Interview mit Matthias (Drums) von HEAVEN SHALL BURN. Von Olivier.
Fangen wir das nicht mit Floskeln wie „die Band der Stunde“ oder „das Verbindungselement zwischen heutigem Hardcore und Metal“ an. Aber: Seien wir mal auch nicht so gegen-den-Strom-laufend die-Arme-verschränkend. Fakt ist: HEAVEN SHALL BURN machen zwar – auch wenn das der hier interviewte Kollege Matthias anders sieht – seit vielen vielen Alben (schon immer?) dasselbe, machen es eben auch schon seit vielen vielen Alben (schon immer?) sehr gut. Dennoch mag diese Stagnation schon den ein oder anderen aufgefallen sein, und die Frage ist: Wo können HEAVEN SHALL BURN noch Impulse setzen? Ist das noch „sehr gut“, oder bloß noch „gut“, vielleicht auch nur „okay“? Oder wird bei einem so herrlich direkten und befriedigend nach HEAVEN SHALL BURN klingenden Album einfach zu viel auf an der Wurzel rumgehackt? Das und die Tatsache, dass die Thüringer Herren von Idealen sind ist (hoffentlich) Grund genug, das gefühlte tausendste Interview mit HEAVEN SHALL BURN auf Allschools zu führen.
_________________________________________
Wenn ich ehrlich bin muss ich sagen dass ich von eurem neuem Album „Invictus“ etwas enttäuscht bin. Klar: Ein tolles Album wieder, macht Spaß und hat seine Momente. Ich mag zum Beispiel total diese Gitarrenmelodie in „Given In Death“ oder den gesamten Song „The Omen“ mit seiner ganzen Wucht und Dynamik. Aber ich hatte nach dem ersten Teil von Iconoclast irgendwie höhere Erwartungen, weil ihr da meiner Meinung nach etwas an die Grenzen eures Stils gegangen seid. „Joel“, „A Dying Ember“ oder die letzte Songs generell klangen in meinen Ohren überraschend ausschweifend - fast schon progressiv -, und gepaart mit diesem ganzen Drumherum wirkte das Album für mich als Ganzes bisher von euch am schlüssigsten, aber auch am gewagtesten – schließlich seid ihr ja sonst nicht so die entwicklungsfreudige Band. Warum seid ihr mit „Invictus“ diesen Weg nicht weitergegangen? Wolltet ihr einfach wieder ne etwas straightere Platte?
Danke erst mal für die ehrlichen Worte. Deine Kritik ist natürlich durchaus nachzuvollziehen. Schließlich sind die Geschmäcker und Wahrnehmungen ja verschieden. Grundsätzlich ist es aber so, dass man eine solche Platte nicht am Reißbrett konzipieren kann und am Ende eben genau das heraus kommt, was du jetzt auch hören kannst. Zumindest bei uns ist es so, dass die Richtung der Scheibe ganz einfach auch vom allgemeinen Gemütszustand des Schreibers und der ganzen Band abhängt.
Wir selbst sind mit der Platte absolut glücklich und zufrieden und haben selbst auch eine starke Weiterentwicklung durchgemacht. Wir können aber natürlich nicht verlangen, dass der außenstehende Hörer das genauso sieht. Für manche sind die Veränderungen kaum spürbar, für uns hatte alles mit viel Arbeit zu tun.
Ich kann dir also weder absolut widersprechen, noch zustimmen. Du siehst das einfach anders als wir und ein Versuch der „Rechtfertigung“ würde wenig Sinn haben. Man kann ja auch schlecht darüber diskutieren, welche Farbe die bessere ist. Davon abgesehen haben wir gar nicht den Anspruch, uns künstlerisch zu entwickeln. Wir kommen größtenteils aus der Punk- oder Hardcore-Ecke und sind natürlich auch mit Metal aufgewachsen. Das steht alles für gewisse Traditionen.
Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was an „Iconoclast I“ besser oder überhaupt anders gewesen sein soll.
Für mich unterscheiden sich die Platten eigentlich nur darin, dass uns der Sound von „Invictus“ besser gefällt und dadurch dass vieles jetzt, für uns, eingängiger klingt. Gut, „Invictus“ hat, auch objektiv gesehen, mehr Details im Sound, aber ansonsten ist das ein und derselbe Stiefel. Straighter ist „Invictus“ sicher auch nicht. Aber in zwei Jahren denken wir vielleicht auch anders darüber. Wir haben ja noch gar nicht den nötigen Abstand zur neuen Platte.
Es ist doch auch wirklich so, dass jeder die Platte anders sieht. Andere haben mir in Interviews das genaue Gegenteil erzählt und sie hatten sicher genauso wenig unrecht wie du…hahaha
Warum wurde eigentlich „Bildersturm“ als DVD – ohne neues lyrisches Gut, nur mit, wie das halt bei Live-DVDs so ist, alten Songs – in die Iconoclast-Trilogie mit eingeschlossen?
