Die Aachener Post-Hardcore-Band FJØRT befindet sich momentan auf Headliner-Tour. Vor dem Konzert im ausverkauften Lido-Kreuzberg, spricht unser Redakteur Camilo mit Chris Hell und David Frings unter anderem über Pressestimmen, DIY, Licht-Shows und kulturelle Verantwortung.
Allschools: Hallo Chris, hi David, vielen Dank für Eure Zeit. Euer drittes Album „Couleur“ ist seit Mitte November draußen. Erzählt doch bitte was sich seitdem im Hause FJØRT ereignet hat.
Chris: Also auf jeden Fall ist davor super viel passiert und danach dann auch tatsächlich wieder (lacht). Wir haben natürlich wieder sehr viel Zeit und Gedanken in diese neue Platte gesteckt. Sie erstmal zu schreiben und dann diese zweite, visuelle Ebene zu gestalten. Das größte was wir dazu gemacht haben war diese Hotel-Session (mehrere Live-Videos ohne Schnitt in einem verlassenen Hotel – Anm. d. R.), die auch ein wahnsinniger organisatorischer Akt war. Aber für uns eine der geilsten Sachen, die wir bisher umsetzen konnten bisher, in dieser Bandgeschichte. Und dazu haben wir auch diese ganzen Videos gedreht.
Und dann war einfach super viel Feedback da. Die Leute haben geschrieben und natürlich auch viel Presse, Zines und Online-Magazine, super viele Reviews, und das alles super positiv. Also wir wurden schon ziemlich gebauchpinselt mit guten und netten Worten, ich sag mal, von eurer Zunft.
Und nach der Veröffentlichung ging‘s dann auch gleich weiter, dass du probst und so eine Live-Show ausarbeitest. Wir sind ja hier, wie zu sehen ist, mit einer Menge Lichttechnik am Start. Es macht auch immer neu Spaß sich für die Live-Show etwas Neues auszudenken. Auch um den Leuten etwas zu bieten, für das Geld, was es kostet. Das waren so jetzt die letzten 2 Monate seit dem Release: Unsere Live-Show proben, Songs ausarbeiten, Übergänge schaffen und dieses Set irgendwie cool zu gestalten, dass wir eine Geschichte von vorne bis hinten erzählen.
Allschools: Wie viel macht ihr davon selber, etwa sich ein Konzept oder technisch etwas auszudenken? Oder habt ihr Freunde, Freundinnen, Profis die da mitwirken möchten?
Chris: Also es begleiten uns heute sozusagen Best-Buddies, die irgendwann anfangs mal für ‚nen schmalen Taler gesagt haben: „Hey ich fahr mit und ich hab‘ Bock bei euch Sound zu machen“. Das ist zum Beispiel der Arno der seit Anfang mit dabei ist. Heute haben wir dann zum Beispiel den Erik dabei, der ist Lichtmann. Der hat auch wahnsinnig Bock hat auf die Mukke, auf den Sound und dazu etwas zu konzeptionieren, wie man dazu eine coole Light-Show machen kann. Bei uns ist es meistens so, dass wir Erik fragen was er sich so vorstellt und er rastet dann erstmal völlig aus mit Ideen und dann finden wir halt irgendwo eine Lösung, die realisierbar ist. Und so steht Erik heute hier am Pult und feuert ab. Also das ist sehr schön, dass auch von Lichtseite eine Art Feuer dabei ist.
Allschools: Habt ihr diese Show vorher in einer großen Venue geprobt?
David: Ja, wir proben im Musikbunker Aachen und sind auch Mitglied im Verein. Die unterstützen uns auch wo sie nur können. Und ich habe Lars, den Chef, gefragt, ob wir 1-2 Tage in den großen Saal können und das alles proben können. Wir durften 2 Tage vorher in den Bunker - das ist eine 400er-Location - und das auch unentgeltlich ausprobieren, weil wir da halt proben und die uns auch gut unterstützen. Ja und proben ist das eine, Feuertaufe war dann Münster und so langsam kommt das dann in Trott. Gestern war das erste Mal, wo wir das auf einer großen Bühne probieren konnten und Erik auch völlig ausgerastet ist.
