hi Jan! Das hat sich bei uns mit der Zeit alles so angebahnt. Im Nachhinein ist das immer schwierig zu sagen, aber wie du schon selbst beschrieben hast, tat sich nach unserer
UK-Tour nicht mehr wirklich viel bei uns und irgendwie wurden wir dann immer träger, bis der Elan dann irgendwann ganz fehlte.

War vielleicht auch die räumliche Distanz zwischen den einzelnen Bandmitgliedern und die somit wegfallenden Proben, die ja meistens das Bandgefüge noch fester zusammen schweißen, ein Grund, der zur Auflösung führte?

Ich denke, das kann man wirklich als Hauptgrund ansehen. Die jetzige Besetzung existiert seit März 2006 und wir haben in der gesamten Zeit maximal fünfmal als Band geprobt. Wir haben uns die Songs per Internet zugemailt und jeder hat dann quasi für sich zuhause geübt. So lief das auch, wenn wir neue Songs geschrieben haben. Wie sich das Gesamtwerk dann anhört, haben wir bisher immer erst im Studio gemerkt.
Wenn wir dann am Wochenende Shows gespielt haben, waren die Freitagsshows meistens öffentliche Proben und samstags waren wir dann einigermaßen tight… In den Momenten, die man dann auf den Shows und auf dem Weg dorthin hatte, haben wir es leider versäumt uns mal wirklich auszusprechen, wenn uns was angekotzt hat und so entstand nach und nach Frust bei jedem einzelnen von uns. Die Kommunikation via Internet konnte die persönlichen Gespräche leider nicht ersetzen und das hat die Band wohl nach und nach zermürbt.

Hat die Beendigung eines oder mehrerer Lebensabschnitte, so wie Torben das im letzten Interview angedeutet hat, dazu geführt, dass jemand aussteigen wollte und man sich dann entschloss die Band gleich aufzulösen?


Nun, einige von uns befinden sich grad mitten im Studium, bzw. haben grad neue Studiengänge begonnen. Ich habe seit Mai dieses Jahres einen neuen Job. Es kamen also zusätzlich zur Band bei einigen von uns viele neue Pflichten dazu. Wenn dann noch die Stimmung mies ist, überlegt man sich natürlich zweimal, ob es einem wirklich wert ist, so viel Energie in die Band zu stecken. So kam es dann auch, dass sich einer von uns entschieden hatte, nicht mehr mitmachen zu wollen. Wir überlegten dann kurz, ob wir uns jemanden Neuen in die Band holen sollten oder gleich aufhören. Schweren Herzens haben wir uns dann entschieden, dass wir uns dann lieber auflösen wollen, weil wir zum einen kein besseres Mitglied hätten finden können und zum anderen auch nicht halbherzig weiter machen wollten.

Ich gehe mal davon aus, dass ihr, als ihr die Band ins Leben gerufen habt, nie damit gerechnet hättet, dass die Sache so groß wird. Waren euch die Verantwortlichkeiten die ihr gegenüber anderen (Fans, Label…) hattet zu groß und der ganze Bandprozess einfach zu zeitintensiv?

Da hast du Recht. Was sich seit dem Album-Release bei uns getan hatte, war einfach unglaublich. Keiner von uns hätte mit solch einem Erfolg gerechnet. Klar gibt es da draußen dutzende anderer Bands, die mit Sicherheit mehr Platten verkauft haben als wir, aber was unsere Erwartungen anging, so wurden sie locker übertroffen. Sicherlich stieg damit auch unsere Verantwortlichkeit gegenüber anderen. Alles wird auf eine gewisse Art und Weise „professioneller“. Der ganze Aufwand ist es aber definitiv Wert, wenn man weiß, dass das, was man anpackt, auch honoriert wird. Als dann irgendwann die Luft bei uns raus war, blieb dann auch die Motivation auf der Strecke und wir zogen uns nach und nach zurück.

Hat euch die Engstirnigkeit in der Szene, wo man sich oftmals über das seltenste Shirt und die dickste Plattensammlung definiert, angekotzt? Was sagst du zu der These, dass das immer wieder beschworene Unity-Gefühl nicht mehr existiert und sich alles in unzählige Subgenres aufgespaltet hat? An dieser Stelle wurde euch z.B. vorgeworfen ihr hättet keinen Background und würdet Abitur-Hardcore ohne Street-Credibility machen. Was mir tierisch auf den Zeiger geht, sind diese ständigen Grabenkämpfe, welche Band denn nun wirklich Hardcore ist und welche nicht.


