INTERVIEW MIT LORD OF THE LOST AM 27.12.2016 IN WÜRZBURG
Bei der Eisheiligen Nacht in Würzburg durfte ich Chris “The Lord” Harms von der Band LORD OF THE LOST interviewen. Warum das Touren für ihn Urlaub bedeutet, was er Newcomerbands empfiehlt und was LORD OF THE LOST mit SCOOTER zu tun haben, erfahrt ihr hier.
Eure Tour mit SUBWAY TO SALLY, ELUVEITIE und VROUDENSPÎL begann am 16.12. in Gießen und endet am 30.12. in Potsdam. Wie lief die bisherige Tour im Allgemeinen für euch?
Chris: Man könnte sagen, dass die Tour bisher wie erwartet verlief. Wir waren bereits vor drei Jahren schon einmal auf der Eisheiligen Nacht mit SUBWAY TO SALLY unterwegs. Das fühlt sich ein bisschen wie zuhause sein an. Wir fühlen uns sehr willkommen, fast schon ein wenig wie in einer Familie. Dieses Mal ist es eigentlich noch schöner, weil wir ja bereits wissen, was uns erwartet. Dementsprechend können wir uns auch sehr auf die Locations freuen. Natürlich merken wir nach diesen drei Jahren auch, was passiert ist: Das Publikum reagiert häufig schon anders auf uns, weil man uns besser kennt. Das ist wirklich toll. Natürlich gibt es auch immer ein paar gelangweilte Gesichter in der ersten Reihe, die dann SMS schreiben, weil sie auf ELUVEITIE warten. Das gibt es ja aber immer auf solchen Festivals, von daher ist das schon in Ordnung.
Wie kam damals eure Zusammenarbeit mit SUBWAY TO SALLY zustande?
Chris: Darüber habe ich tatsächlich gestern mit Bodenski im Vollrausch philosophiert. Wir hatten damals zusammen auf einem M‘era Luna gespielt, das Jahr weiß ich nicht mehr so genau. Dort bin ich den Jungs begegnet und wir kamen ins Gespräch. Wir hatten zufälligerweise auch die gleiche Booking-Agentur. Von daher gab es auf der einen Seite persönliches Interesse, auf der anderen Seite ging es dann auch ums Geschäftliche. Mittlerweile sind wir große SUBWAY TO SALLY-Fans, obwohl wir sie damals wegen den Mittelalter-Dudelsack-Geschichten gar nicht so toll fanden. Als ihre Platte „MitGift“ 2014 herauskam, wendete sich das Blatt allerdings gewaltig.
Apropos „Vollrausch“: Wie sieht denn euer Touralltag im Allgemeinen aus?
Chris: Auf Tour funktioniert das natürlich nicht, sich jeden Abend komplett die Kante zu geben. Dass alles so seine Grenzen hat, haben wir gerade bei der Europa-Tour diesen Sommer gemerkt. Ich denke, dass jeder von uns mittlerweile ein Level gefunden hat, wie er mit Alkohol umzugehen hat. Da gerade ich ein Mensch bin, der zuhause gar nicht trinkt und nur selten weggeht – obwohl ich absurderweise auf St. Pauli lebe, vielleicht ja auch gerade deshalb – ist die Tour für mich tatsächlich Urlaub und Freizeit. Wir haben eine wunderbare Crew, die alles für uns macht, dementsprechend haben wir etwas weniger Verantwortung zu tragen. Ich kann auf Tour so lange schlafen, wie ich möchte und mehr oder minder tun, was ich will. Wenn ich nach Hause komme, beginnt die eigentliche Arbeit für mich: Ich habe mein Studio zu führen, bin Papa, muss Geld verdienen und Visionen für LORD OF THE LOST entwickeln. Eine Band ist natürlich kein Selbstläufer, sondern auch nach vielen Jahren noch harte Arbeit.
Kommen wir zu eurem aktuellen Album „Empyrean“. Bei meiner Recherche bin ich darauf gestoßen, dass es etwas mit der Suche nach einer perfekten Welt zu tun hat. Liege ich hiermit richtig?
