Interview mit GREAT COLLAPSE - Frontmann Thomas Barnett

04.02.2018
 

 

Allschools: Hey Thomas. Nice to meet you. Wie gehts Dir? Fetter Gig eben….

Thomas Barnett: Hey! Alles gut soweit. Ja, Danke! Hat Spaß gemacht vor so vielen Leuten zu spielen. Palladium ist eigentlich nicht unsre Kragenweite, wir sind ja eher die kleineren Jugendclubs und so gewöhnt. Da gibt es keinen Fotografengraben, Security und 5m Platz zwischen der Band und dem Publikum. Trotzdem super, den Leuten hats gefallen.

 

 

Allschools: Du klingst etwas heiser, bist Du ein bisschen erkältet? Als Sänger nicht gerade das optimalste….

Thomas Barnett: Ne, ich bin fit. Aber da unten auf der Bühne ist es so unfassbar trocken. Da bekommst Du schon nach gefühlten 10 Sekunden Durst. Man kann eine Faustregel aufstellen: Je größer die Bühne, desto größer ist der Durst! Das liegt vor allem an den Scheinwerfern und den Boxen, zusammen wirken die wie ein Dörrautomat. Deshalb muss man vor, während und auch danach sehr auf seinen Flüssigkeitshaushalt achten. Und ich meine damit nicht unbedingt Bier!

Allschools: Ähnliches hat mir auch mal Burton von FEAR FACTORY gesagt. Er kam auch immer sehr schlecht mit der geringen Luftfeuchtigkeit geschlossener, beheizter Räume klar. Sein Rezept gegen Heiserkeit war ein längeres Aufwärmen der Stimme. Dein unverkennbarer Gesangsstil hört sich für mich auch recht anstrengend an. Wärmst Du Dich auch mit Übungen auf oder geht das so?

Thomas Barnett: Ein wenig schon, obwohl ich mehr daran arbeiten sollte. Gerade auf Tour ist das wichtig, auf seine Stimme und seinen Körper zu achten. Man bekommt erstmal sehr, sehr wenig erholsamen Schlaf und der Jetlag knallt immer voll rein. Und Saufen geht dann eh nicht so wirklich. Wichtig ist, dass man die Tour mit einer guten körperlichen und stimmlichen Konstitution beginnt. Wir haben ja jetzt noch knapp 3 Wochen nonstop Gigs vor uns.

Einer, bei dem sich solche Strapazen so gut wie nie ausprägen, kommt gleich auf die Bühne. Nathan Gray (BOYSETSFIRE) ist ein richtiges Tier. Der könnte tagelang durchsingen ohne heiser zu werden. Und sein Gesangsstil ist wirklich anstrengend.

Allschools: Lass uns mal kurz über die Anfangsphase von GREAT COLLAPSE sprechen. Stimmt es, dass die Band in der Mittagspause beim Essen veganer Pizza gegründet wurde?

Thomas Barnett: Holy Shit, where do you know? Ja, das ist vollkommen richtig. Es war einer dieser heißen Tage, an denen schon das Denken Schweißströme rinnen lässt und ich arbeitete im Warenlager von Epitaph. Viele Pakete, die da raus gehen werden von den Bandmitgliedern eingepackt, deren Sachen da gerade bestellt worden sind. Kein Witz! Das Warenlager ist soetwas wie das Auffangbecken für Künstler, die ein wenig Geld zwischen zwei Touren oder den kommenden Aufnahmen machen wollen.

Eine Tour mit STRIKE ANYWHERE war gerade zuende und wir warteten darauf, ins Studio zu gehen. Also hab ich wieder Packesel gespielt. Todd (Ex-DEATH BY STEREO-Drummer) hat auch malocht und wir sind immer mal wieder ins Gespräch gekommen. An dem eben angesprochenen Tag war es so heiß, dass wir die Pause einfach verlängert haben und beim Pizzaessen erzählte er mir von einigen Songs, diezusammen mit Chriss Chasse (Ex-RISE AGAINST) entstanden sind. Leider fehlte noch ein Sänger und ich habe ihm dann angeboten, mal in die Stücke hinein zu hören.

Die Dinger waren großartig und wir haben sehr schnell angefangen zu proben und richtig Songs zu konstruieren. Das alles funktionierte perfekt und wir veröffentlichten kurze Zeit später die „Elemental E.P.“.

