Interview mit Escapado

26.11.2010
 

 

Warum schreit ihr so? Wo tuts euch weh? Was tut euch weh? Wer tut euch weh?
Felix: Die Frage wurde schon ganz oft gestellt. Die wird auch gerne von Eltern gestellt. So nach dem Motto: Ja die Musik finde ich ja ganz okay, aber wieso müsst ihr immer so schreien und so. Für mich ist schreien eine sehr, sehr emotionale Ausdrucksform und manche Dinge sind es einfach wert, dass man sie rausschreit. Natürlich kann man bestimmte Dinge, die man sagen will auch anders verpacken, aber für mich persönlich ist halt Energie in der Musik ziemlich wichtig und deswegen ist für mich der beste Weg, den Leuten etwas entgegen zu schreien.

Seb: Aber auch gerade der Liveaspekt ist uns dabei wichtig. Wenn man ein Konzert einfach nur durchsingt, hat das auch nie den selben Druck, als wenn man auch mal schreit. Vielleicht ist schreien auch das falsche Wort. Es ist ja teilweise auch so ein Rufen. Also irgendwie so etwas zwischen rufen und schreien. Es ist ja dann auch egal, ob man auf ein Hiphop- oder ein Rockkonzert geht. Es ist ja nicht so, dass alle Bands die Stimme so einsetzen wie auf Platte, sondern sie rufen viel mehr. Wir sind ja auch eine Band, die ihre Songs so im Proberaum spielt und dass was sie dort macht dann auch aufnimmt. Von daher besitzen wir auch schon so ein Energielevel, dass es dazu gut passt, das noch zu unterstreichen, indem man mit der Stimme mehr Druck verleiht. Und dann ist es egal ob es schreien oder rufen oder auch Gesang ist. Das hat halt irgendwo immer ein gewisse Kraft.

Wenn ihr eure Texte schreibt, passiert das nach dem Motto „ Wir wollen was bewegen?“ oder „Das muss jetzt einfach mal gesagt werden?“?
Seb: Also ich kann jetzt nur mal für mich sprechen, die Texte, die ich so schreibe, oder die wir schreiben haben ja immer einen Anschlusspunkt. Ich weiß gar nicht ob das jetzt so ist “Das muss jetzt mal gesagt werden”, sondern eher: “Das ist mir aufgefallen und möchte ich gerne mitteilen” oder “das ist es wert darüber nachzudenken”. Es gibt ja ganz viele Texte über Liebe und über Schmerz, es gibt aber auch soviele Sachen dazwischen, die nicht so oft berücksichtig werden. Es gibt zuviele Dinge die nicht beachtet werden und es gibt so viele Dinge auf der Welt oder im Alltag, über die man sich zumindest ja mal wundern kann oder die man feststellen kann und die man dann auch in Texte verpacken kann.

Felix: Wenn ich die Texte schreibe, dann will ich irgendwas mit den Leuten teilen. Mir fällt irgendetwas auf und bin mir dann auch sicher, wenn mich das beschäftigt, dann ist es das auch wert, das in einen Song zu verpacken und dann bin ich mir auch sicher, dass es viele Leute gibt, die diesen Gedanken auch mit mir teilen.

Seb: Manchmal möchte man ja auch einfach Dinge loswerden, sich von Dingen befreien, indem man das selber einfach mal rauslässt und wenn man damit andere Leute erreicht, die das ähnlich sehen, dann ist das auf jeden Fall ein guter Aspekt. Auch wenn ich selber Musik höre und da kommt ein gewisser Text und der spricht mich an, dann fühle ich mich ja auch gleich mehr verstanden oder wohler.