Natürlich ist das alles lächerlich. Wir sind halt nicht die Cro-Mags oder Biohazard. Wir kommen nun mal aus der Mittelschicht und können nichts dafür, dass wir nicht auf der Straße oder im Kinderheim aufgewachsen sind. Klar hätten wir nach der neunten Klasse eine Maurerlehre anfangen können, um in verschwitzten Agnostic Front T-Shirts Steine übereinander zu stapeln. Haben wir aber nicht. Wir sind halt so wie wir sind und haben uns nie die Mühe gemacht, uns ein anderes oder meinetwegen bestimmtes Image aufzubauen. Warum sollten wir auch? Die Leute, die sich am meisten die Mäuler zerreißen, über das, was HC zu sein hat und was es nicht sein darf, sind doch am Ende eh die ersten, die wieder weg sind. Über die letzten Jahre habe ich genug Leute gesehen, die erst so unglaublich true to the Game waren und jetzt die Street Credibility abgelegt haben, um die Unity in der Disco zu suchen. Jeder soll HC für sich definieren wie er will und wenn jemand meint, dass wir nicht real genug sind, dann ist das absolut in Ordnung.
Punk und HC beginnt immer noch im Herzen und im Kopf und nicht beim Image.

Woher hast du die Inspirationen für deine Texte genommen? Hast du viele persönlichen Gefühle und Situationen in deinen Lyrics verarbeitet? Ich behaupte das Mal, da du stets in der Ich-Perspektive gesungen hast. Hast du dich mit dem Schreiben schwer getan, es also eher als Notwendigkeit angesehen, oder bist du stets motiviert an die Arbeit gegangen? Kannst du dich heute immer noch mit den Inhalten deiner Texte identifizieren?

Nun, da wir ja nicht von der Straße kommen und somit leider nichts von Gangfights und dem harten Leben als Underdog berichten können, mussten halt andere Themen her.
Hmm ich weiß auch nicht, warum ich mich dann irgendwann für diese recht positiven Texte entschieden habe. Irgendwie passte das für mich halt einfach, dass sowohl die Musik wie auch die Texte einen pushen sollten. Jeder kennt das ja, dass man sich irgendwann in Situationen wieder findet, wo es einem ziemlich mies geht und man sich fragt, was der ganze Aufwand, den man betreibt, eigentlich soll. Grad in solchen Situationen ist es doch schön, wenn man etwas hat, was einen motiviert, nicht aufzugeben. Und wenn es nur irgendein Song ist, in dem ein Student darüber singt, dass ihm die Sonne aus dem Arsch scheint, haha… Wenn ich so zurückdenke, kann ich mich auf jeden Fall immer noch mit allen Songs seit dem Album identifizieren. Einige Sachen hätte ich vielleicht ein wenig anders geschrieben. Sachen wo man sich am Ende denkt, da hätte man mehr aus dem Text rausholen können. Aber das sind alles so Kleinigkeiten und irgendwas hat man immer zu meckern. Ich denke, die Texte gehen soweit schon ganz in Ordnung.
Was das Schreiben der Texte angeht, habe ich wirklich irgendwann angefangen, mich schwer zu tun. Spätestens wenn du schon 6 Songs hast, die alle ziemlich positiv sind, wird es schwer, sich bei den anderen Songs nicht zu wiederholen. Irgendwie schafft man es dann aber doch, neue Lyrics zu schreiben und wenn ein Song fertig ist, ist das auch echt ein gutes Gefühl. Wenn ich aber ganz ehrlich sein soll, hat mir das Schreiben nie wirklich viel Spaß gemacht. Aber was willst du machen, Lyrics gehören halt zu einem Song dazu…

Was denkst du über Leute die Shows besuchen und sich Platten besorgen, aber im Gegenzug beispielsweise BWL studieren, eine Banklehre machen oder zur Polizei gehen? Inwieweit sollte die Musik auch einen privaten Einfluss haben auf bestimmte Ideale, Lebenseinstellungen und Verhaltensweisen?

Mir persönlich ist es egal, was andere arbeiten, wobei ich mir nicht vorstellen könnte, meine Brötchen bei der Bundeswehr oder der Polizei zu verdienen.
Wenn man realistisch ist, wird man schnell merken, dass es ohne Arbeit nun mal nicht geht. Irgendwann kommt man an den Punkt, wo man sich die Lebensmittel selbst kaufen muss und die Miete will ja auch irgendwie bezahlen werden.
Für Bandmerch und Vinyl in fünf verschiedenen Farben muss die Kohle dann ja auch noch reichen. Klar wäre es schön, wenn man mit der Musik, die man macht, sein Geld verdienen könnte, aber das klappt nun mal nicht. Meiner Meinung nach ist Arbeit ein notwendiges Übel. Arbeit finanziert mir meine Freizeit, so sehe ich das zumindest. Solange man nicht die Seele für seinen Job verkauft und alle seine Ideale über Bord schmeißt, ist doch alles im Lot. Für mich hat Musik immer noch einen größeren Stellenwert, als Karriere zu machen. Jeder soll selbst entscheiden, wie er es handhabt.

Du selbst hast eine Ausbildung zum Diplom-Verwaltungswirt absolviert. Wie haben deine Kollegen auf deine Band und Einstellungen (z.B. Vegetarismus) reagiert oder wussten sie nichts davon?