Der zusätzliche Titel „The Visual Resistance“ hat ja eigentlich schon ausdrücken sollen, auf welchen Aspekt hier besonderer Wert gelegt wird. Das Kernstück der DVD-Box waren für uns nicht die Live-Mitschnitte, sondern die Dokumentation, welche zu einem sehr großen Teil gefaked war. Ich weiß nicht ob die Doku schon gesehen hast, aber wir erzählen in den Interviews teilweise die absurdesten Sachen. Das steigert sich im Lauf der Spielzeit immer weiter und gipfelt am Ende in den Outtakes, bei denen eigentlich jedem spätestens auffallen sollte, dass das alles nicht so stimmen kann. Wir haben das natürlich alles nicht nur zum Zeitvertreib gemacht, auch wenn es echt unterhaltend war.
Es war so, dass viele Leute sich nicht vorstellen konnten, dass wir eine DVD dafür nutzen, um größtenteils Käse zu erzählen. Deswegen wurde das meiste geglaubt, auch wenn es noch so abwegig war. Es war eben diese Mischung aus Wahrheit und Lügengeschichten, die es den Leuten schwer gemacht hat, alles anzuzweifeln. Im Rahmen unseres Konzeptes bedeutet Bildersturm eben, dass Heldengeschichten, Mythen oder Legenden hinterfragt und kritisch beäugt werden. Das beinhaltet auch, dass wir als Band kritisch betrachtet werden. Viele haben das nicht getan und die DVD ernst genommen.
Unser Ziel war es, dass diese Leute am Ende verstehen, dass sie uns einfach auf den Leim gegangen sind, obwohl sie vielleicht sogar leichte Zweifel hatten und alles recht komisch erschien. Wir haben sicherlich nicht den Einfluss von kirchlichen Institutionen oder politischen Blendern, aber am Ende läuft es doch exakt auf dasselbe hinaus: Jemand ist dir sympathisch und du nimmst ihm einfach alles ab, ohne es wirklich anzuzweifeln. Da es bei unserem Iconoclast-Konzept vorrangig darum geht, Dinge zu hinterfragen, hat die DVD sehr gut gepasst.
Selbst die Live-Mitschnitte sind, streng genommen, Teil des Konzeptes. Aber das machen alle Bands so. Deswegen war das nicht so speziell: Jede Band versucht sich, so gut wie möglich in Szene zu setzen. Live-DVD’s kommen ja nicht sofort nach der gefilmten Show sofort unbearbeitet in den Handel. Da wird noch am Sound herum geschraubt und die Bilder so geschnitten, dass alles möglichst gut rüberkommt. Wenn man es genau betrachtet ist das alles eine Täuschung. Es werden quasi Illusionen geschaffen…hehehe.
Wozu eigentlich diese ganze Trilogie? Was wolltet ihr als großes Konzept vermitteln, was ihr nicht schon auf euren vorigen Alben vermittelt habt?
Als wir mit dem ersten Teil begonnen haben wussten wir nicht, wie viele Teile es am Ende werden und auch jetzt können wir nichts ausschließen. Es ist richtig, dass wir auch schon früher Texte in diese Richtung hatten, aber im Rahmen des Konzeptes wurde dem einfach mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Das war also eine ganz pragmatische Entscheidung und jeder einzelne Song wurde dadurch noch mal extra hervorgehoben.
Auch wenn gerade die Metal-Presse viel über euch schreibt habt ihr ja die Hardcore-Szene nie ganz verlassen, ja zumindest dieses mündige und politisch bewusste beibehalten. Mittlerweile spielt ihr aber nicht mehr in ganz kleinen Clubs und verteilt Singalongs, sondern stürmt – wie auf „Bildersturm“ – die ganz ganz großen Bühnen. Eine Entwicklung, der man hinterher trauern, oder die man feiern sollte?
Na gut, wer soll auch sonst über uns schreiben? Das ist schon seit vielen Jahren so und eine explizite Hardcore-Presse habe ich, bis jetzt, noch nicht wahrgenommen. Die Zeit der vielen kleinen Zines war in den 90ern und das ist größtenteils vorbei. Zumindest im Zusammenhang mit der Musik ist das einfach so. Musikalisch sind wir nun mal für Hefte wie das OX weniger relevant. Das können wir ja nun nicht ändern.
Das mit den kleinen Clubs ist ein Blödsinn, der immer wieder mal gerne weiter verbreitet wird.
