Interview mit Nothington

09.09.2011
 

 




Die Bay Area vor gut fünf Jahren: TSUNAMI BOMB sind Geschichte, die Geburtsurkunde von Gitarrist und Sänger Jay schmückt aber noch immer ein nicht unwesentlicher Schreibfehler. Was mit Akustikgitarre als Soloprojekt startet, trägt mit „All In“ 2007 bereits dicke und saftige Früchte.
„Es ist von Anfang an alles irgendwie auf Freundschaft aufgebaut. Egal was wir machen, wie und mit wem wir es machen – immer sind nur gute Freunde involviert, die dafür sorgen, dass NOTHINGTON am Leben bleiben. Frag nicht, worauf diese Band basiert oder wie es mit dem Schicksal um uns steht... NOTHINGTON dürften mittlerweile um die vierzehn Bandmitglieder haben. Damit haben wir sogar bald unsere Kumpels von OFF WITH THEIR HEADS eingeholt! Wir sind froh, mit Ryan von SPANISH GAMBLE und unserem Kumpel Eric am Schlagzeug zwei neue und mehr als fähige Freunde auf dieser Tour untergebracht zu haben. Viel bieten können wir als Punkrockband nicht, haben nicht ohne Ende Geld, aber irgendwie geht es am Ende immer glatt.“




Borrowed Time

Dies tut es offensichtlich, denn mit „Borrowed Time“ erscheint das dritte Album der Band, die nach ersten Probeversuchen im Herbst 2006 in Petaluma, Kalifornien zusammenfand. Von Sekunde eins an wussten Jay und Chris die Zeit, die NOTHINTON beanspruchen würde zu schätzen und bauen die Band auch heute mit immer neuen Herausforderungen und täglichen Überraschungen auf gefühlt geborgten Minuten und Tagen auf.
„Sei es, dass unser Tourvan Feuer fängt oder ich mir vorgestern den kompletten Fuß aufschneide. Wären diese Dinge zu Hause passiert, hätten wir wahrscheinlich direkt den Löffel abgeben können – aber ein weiteres Mal treffen uns die Umstände mit guten Absichten und wir kommen weiter. In den Staaten wäre ich niemals an einen Arzt geraten, der mich gratis versorgt – oder hätte mit Flo vom Ramones-Museum in Berlin eine helfende Hand beim Versorgen meiner Wunde gehabt. Die Zeiten sind beschissen und als Teil einer tourenden Band lebt es sich nicht leicht.“ Die Jobsituation zu Hause ist sicher kein Zuckerschlecken. Trotzdem hat Neuzugang Eric seinen sicheren Arbeitsplatz an den Nagel gehängt und begibt sich mit Chris, Jay und Ryan auf 3-monatige Tour. Ständige Wegbegleiter sind dabei eher „Borrowed Money“ als nur der zeitliche Rahmen. „Bei den explodierenden Spritpreisen und der Situation der Plattenindustrie an sich glaube ich nicht, dass es viele kleine Bands auf Dauer schaffen werden, ihr Leben durch die Musik zu bestreiten“ meint Chris. „Es ist wie eine Art Charity-Arbeit, die man nicht vergütet bekommt. Zumindest nicht finanziell. Man schuftet sich den Arsch ab und spart zu Hause all sein Geld, um es anschließend auf Tour wieder ausgeben zu müssen. Das ist keine einfache Art, eine Band am Leben zu erhalten.“

„There´s No Confidence, There´s No Time For This...“

Auf dem neuen Album ziehen sich Songs wie „The Escapist“ mit dem typischen dreckigen Drive neben melancholischen Tönen bei „End Of The Day“ gegenseitig nach oben, dennoch ist „Borrowed Time“ weder ein Konzeptalbum, noch verfolgen NOTHINGTON auf ihrem Drittwerk eine bestimmte textliche Linie. „Wir stecken den ganzen Scheiß, der uns tagtäglich umgibt, in unsere Songs und versuchen so, die Dinge zu verarbeiten.“ Mal sind es bestimmte Ereignisse oder auch persönliche Erfahrungen wie z.B. in „St. Andrews Hall“, einem Venue in Detroit, welches Jay schon seit Jahren besingen will. „Es gab da diesen einen Tag, an dem zu viel wirres Zeug passiert ist, um es detailliert wiederzugeben. It´s been a very personal thing. Ich fühlte einfach, dass ich einen Song darüber schreiben musste“. Weiter treffen im Universum aus der Feder von Chris und Jay traurige oder wütende Lyrics auf gepfefferte Akkorde - oder andersherum.
„Es gibt keine bestimmte Art und Weise, wie unsere Songs entstehen. Alles beruht auf einer Art Eingebung – es strömt einfach heraus. Wenn Du anfängst, an einem Song zu arbeiten, gibt es diesen bestimmten Zeitpunkt ab dem das Lied zu leben beginnt und sich langsam sich selbst annimmt. Was die Texte angeht: Es sind einfach wir selbst. Unsere Leben, gespickt mit Verlust oder Besserung - und auf diesem Album vielleicht etwas düsterer oder depressiver. Allerdings gibt es weiterhin „Jay“- und „Chris“-Songs!“



Wieder fanden die Jungs den Weg in die Pop Smear Studios in San Francisco, zu denen ihnen Betreiber und Freund Scott auch mal über Nacht die Schlüssel überlies, damit „Borrowed Time“ budgetgemäß erfolgreich abgeschlossen werden konnte. „Auch hier waren wir wieder auf das „Freundschaftsding“ angewiesen: Wir konnten teils unsere eigenen Spuren von zu Hause mit ins Studio bringen und dort ausarbeiten. Diese Band funktioniert in jeder Hinsicht nur mit den vielen Leuten, die uns ständig unter die Arme greifen“ erklärt Chris mit ernsthafter Mine.



Vom alten Labelpartner BYO löst man sich mit „Borrowed Time“ und wendet sich vertrauensvoll an Toby Jeg und RED SCARE INDUSTRIES. „Toby ist ein Spitzentyp, der früher bei Fat Wreck Chords schon Großes geleistet hat. Er weiß, wie moderne Absatzwege funktionieren und ist im Gegensatz zu BYO sehr in das aktuelle Labelgeschehen involviert. Wir sind sicher, er wird 100% geben und wir hoffen, dass sich seine Arbeit lohnt und den Leuten unsere neuen Songs mögen.“

Not Looking Down

NOTHINGTON gehen demnach weiter auf direktem Weg und mit erhobenem Haupt den immer breiter werdenden Pfad, an dessen Rändern sich Jay´s Südstaateneinflüsse wie z.B. Country aber auch Chris´ Kinderstube, die Bay Area um den guten alten East Bay Punkrock befinden. Mit diesem wichtigen Haufen Freunde, mittlerweile auch in Europa und Deutschland, sind sie sicher, dass NOTHINGTON am Ball bleiben wird. „Anfangs dachte ich, ich könnte das alleine durchziehen und alles in die richtige Richtung bewegen, aber heute wäre nichts ohne Chris“ gibt Jay zu. „Wir treffen uns mit Akustikgitarren am Strand und daddeln um - ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, ohne Chris Songs zu schreiben“.