Wenn ich mich nicht verhört habe, gibt es auf eurem aktuellen Album keine Balladen mal ganz zu schweigen. Warum? Seid ihr so wütend, oder gibt es einfach keinen Liebeskummer mehr?
Seb: Es ist ja nur eine andere Form. Diese Platte ist ja nicht härter als die letzten Platten, wir haben nur die Energie etwas anders aufgeschlüsselt. Das Energielevel haben wir generell etwas höher gehalten als auf den anderen Platten. Aber das heißt ja jetzt nicht, dass sie total hart ist. Es gibt ja immer noch viele poppige, melodische Elemente.

Felix: Das ist auch einfach eine logische Konsequenz des Besetzungswechsels. Ich bin ein anderer Charakter, als es Helge vorher war. Andere Charaktere bringen auch immer ganz andere Klangelemente mit rein. Ich bin eher so drauf, dass ich die Energie so hoch halte. Und irgendwie ist es mit dem Zurückkommen dieser Band ein schönes Statement, da einfach mal so ein bisschen auf die Fresse zu geben.

Heute letztes Konzert nach zwei Wochen Tour und das in neuer Besetzung. Vier Jungs hängen ununterbrochen aufeinander. War das eure Feuerprobe oder hattet ihr die schon im Studio?
Seb: Also im Studio haben wir schon gemerkt, was machbar ist für uns, wie gut das eigentlich funktioniert. Wir haben ja schon vor der Tour einzelne Konzerte gespielt, das war eher so die Feuerprobe. Auf der Tour wussten wir schon, was wir können. Vielleicht gab es schon so ein bisschen Unsicherheiten, darüber wie das jetzt so wird, aber das klappte ganz gut. Es war eigentlich nicht total ins kalte Wasser. Das hatten wir glaube ich schon hinter uns.

Felix: Feuerprobe für auf der Bühne stehen hatten wir schon. Es war mehr Feuerprobe für auf Tour sein, das ist ja schon was ganz anderes. Einfach so zusammen unterwegs zu sein. Im Studio haben wir ja auch schon aufeinandergehockt und gemerkt, dass es passt, aber es hat ja nochmal eine andere Itensität so zu reisen.

Wie hat das Publikum reagiert? War es euch wohlgesonnen?
Seb: Also ich war teilweise schon sehr positiv überrascht, wie gut die neue Platte aufgenommen wurde und wie textsicher die Leute im Publikum schon wieder sind. Die Platte ist ja auch erst seit einigen Wochen draußen und das ist auf jeden Fall cool.

Felix: Es sind glaube ich auch ganz viele Leute gekommen, um sich von der Livequalität zu überzeugen. Ich glaube es sind auch ganz viele Leute nach dem Motto gekommen: Auch wenn ich jetzt noch nicht so genau weiß was ich davon halten soll, ich schaue mir das jetzt auf jeden Fall nochmal live an und da hat man auf jeden Fall gemerkt, dass man live noch ganz viele überzeugen konnte. Das war echt gut.

Seb: Wir hatten auf jeden Fall viel Spaß auf dem Konzerten.

Seid ihr im Eimer?
Seb: Och joa

Wie wars denn so? Was ist euer schönstes, skurilstes Erlebnis auf Tour gewesen?
Felix: Also das Skurilste was ich erlebt habe, war definitiv das Hostel in Frankfurt. Die Matratze war echt nur so ein Gestell aus Hartplastikfedern mit nem Spannbettlaken drüber, das hat mir überall reingestochen. Darauf kann kein Mensch liegen, das kann mir keiner erzählen, höchstens ein Fakir.

Seb: Das Fenster ging auch nicht richtig zu und als wir dann endlich eingeschlafen waren, da fingen um sieben Uhr morgens irgendwelchen polnischen Bauarbeiter nebenan an, ein Gerüst aufzubauen und waren auch dementsprechend laut. Nach drei Stunden Schlaf sind wir dann ausgecheckt. Es sind aber eigentlich mehr so die vielen kleinen Dinge. Das hat ja immer so eine Eigendynamik. Die ganze Zeit in Rastatt war allerdings wirklich skuril. Wir sind zum Beispiel da so durch die Stadt gelaufen und kamen an nem Geschäft vorbei und da standen einfach nur hunderte von Winkekatzen und da lag nur noch ein Buch über Winkekatzen “Wink dem Glück und es winkt dir zurück” daneben und das war eben der Laden. Vielmehr gab es da nicht zu kaufen. Und da standen zwei Verkäuferinnen drin. Vielleicht waren wir auch in den falschen Ecken, aber irgendwie ist Rastatt ne andere Welt.