Allschools: Jetzt nehmt ihr 3 Bands mit auf Tour. Ist das terminlich so entstanden oder wolltet ihr verschiedenen Acts die Chance geben?
David: Auf jeden Fall, wir haben das bei der Band Turbostaat gelernt. Ich finde die üben ihre Verantwortung für die Musik im Bereich Subkultur sehr gut aus. Das heißt, bei der Möglichkeit wo man vor vielen vielen Leuten spielen kann und sich immer wieder dazu entscheiden so Bands, die sehr sehr klein, die keiner auf dem Schirm hat, aber die geile Musik machen, die Chance zu geben. Und wenn wir eine Sache zurückgeben können, das ist uns auch sehr sehr wichtig, bei uns kommen ja jetzt auch sehr viel Leute und die gucken sich automatisch den Support an. Das sollen halt Bands sein, wo wir sagen: „Das sind super gute Bands die gerade aufstreben, die hat keiner auf dem Schirm, checkt die mal aus“. Wir wollten auf dieser Tour einfach mehr Bands diese Chance geben. Dann ist eine Band alle zwei Konzerte organisatorisch etwas aufwendig für Crew, etc., deshalb haben wir 4-5 Shows pro Band. Jetzt ETRE bis Dresden und dann kommen EAST und LIRR. Für uns ist das auch geil, wir sehen ja dann auch ein paar andere Bands.
Allschools: Und nun sind jetzt LIRR. nicht mehr so unbekannt. Kennt ihr euch schon von früher?
David: Ja, quasi seit der ersten Stunde. Leif Marcussen, der Sänger, hat vorher Solo gemacht und da haben wir ihn kennen gelernt. Da hat er nämlich mit FJØRT zusammengespielt im Jamcenter in Meppen. Das ist ein Jugendzentrum, da waren 20 Mann da und da hat Leif schon gespielt und wir haben uns so ein bisschen angefreundet. Und dann sind LIRR. ja für ihre letzte Platte bei Grand Hotel van Cleef unter Vertrag gekommen und dann sind die Wege natürlich noch kürzer. Tolle Band.
Allschools: Auf jeden Fall, ich habe die als Vorband von HEISSKALT gesehen und glaube, dass sie beim Publikum einen guten Eindruck hinterlassen haben.
David: HEISSKALT ist auch so eine Band, die üben auch ihre Verantwortungsaufgabe aus.
Allschools: Ja, euch habe ich zum Beispiel das erste Mal im Vorprogramm von HEISSKALT in Dresden gesehen.
David: Die Show mit SMILE AND BURN
Allschools: Genau
David: Ja, ach geil, das war ein geiler Abend.
Allschools: Chris, du hast erwähnt, dass ihr gute Presse bekommen habt. Die bekommt man ja nicht automatisch, ich war selber ein bisschen überrascht, dass die Reviews durch die Bank positiv sind. Wie gehst du damit um und was macht das mit dir?
Chris: Also im Grunde schielst du, wenn du eine Platte schreibst nicht auf dieses Feedback von Presseseite. Es ist ja letztendlich ein Beiwerk für dich als Musiker, wovon du aber nicht dein eigenes Gefühl für das Album abhängig machst, weil wir ein Album auch erst abgeben, wenn wir selber super happy und zufrieden damit sind. Somit ist mir das letzten Endes auch egal. Wenn jetzt jemand schreiben würde, es ist das beschissenste Album was es gibt, ich würde es immer noch gut finden. Aber es ist natürlich sehr schön, wenn du merkst, dass Leute sich mit dieser Musik befassen und sie verstehen und auch sehr positive Worte dafür finden. Es ist auf jeden Fall sehr schön das zu merken und davon haben wir echt viel bekommen. Ich glaube das Schöne daran ist, zu merken, dass Leute sich wirklich mit der Musik befassen. Dass sie in Zeilen reingehen und ihre Gedanken kundtun, die sie sich nach dem 10-maligen Hören des Albums und hier und da Interpretationen haben. Es ist super zu sehen, dass Leute sich wirklich damit auseinandersetzen und sich für die Mukke Zeit nehmen. Weil das ist genau das was man sich wünscht, dass die Leute das nehmen und irgendwie aufsaugen. Das kommt dann so rüber dabei.