Meine Kollegen wissen zum Großteil von meiner Freizeit und spätestens wenn man dann die Poster in meinem Büro sieht, weiß auch der letzte, was ich für Musik höre. Jucken tut das hier keinen, genauso wenig wie es mich juckt, was andere hören oder machen.
Was die Sache mit dem Fleischverzicht angeht, werde ich schon öfter mal gefragt, warum ich mich denn vegetarisch ernähre. Viele wissen überhaupt nicht, dass es so was überhaupt gibt. In den Fällen gibt es einfach eine Standartantwort von mir und das war es dann. Genauso wenig wie ich bekehrt werden will, versuche ich auch nicht, andere zu bekehren.

Was hast du dir eigentlich immer bei deinen bescheuerten Ansagen gedacht oder ist das einfach deine Art von Humor? Waren die alle improvisiert? Mich haben sie immer sehr unterhalten, wobei ich aber auch mitgekriegt habe, dass es einige Leute im Publikum gab, die mit deinem Gerede nichts anfangen konnten und das dann eher Scheiße fanden, was Sprüche zur Folge hatte wie, „Der soll endlich die Fresse halten und spielen!“. Hast du einen Lieblingswitz, den du vielleicht auch on stage öfters gebracht hast?


Haha…also klar, das ist meine Art von Humor und wenn du mich fragst, ist es mir ziemlich egal, ob es den Leuten gefällt oder nicht. Mal ganz im Ernst: Wenn ich auf eine Show gehe, habe ich den Anspruch unterhalten zu werden. Wenn ich nur wegen der Musik auf eine Show gehen würde, dann kann ich mir auch gleich zuhause eine Platte auflegen. Für mich gibt es nichts Langweiligeres als Bands, die ständig wiederholen müssen, dass sie neues Merch dabei haben, dass man den HC supporten sollte und dass man eine große Familie sei… schon alles tausend Mal gehört. Wer auf eine Empty Vision Show geht, soll halt nicht immer dasselbe vorgekaut bekommen…ist ja schon schlimm genug, dass wir immer dieselben Songs spielen. Und nein, ich lerne bestimmt nichts auswendig, nur um die Leute zu unterhalten. Alles was aus meinem Mund kommt ist spontan und ich denke, dass merkt man manchmal schon. Spätestens dann, wenn ich der einzige bin der lacht, haha… Einen Lieblingswitz habe ich nicht. Aber es ist bestimmt schon mal vorgekommen, dass ich zweimal denselben Spruch gebracht habe. Eine Absicht steckte aber nicht dahinter.

Gibt es schon Neuigkeiten wegen eurem letzten Auftritt? Besteht die Option, dass wenn die Show ein Erfolg wird (wo von ich mal ganz stark ausgehe), ihr noch eine kleine Mini-Tour oder ähnliches hinterher schiebt?

Also die letzte Show wird am 17.01.2009 in der Wohnwelt Wunstorf stattfinden. Mit dabei werden unsere Freunde von JUST WENT BLACK, RITUAL und SIRENS sein.
Eine Reunion-Show oder Tour wird es wohl nicht geben. Wobei das ja schon viele Bands behauptet haben, haha…

Willst du weiterhin in irgendeiner Form in der Szene aktiv bleiben? Was haben die anderen Bandmitglieder diesbezüglich geplant?

Klar! Nur weil es Empty Vision nicht mehr gibt, heißt es ja nicht, dass wir mit dem Thema Punk/Hardcore abgeschlossen haben. Ich werde weiterhin auf Shows gehen und mache vielleicht irgendwann mal eine Pop-Punk Band, wenn man denn mal die richtigen Leute findet, die keine Rockstar-Spinner sind…Tilmann und Alan haben schon ein neues Projekt am Start und Chris und Hajo werden wohl auch nicht untätig bleiben.

Was bleibt dir besonders in Erinnerung, wenn du jetzt noch mal die Jahre mit der Band Revue passieren lässt?

Ich –und ich denke schon, dass ich da im Namen der Band sprechen kann- bin sehr dankbar dafür, dass wir in den letzten Jahren überall in Europa viele nette Menschen kennen lernen durften. Wir hatten das Glück, dass wir quasi umsonst verreisen konnten, mit dem positiven Nebeneffekt, dass wir abends auch noch Konzerte spielen durften. Besonders schön war natürlich jede Show, wo die Leute mitgesungen haben. Ich denke, dass ist das, was uns am meisten in Erinnerung bleiben wird und uns bestätigt, dass es den ganzen Aufwand über die Jahre wert war.

Danke für das Interview. Die letzten Worte gehören dir.

Vielen lieben Dank an alle diejenigen, die uns die letzten 5 Jahre supportet haben.
Wir wissen das wirklich sehr zu schätzen!
Ein ganz besonderer Dank geht raus an Volker von Fields Of Hope Rec., Jan von Assault Rec., Daniel von Cobra Rec. und an Niclas von Fields Of Hope Booking. Ohne diese Personen hätten wir es sehr viel schwerer gehabt.
Danke auch an dich für das Interview und an die Leser!