Wie lief die Zusammenarbeit mit Peta2? Sind die auf euch zugekommen oder dachtet ihr, ihr könntet eurer musikalischen Arbeit noch einen draufsetzen?
Felix: Es war einfach ne Idee von Label und die suchten Tourpräsentatoren. Und die dachten Peta2 würde gut passen, weil wir auch einige Vegetarier in der Band haben und ich kann mich mit denen auch super identifizieren. Ganz unspektakulär eigentlich. Wir fanden die Idee gut, die fanden die Idee gut und das wars dann eigentlich auch. Mit denen tue ich mich gerne zusammen.

Könnt ihr nach soviel Scheißleben auf die Fresse eigentlich noch lachen? Wie ist es um euren Humor bestellt? Worüber könnt ihr noch lachen?
Seb: Wer immer noch denkt, Escapado sei so eine Band die nur negative Sachen verarbeitet, der hat uns auch irgendwie nicht richtig verstanden. Manchmal haben wir so Leute auf den Konzerten, die so düster sind und die nur das emotionale, fast romantische, selbstmordmäßige sehen, die haben das wirklich komplett missverstanden. Escapado war nie eine Band, die gesagt hat das Leben ist scheiße, sondern eher im Gegenteil. Man lässt halt gewisse Dinge raus und der Umkehrschluss ist immer etwas Positives, so dass man daraus Kraft und Energie ziehen kann. Da geht es dann eher so um die Reinigung, die im Vordergrund steht. Wir wollen ja auch dass die Leute zufrieden und lächelnd nach dem Konzert nach hause gehen. Das ist ja auch kein Widerspruch. Man kann ja schon gewisse Dinge in Texten verarbeiten und dabei feiern. Ich finde nicht, dass das ein Widerspruch ist. Es ist ja nicht total platt und schlecht und dann nach dem Motto: lasst uns alle tanzen und saufen.

Felix: Auf jeden Fall haben wir auf Tour jeden Tag irgendwas zu lachen gehabt.

Wer ist „du“? Wer sind „die“ die ihr ansingt? Das vermischt sich ja auch oft.
Seb: Das ist wirklich immer unterschiedlich. Irgendwie sind alle gemeint, denn irgendwie kann man sich selber ja nie wirklich ausschließen aus dem was wir so behandeln in den Texten.

Felix: Live kann ich nur sagen, ich schreie die nicht Leute an, weil ich sie persönlich meine, sondern weil ich ein Gegenüber brauche. Das hat eigentlich mehr was mit Interaktion zu tun. Aber wenn wir solche Texte schreiben, dann meinen wir uns in der Regel alle und schließen niemanden aus.

Seb: Da müsste man eigentlich mal Song für Song durchgehen. Manche Leute meinen ja immer das sei ja alles so kryptisch, aber das ist Blödsinn. Da muss man einfach mal zwei Minuten drüber nachdenken, dann findet man eigentlich immer ziemlich schnell raus, worum es in dem Text geht.

Felix: Wenn man sich Montgomery Mundtot zum Beispiel anhört, dann geht es nicht darum, die Menschen in gut und böse zu teilen. Sondern es hat ja einen gewissen Grund das die einen etwas Böses tun können und die anderen es zulassen. Wenn man eine Gruppe dann anspricht, sind am Ende doch alle Schuld.

Habt ihr sonst noch was zu sagen? Was loszuwerden?
Seb: Auf jeden Fall Danke an die Leute die auf die ganzen Konzerte gekommen sind. Wir hatten eine Menge Spaß.