Allschools: Gerade wenn man sich selber so lange damit beschäftigt hat?
Chris: Ja, auf jeden Fall. Für einen selbst ist so eine Platte dann das absolut wichtigste überhaupt und es ist schön, wenn das ein bisschen zurückkommt.
Allschools: Leben FJØRT-Songs so ein bisschen weiter, nachdem sie veröffentlicht wurden, entwickelt sich da etwas?
Chris: Ja total. Ich würde sagen, wir spielen keinen Song zu 100 Prozent wie er auf der Platte zu hören ist. Sondern wir haben immer irgendwelche kleinen Live-Spielereien, Abwandlungen. Wir arten auch immer ein bisschen aus und spielen dann so einen Song, wenn er vorbei ist, noch weiter. Und wir haben übergang-, interludemäßige Sachen, die im Proberaum einfach entstehen, wenn man die Songs hintereinander spielt. Und das tragen wir auch auf die Bühne. Es ist sehr organisch und so ein Song wächst immer weiter. Ich glaube wir spielen die Songs von der „Kontakt“ oder „D'Accord“ heute auch ganz anders als damals. Aber es macht die Sache auch anders und es macht Spaß.
Allschools: Cool, anderes Thema, viele Bands haben ja feste Probetermine in der Woche, wie sieht das bei euch gerade aus?
Chris: Es ist ein bisschen abhängig von dem was ansteht, dass du dich natürlich vor so einer Tour gezielt vorbereitest. Wir haben jetzt nicht einen festen Termin, etwa mittwochs 19 Uhr, sondern du hast dann Blocks von Wochenenden oder Tagen, in den am Stück im Proberaum geprobt und gearbeitet wird. Genauso musst du dir fürs Songwriting Zeit nehmen und da trifft man sich gezielt für eine bestimmte Zahl von Tagen und kann dann auch in Ruhe arbeiten. Weil es fliegt einem jetzt nicht so zu, dass man sich mal hinsetzt und dann hat man einen neuen, coolen Song geschrieben, sondern das Proben und das kreative Arbeiten ist schon zeitintensiv.
Allschools: Und außer Musikmachen und Pressetermine wahrnehmen, was fällt für euch drei noch so an, etwa Buchhaltung, Management, etc.?
David: Also wir haben ja miniklein angefangen und da fallen genau wie du sagst Aufgaben an. Wer kümmert sich denn erstmal darum, dass man Shows kriegt? Und es gibt dann einen in der Band, der den ganzen Tag Emails an irgendwelche Leute schreibt: „Hey, können wir bei euch spielen?“ So. Das hatten wir dann relativ aufgeteilt und das habe ich in der Band gemacht. Chris war immer derjenige, der sehr gut mit Zahlen umgehen kann. Das heißt, er hat dann immer sehr viel kalkuliert, in dem Fall sag ich mal Buchhaltung geführt. Und als es irgendwann dazukam, dass Leute interessiert daran waren Shirts von uns übers Internet zu kriegen, hat Frank gesagt: „Hey ich mach gerade relativ wenig und ihr macht sehr viel, kann ich nicht einen Onlineshop für die Band machen?“ Und das macht Frank. So haben wir sämtliche Aufgaben auf uns aufgeteilt. Viele sagen dann: „Ja, die spielen jetzt hier das Lido, die machen ja sowieso nichts mehr selbst“. Aber der Kern dieser Band ist komplett DIY. Wir haben mittlerweile eine Booking-Agentur, die für uns Konzerte bucht, also ich wurde da entlastet, das wurde auch wirklich irgendwann zu viel. Das konnte man dann nicht mehr so abarbeiten, wie es auch nötig gewesen wäre. Und wir haben uns jetzt auch dazu entschieden mit einem Management zusammen zu arbeiten. Das macht der Malek vom Grand Hotel van Cleef für uns, weil dann doch sehr viele Anfragen kommen, zum Beispiel dieses Interview. Das schaffen wir nicht vor oder während der Tour, wenn wir uns auch noch auf die Musik konzentrieren wollen. Und das macht jetzt Malek mit unserem vollsten Vertrauen und das ist unsere Hilfe, die wir dabei haben.