Wir spielen durchaus kleine Shows. Allerdings spielen wir generell nicht mehr alles, was wir angeboten bekommen. Einmal weil die Zeit einfach fehlt bzw. weil wir so schon – auch ohne viele Shows - ziemlich präsent sind und zum anderen weil wir selbst auch nur spielen, wenn wir Lust haben.
Wenn man schon von der (Underground-) Szene redet, dann sollte man sich vielleicht lieber selbst fragen, warum man von den kleinen Shows, die HSB ohne große Werbung spielen, nichts mitbekommt. Vielleicht hängt es auch einfach daran, dass es diese Verbindungen gar nicht mehr so gibt.
Apropos Hardcore-Szene: Wie stark seid ihr da eigentlich noch involviert? Verfolgt ihr da das Geschehen? Oder hört ihr überhaupt sowas noch? Stilistisch habt ihr in der Hinsicht ja mit euren letzten Alben eher abgebaut, die Hardcore-Elemente nach und nach vom Bord geworfen.
Ich persönlich höre fast nur Bands, die ich auch schon vor 15 oder 20 Jahren gehört habe. Da hat sich nichts geändert. Ich lebe auch noch nach den Idealen, die ich schon ewig mit mir rumschleppe.
Es hört sich vielleicht ausgelutscht an, aber gerade die Hardcore-Szene scheint mir relativ schnelllebig geworden zu sein. Bands tauchen auf und verschwinden genauso schnell wieder. Das ist eben auch irgendwo ein Spiegelbild der Gesellschaft.
Ich würde es mal so sagen: Wir sind teilweise in der 90er-Hardcore-Szene aufgewachsen und haben dort auch immer noch unsere Bezugspunkte. Ob das nun alte Bands oder alte Freunde sind. Hardcore lässt sich eh nicht über den Stil definieren. Musikalisch hatten wir noch nie viele Hardcore-Einflüsse und wenn dann kamen die von den eher Metal-beeinflussten Hardcorebands. Es war eher die ganze Gemeinschaft, die uns irgendwo geformt hat. Es gibt auch heute noch viele integere Bands wie Final Prayer, Teamkiller, Something Inside, The Truth, The Ice und noch tausend andere, die eher traditionellen HC spielen, aber das sind alles Leute, die schon ewig dabei sind. Dazu haben wir auch einen Bezug. Wenn ich irgendwo komplett neue Bands mit komplett neuen Leuten sehe, tue ich mich aber wirklich etwas schwer. Das ist nicht böse gemeint, liegt aber vielleicht in der Natur des Menschen, so zu reagieren.
Ihr seid ja textlich eine recht politische Band. In dem Zusammenhang würde mich – anlässlich der derzeit ja stark diskutierten Wahlen bei uns in NRW – interessieren wen ihr eigentlich so grundsätzlich wählen geht, und wie eure Meinung generell zur politischen Lage in Deutschland ist!
Na wir haben doch ein Wahlgeheimnis und daran halte ich mich als guter Staatsbürger auch. ;)
Ich glaube bei uns gibt es keine Konsens-Partei und deswegen werde ich hier im Namen von HSB auch nichts nennen. Alles, was links von der Mitte ist, ist aber für uns generell wählbar. Ich kann zwar zu NRW nicht viel sagen und die Landespolitik muss ja nicht immer allzu viel mit der Bundespolitik zu tun haben, aber das Ende von Schwarz-Gelb ist kein so schlechtes Ergebnis. Klar, bei den Grünen und der SPD gibt es auch genügend Flachzangen und Opportunisten, aber zumindest könnte etwas besser werden. Wenn übrigens einer wie Rüttgers, der früher auch schon durch fremdenfeindliches Blabla aufgefallen ist, seinen Hut nehmen muss, ist das nur recht so.
Ansonsten ist die politische Lage in Deutschland ein zu weites Feld, als dass man da jetzt irgendwo anfangen kann. Das ist nicht möglich.
Was mit halt in den letzten Wochen übel aufgestoßen ist, ist die mediale Hetzkampagne gegen Griechenland. Die deutsche Regierung hat sich da vornehm mit Aufklärungsarbeit zurückgehalten und zugesehen, wie die BILD-Zeitung, FOCUS oder anderer reaktionärer Dreck Ressentiments geschürt haben. Richtig schlucken musste ich dann, als Merkel meinte, dass zukünftig härter gegen Länder vorgegangen werden muss, die gegen den Stabilitätspakt verstoßen. Als ob Deutschland da immer astreine Zahlen vorweisen konnte…
An Deutschland nervt mich einfach am meisten diese Überheblichkeit. Der Schritt zum Nationalismus ist bei einigen schlichten Gemütern dann nicht mehr weit und in unseren Zeiten, mit der wirtschaftlichen Lage, ist das eben gefährlich.