Interview mit Hardcore Help Foundation

16.02.2012
 

 

Die Nachricht vom Tod von vier Besuchern des Pukkelpop-Festivals in Belgien, infolge von schwerem Unwetter, ging groß durch die Presse. Was viele jedoch nicht wissen: Die Eltern eines Opfers mussten für die Beerdigung ihres Kindes das Auto verkaufen, weil sie kaum Geld haben. Als Rico Huntjens von der HARDCORE HELP FOUNDATION (HHF) davon hörte, hat er nicht lange überlegt: „Freunde der Betroffenen haben eine Benefiz-Veranstaltung auf die Beine gestellt und ich wollte da unbedingt einen HARDCORE HELP FOUNDATION Stand machen. Also habe ich mir den Wagen mit HHF-Merch vollgepackt und mich auf den Weg gemacht. Alles was wir an dem Tag verdient haben, rund 1000 Euro, wurden an die Familien weitergegeben.“

„Hardcore is more than Mosh. It's about Friendship, Loyality & helping each other out, when you're in a bad situation”, steht auf der Homepage der HHF. Das war der Grundgedanke bei der Gründung. „Und das ist doch auch der Grundgedanke von Hardcore – Freundschaft und anderen zu helfen. Aber gerade ist es eher so, dass es vielen in der Szene um Style geht. Ganz nach dem Motto wer die meisten Piercings und Tattoos, der ist am coolsten. Das Wesentliche haben einige Leute aus den Augen verloren“, sagt Rico.

„Was für einen selbst keinen Wert mehr hat, kann anderen eine Freude machen“

Die HARDCORE HELP FOUNDATION ist ein Non-Profit-Projekt von der Flotte e.V. Bochum und wurde im März 2011 gegründet. Dahinter steckt ein Team von rund zehn Leuten aus der Hardcore-Szene. Rico selbst hat bereits zehn Jahre Erfahrung als Veranstalter von Shows gesammelt, hat sich dadurch ein großes Netzwerk aufbauen können, auf welches er jetzt zurückgreift – für den guten Zweck. Das Team trifft sich regelmäßig und überlegt sich neue Spendenaktionen, arbeitet an Ideen, um anderen zu helfen. Derzeit sind es vor allem Shows, die organisiert werden. Auf diesen Shows gibt es auch immer einen Stand der HARDCORE HELP FOUNDATION an dem Bandshirts, Zippers, Hoodies und andere Klamotten verkauft werden, die gespendet wurden. „Ich kriege täglich Pakete mit alten Shirts von Spendern zugeschickt. Meine Nachbarn hassen mich dafür schon, wenn sie wieder irgendwas für mich annehmen mussten, weil ich auf der Arbeit war“, sagt Rico und lacht. Wer also seinen Kleiderschrank aussortieren will, kann seine alten Bandshirts an die HARDCORE HELP FOUNDATION schicken und damit noch was Gutes tun. Die Sachen werden günstig auf den Shows oder im Online-Shop verkauft. „Was für einen selbst vielleicht keinen Wert mehr hat, kann anderen noch eine Freude machen“, weiß Rico.

HHF – „Eine spontane Idee, die irgendwie explodiert ist“

Er gesteht, er habe anfangs nicht damit gerechnet, dass so viele Leute bereit seien, mitzumachen und zu helfen. „Es war eine spontane Idee, die irgendwie explodiert ist.“ Dabei schüttelt er den Kopf, als könne er es selbst manchmal nicht so richtig glauben. Seit der Gründung der HARDCORE HELP FOUNDATION wurden schätzungsweise 25.000 Euro gesammelt und gespendet. Beispielsweise für einen Security-Mitarbeiter namens Yuri. Auf einer Hardcore Show in Baltimore (US) sprang ein Stagediver unglücklich auf ihn. Yuri musste sofort ins Krankenhaus, seit dem Vorfall ist er halbseitig gelähmt. Seinen Job kann er nicht mehr ausüben, eine Krankenversicherung hatte er nicht und seine 12-jährige Tochter kann er mit der Lähmung auch nicht mehr alleine erziehen. Die HARDCORE HELP FOUNDATION musste nicht lange überlegen und organisierte eine Spendenaktion. „Mein Kollege JR, Sänger der Band »Next Step Up«, erzählte mir einen Tag später von dieser Show, auf der sie gespielt haben und von dem Unfall. Mir war sofort klar, dass wir hier was tun müssen“, erinnert sich Rico. Für Ende des Jahres ist erneut eine HARDCORE HELP FOUNDATION Benefit-Show geplant, diese soll in Amerika stattfinden. Denn sie wollen Yuri weiterhin unterstützen.