Allschools: Cool. Das Jahr ist noch jung, momentan seid ihr auf Tour. Mit was können wir dieses Jahr noch rechnen?
David: Es gibt da relativ wenig zu erzählen. Also wir fokussieren uns immer auf den nächsten Punkt und das ist gerade die Tour. Wenn wir von der Tour zurück kommen, hat es der Zufall so gewollt, dass wir den BOYSETSFIRE-Support auf dem Family First Festival in Köln spielen können, was für uns auf jeden Fall nochmal eine Trademark wird. Dann spielen wir im April ein paar Dates in der Schweiz, die wir natürlich auch nicht vernachlässigen wollen. Aber diese EU-Richtlinie, was Equipment und Merch angeht, ist sehr aufwendig, dass du das auf einer normalen Tour nicht ohne immensen Zeitaufwand mitnehmen kannst.
Dann haben wir das Glück, dieses Jahr wieder ein paar Festivals zu spielen. Und dann muss man sehen. Also wir haben jetzt nicht konkret vor wieder ins Studio zu gehen oder nen Song zu schreiben. Ich glaube da kommt gerade aus uns kreativ wenig raus. Wir probieren das auch gerade nicht, weil es einfach klar ist, dass nach einer Platte so schnell nichts kommt. Und dann gucken wir mal. Also irgendwann stellt es sich immer wieder so ein, dass man sagt, lass mal wieder in den Proberaum gehen. Dass wieder ein paar Ideen kommen. Aber uns wird gerade so viel Gutes zugetan, schau dir diesen Laden an, da muss man auch mal eine Zäsur machen und sagen, erstmal geil und nicht schon wieder an den nächsten Step denken. Erstmal das hier mitnehmen.
Allschools: Gibt es noch andere berufliche oder musikalische Projekte, die ihr parallel fahrt?
David: Wir sind alle musikinteressiert, aber dann eher als Konsumenten. Wir gucken auch sehr gerne Konzerte und kulturelle Ereignisse, aber nicht, dass wir jetzt weitere größere Projekte aufstellen. Weil es ist auch so, dass Musik einen riesengroßen Stellenwert bei uns einnimmt, auch unsere eigene Musik, die auch sehr viel Zeit braucht, auch wenn wir nicht auf Tour sind. Und es ist ja so, dass man auch nebenbei ein paar Euros verdienen muss in den Jobs die wir haben. Weil was wir hier abfahren auch bezahlt werden muss und es nicht reicht, dass wir mal so ein Jahr davon leben können. Aber das ist auch völlig OK, es gibt halt dann diese Spielzeiten. Es macht uns auch nichts, dass es mal einen Monat gibt in dem nichts passiert. Dann hat man Zeit für Familie und Freunde.
Allschools: Super, ich bin mit meinem Teil durch, wollt ihr unseren Leserinnen und Lesern noch etwas mitteilen?
David: Erstmal ein Dank an Allschools als Fanzine, dass ihr - ich nenn das mal blöd gesagt - als Multiplikator wirkt, also Bands wie uns, bzw. auch ein paar nette Worte über unseren großartigen Support schreibt. ETRE die mitgenommen sind, die das noch viel mehr gebrauchen können. Ihr macht da nen guten und wichtigen Job und wir wollen uns dafür auch immer Zeit nehmen.
Kommt noch vorbei auf die Tour, die schon dicht verkauft ist. Es soll auch niemand böse sein. Man hört auch Sachen wie: „Wie kann man nur in so eine kleine Location gehen?“ Für uns ist das super krass hier beispielsweise im Lido zu spielen. Da sind dann einige ein bisschen böse, wenn sie nicht mehr reinkommen. Und sonst einfach das nächste Mal. In Dresden, Leipzig und Saarbrücken gibt's noch was. Und vielen Dank fürs Interesse einfach.
Chris: Ja, vielen Dank!
Allschools: Euch auch alles, alles Gute und vielen Dank.