Chris: Wir wissen selbst nicht genau, was es bedeutet. Was du gerade meintest, ist tatsächlich unser eigener Ansatz. Das „Empyreum“ ist in verschiedenen Mythologien auch unter verschiedenen Ansätzen vorhanden. Von der altgriechischen hin zu christlichen Mythologie ist alles vertreten. Reinigung durch absolute Energie, siebter Himmel, wie man es auch betiteln möchte. Für mich beschreibt es eine Art Exodus: Die Menschheit sucht nach der kompletten Weltzerstörung nach etwas Neuem. Jeder, und damit auch jeder Nicht-Gläubige, strebt ja nach einer Erfüllung – nach etwas, das in seinen Augen perfekt ist. Und wenn es nur in einem selbst ist, ein Ort, an dem man Frieden findet. Das Wort an sich ist auch phonetisch sehr schön. Würde es nun beispielsweise „Popokatepetel“ heißen, hätten wir die Platte wohl nicht so benannt. Beim Buchstaben „Y“ vom „Empyrean“ hatte ich auch sofort die Rauten im Kopf, die ich für das Albumcover gestaltete. Gefällt mir ganz gut soweit.
Vom Wortklang her ist „Empyrean“ möglicherweise auch an das Wort „Empire“ angelehnt.
Chris: Genau, das war ebenso ein Hintergedanke dazu.
Wenn man die Platte an sich betrachtet, merkt man, dass ihr musikalisch sehr wandelbar seid. Vergleicht man beispielsweise die Songs „In Silence“ und „Interstellar Wars“ miteinander, stoßen zwei komplett unterschiedliche Stilrichtungen aufeinander: Düsterer Elektro auf der einen Seite und melancholischer Metal auf der anderen. Zu „In Silence“ gibt es auch ein Musikvideo. Was hat es mit diesem Video in Verknüpfung mit dem Text auf sich?
Chris: Das würde ich sehr gerne komplett offenlassen, weil ich persönlichen Spielraum schön finde. Wir haben auch unsere Fans auf Facebook gefragt, was sie sich darunter vorstellen. Dabei kamen ganz verschiedene Interpretationsansätze heraus. Auch ich selbst habe dafür keinen komplett festgelegten Ansatz. Ich mag es, wenn man eine Art Tür aufgestoßen bekommt und seinen eigenen Weg durchs Labyrinth gehen muss. Ganz allgemein gesehen geht es darum, Frieden zu finden. Trotz der Härte des Songs löst er sich am Ende trotzdem fast schon positiv auf. Die Freiheit des Rezipienten steht hierbei absolut und gewollt im Vordergrund.
Ich kann mir vorstellen, dass das nicht bei all euren Songs der Fall ist, Stichwort Wandelbarkeit.
Chris: Da hast du recht. Es gibt natürlich auch Songs mit einer klaren Message. Auf der anderen Seite gibt es auch Lieder komplett ohne tiefergehenden Hintergrund. Nehmen wir „La Bomba“ als Paradebeispiel: Das ist im Prinzip Nonsens in Worte verpackt. Es geht um das Grundgefühl, eine gute Zeit zu haben. Könnte wohl auch ein Song von DEICHKIND sein. Vergleicht man das mit dem Song „Letters To Home“, findet man hier eine ganz nachvollziehbare Geschichte, fast ein Filmdrehbuch. Dort gibt es kaum Interpretationsraum für den Zuhörer. Inspiration kommt von überallher. Rein instrumental driften die Songs manchmal sonstwohin, durch meine Vocals wird die jeweilige Platte doch wieder zu einem großen Ganzen abgerundet. Nimmt man „Doomsday Disco“ als Beispiel, fließen hierbei sehr viele technoide Elemente ein, könnte quasi auch ein Intro von SCOOTER sein. Völlig absurd manchmal.
Das ist natürlich ein Grund dafür, dass ihr nur schwer einem Genre zugeordnet werden könnt. Muss natürlich auch nicht sein. Wie wichtig ist euch allgemein ein gewisser Wiedererkennungswert, sei es musikalisch oder auch vom äußerlichen Auftreten her?