 

Allschools: Seitdem habt ihr zwei Longplayer rausgebracht, das letzte Album “Neither Washington Nor Moscow Again” ist noch nicht lange am Start. Im Gegensatz zum Debüt „Holy War“ klingt es etwas härter und chaotischer. Meiner Meinung geht es eher in Richtung Deiner anderen Band STRIKE ANYWHERE. Was sagst Du zu diesem Vergleich?

Thomas Barnett: Was die Gangart angeht würde ich zustimmen. Wir haben etwas an der Schnelligkeits- und Härteschraube beim Songwriting gedreht, da die Stimmung diesmal im Proberaum einfach auch so war. Wir alle hatten  Bock auf mehr Brachialität. Trotzdem hat GREAT COLLAPSE für mich immer noch ein eigenständiges Gesicht. STRIKE ANYWHERE kling in meinen Ohren anders.  

Allschools: Wenn man amerikanische Bands interviewt und nach den meistgehassten Themen sucht, die dabei auftauchen können, erhält man meistens die Antwort: Politics! Ihr als politische Punk/HC-Band schreibt es Euch aber relativ deutlich auf die Fahne. Nun ist nicht jeder hier in Europa ein native speaker und kommt vielleicht nicht ganz so schnell an eure Botschaften ran. Welche Themen habt Ihr auf dem aktuellen Album am meisten verarbeitet? Gibt es sowas wie einen roten Faden oder sind alle Songs thematisch verschieden?

Thomas Barnett: Gute Frage! Wir setzen uns auf “Neither Washington Nor Moscow Again” mit einer Vielzahl von politischen und ethischen Dingen auseinander, aber der Leitfaden darauf ist Furcht. Sehr viele Regierungen nutzen die sozialen Medien, um beim Einzelnen dieses Gefühl auszulösen. Da man sich mit dem Handy, dem Computer oder dem Fernseher viel allein beschäftigt und Dinge kaum mehr mit anderen diskutiert, bildet man sich schnell eine von außen gelenkte Meinung. Zwei der zentralen Gefühle, mit denen diese Meinung oder Einstellung gebildet wird, sind Furcht oder Angst: Vor der nächsten Jobkrise, dem Verlust der Wohnung, vor den Ausländern, anderen Regierungen und und und. Wir wollen das Denken in eine andere Richtung lenken.

Allschools: Daher vielleicht auch die Textzeile „Planet Calls To Action“ im aktuellen Video “Meltdown!”? Was kann  denn ein typischer GREAT COLLAPSE-Fan Deiner Meinung nach tun, um dem Aufruf zu folgen.

Thomas Barnett: Ja klar. Da geht es ja um das eben angesprochene Thema, dass uns Algorithmen und Maschinen im Denken und Handeln leiten. Als Person sollte man zum einen Dinge hinterfragen und nicht einfach hinnehmen. Außerdem auch nicht so ichbezogen agieren, sondern eher entscheiden, was an meinem Umfeld schützenswert ist. Man kann viel tun: Gründet eine Band, die sich mit politischen Themen auseinandersetzt, werdet vegan, arbeitet in einer gemeinnützigen Organisation, unterstützt lokale Projekte oder trennt den Müll.

 

 

 

Allschools: Zum Abschluss nochmal eine Frage zu Deinen Anfangstagen. Wie Du unschwer erkennen kannst, hab ich mir extra für Dich einen echten T-Shirt-Klassiker aus meinem Schrank geholt, da ja AVAIL auch aus Deiner Geburtsstadt Richmond kommen. Wie bist Du denn zum Punk/HC gekommen?

Thomas Barnett: Das mit dem Shirt dacht ich mich schon. Geiles Teil auf jeden Fall, denn AVAIL waren ja sowas wie die global player unserer Stadt. Ich liebe diese Band und bin immer noch traurig, dass sie sich aufgelöst haben.

In Richmond gab es gar nicht viele Clubs, wo Bands auftreten konnten, so das sich etwas sehr spezielles herausbildete: Viele Punkbands teilten sich Proberäume und Auftritte mit Reggaebands, die aus dem Großraum Washingtons kamen. Schau Dir meine Dreads an, das rührt noch daher. Klar denkt jeder sofort an BAD BRAINS, aber auch in Richmond gab es da wirklich viel gemeinsame Projekte und Festivals. Man hatte oft die gleiche Wellenlänge.    

 

 

Allschools: Thomas, vielen lieben Dank für das gelungene Interview! Und wie immer an dieser Stelle: last words?

 

Thomas Barnett: Danke zurück! Alles Liebe an die Leute in Deutschland – Ihr wisst, wie man Veganer glücklich macht, das Catering ist immer Weltklasse. Take care!