Mit dem Tsunami in Japan begann alles, er war Anstoß zum Helfen, der Start für die HARDCORE HELP FOUNDATION. „Freunde aus Japan hatten nach dem Tsunami einen Hilferuf losgeschickt. Mein Freund Tomohiro Sato ist ein Lehrer aus der betroffenen Region und spielt in seiner Freizeit in der Hardcore-Band »Ragnarok«. Also überlegten wir uns eine Spendenaktion. Kurz nach der Katastrophe hatte ich ein großes Festival »Bringing back the Glory« in Essen unter anderem mit Madball, Wisdom in Chains, Born From Pain und so weiter. Da hatten wir dann unseren ersten Stand von der HARDCORE HELP FOUNDATION. Wir haben eine Japan Flagge aufgehängt und um Spenden gebeten. Geld, Klamotten, alte Band-Shirts, Tapes – was immer die Kids entbehren konnten. Das alles wollten wir dann für den guten Zweck weiterverkaufen. Und die Idee ging auf. Die 900 Besucher des Festivals spendeten kräftig und wir sammelten fast 1000 Euro und dazu noch viele Klamotten. Wir haben das Geld und zwei Merchlieferungen dann an unsere Freunde geschickt. Die Schule in Ishinomaki wurde zu einer Notunterkunft und mit unseren Spenden half man den Kindern vor Ort. Seitdem spenden wir jeden Monat für Japan. Das Geld wird eingesetzt um den Betroffenen in der Region zu helfen, um sie mit Kleidung, Essen und Dingen, die man noch so zum Leben braucht, zu versorgen“, erzählt Rico.


Schüler in Japan tragen Bandshirts von Spendern der HHF

Aber auch Katastrophen, die bei vielen schon längst wieder in Vergessenheit geraten sind, hat die HARDCORE HELP FOUNDATION noch im Blick. Wie beispielsweise das Erdbeben in Haiti im Jahr 2010. „Wir spenden jeden Monat für »100 For Haiti«. Die Organisation hilft beim Wiederaufbau von Haiti und gibt humanitäre Hilfe. Von unseren Spenden kauft man dort beispielsweise Medizin. Wir planen derzeit noch weitere Aktionen, um einen Container nach Haiti zu schicken“, berichtet Rico. Zudem werden lokale Projekte, vor allem im Ruhrgebiet, von der HARDCORE HELP FOUNDATION unterstützt. Die Tafeln erhalten eine monatliche Spende, aber auch Obdachlose und Straßenkinder bekommen Hilfe.

Auf einer Tafel steht mit weißer Kreide „Thank You, Rico, HHF!“ geschrieben. Davor knien Schüler. Sie tragen Bandshirts, die sie von der HHF geschickt bekommen haben. Sie lächeln. Es sind Schüler des japanischen Lehrers Tomohiro Sato, den die HHF regelmäßig mit Spenden unterstützt. Wenn Rico solche Fotos sieht, und die Briefe und E-Mails liest, die man ihm schickt - mit den lieben Worten und dem positiven Feedback für seine ehrenamtliche Arbeit, in die er einen Großteil seiner Freizeit steckt - dann bekommt er eine Gänsehaut, sagt er. Er lächelt, so wie die ganze Zeit, während des gesamten Gesprächs, er ist mit Leidenschaft bei der Sache. „Das gibt einem die nötige Motivation weiterzumachen. Und es ist einfach ein unglaubliches Gefühl. Dann realisiert man erst, was man da eigentlich tut. Und, dass es was Gutes ist.“ Als er diesen Satz ausspricht, ist es wieder da: sein Kopfschütteln. Dieses Kopfschütteln, das irgendwie ausdrückt, dass er all das nicht glauben kann. So viel Unterstützung, so viele Spender, so viel positives Feedback. Er lächelt. „It's about Friendship, Loyality & helping each other out, when you're in a bad situation.” Ja, genau das ist HARDCORE.