Chris: Ich glaube, dass uns das fast komplett egal ist. Wir haben jedenfalls keine Lust darauf, uns selbst zu kopieren. Das kann leider schnell passieren. Es gibt allerdings andere Instanzen, die einem Tipps geben, einen gewissen Wiedererkennungswert zu haben. Unser Label tritt beispielsweise an uns heran und schlägt eine bestimmte Songanordnung oder eine bestimmte Musikvideoauskopplung vor. Es kommt allerdings durchaus vor, dass wir ab und an ganz bewusst damit spielen, nicht sofort wiedererkannt zu werden. Somit bieten wir den Fans auch Abwechslung.
Das war der musikalische Aspekt. Wie sieht es mit eurem Auftreten aus, Thema Schminke?
Chris: Was unsere Schminke angeht, variiert das oft sehr stark – obwohl es immer dieselben Hände sind, die die Striche malen. Wir haben extremere aber auch sanftere Phasen. Momentan sind wir sehr graphisch und total übertrieben unterwegs, das macht auch Spaß. Es gibt aber auch Situationen auf größeren Festivals, bei denen wir im Vorfeld planen, wie wir aussehen. Klaas ist sehr optikaffin und skizziert dann gerne einmal die ein oder andere Maske. Ansonsten ist es ein sehr lustiges Ritual vor einer Show: Einer fängt an, sich zu bemalen, der andere kuckt zu und macht mit. In Polen gab es zum Beispiel eine lustige Situation: Wir waren zu viert in einem Raum, unser Make-Up beinhaltete sehr viel Rot und Schwarz. Unser Drummer Tobi war in diesem Moment in einem anderen Zimmer. Als er herauskam, war er komplett grün geschminkt. Da sieht man einmal, wie Gruppendynamik funktioniert. Wenn einer fehlt, ist das meistens kacke.
Denkt ein paar Jahre zurück. Was würdet ihr einer Newcomerband, die gerade loslegt, empfehlen wollen?
Chris: Lernt etwas Richtiges. Wenn das nicht funktioniert: Durchhalten. Man sollte nicht den Fehler begehen und sich nach dem ersten Erfolg zurücklehnen. Viele Bands produzieren ihre erste Platte, stecken sämtliche Energie hinein und gehen damit zum Beispiel auf Tour. Dann vergeht die Zeit und nichts passiert. Plötzlich gibt es Interesse von einem Label, das ein neues Album möchte, die Bands haben allerdings noch gar nicht weiter an neuen Songs geschrieben. Das ist natürlich nicht Sinn der Sache. Wichtig ist es, am Anfang wirklich abzuliefern und im 12- oder 14-monatigen Rhythmus etwas herauszubringen. Selbst wenn man die Chance hatte, auf einem größeren Festival zu spielen, darf man nicht denken, dass die Leute alle wegen der eigenen Band kommen. Manchmal sind es tatsächlich nur zehn Fans, den Rest gewinnt man durch Glück oder reinen Zufall als Zuschauer. Das gaukelt einem Erfolg vor, der tatsächlich noch nicht da ist. Auf Schlafmangel sollte man sich ebenso einstellen, wenn man eine Band großziehen will.
Was darf man kommendes Jahr noch von euch erwarten?
Chris: Ich fahre an die Ostsee in den Urlaub. Wir haben alle Geburtstag nächstes Jahr, Weihnachten kommt auch wieder. Ansonsten werden wir eine Tour im Frühjahr machen, vielleicht auch noch eine Klassiktour am Jahresende spielen. Habe ich schon gesagt, dass wir Geburtstag haben? Jeder einmal. Gared Dirge wird sich eine Glatze schneiden und ein Soloprojekt unter dem Namen „Gared Dirge & Friends“ starten. Er wird alleine auf der Bühne stehen, wie der Name schon sagt. Mal sehen, vielleicht fällt uns noch ein blöder Cover-Hit ein, den wir aufnehmen werden. „Backstreet’s Back“ oder sowas. Ansonsten könnten wir uns auch einmal selbst covern, wer weiß.
Auf das Boyband-Cover freue ich mich dann besonders. Vielen Dank fürs Interview!
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