Interview mit Ox Fanzine

19.04.2009
 

 

Hallo Joachim, wie geht es dir?

Wieder gut. Das Festival war doch etwas, äh, anstrengend ...

Wie lief das Ox-Festival am Samstag ?

Großartig! An die 800 Leute haben bis in die frühen Morgenstunden gefeiert: KICK JONESES waren klasse, BOXHAMSTERS mal wieder mitreißend, EA80 spielten auf unseren Wunsch hin alle Hits, und SPERMBIRDS zeigten, wie Hardcore richtig geht - es hat wirklich alles gepasst an diesem Abend.

Bist du zufrieden mit allem?

Mit meinem Leben? Durchaus. Mit dem Zustand der Welt? Nein.

Bekommst du viele Resonanzen rein von anderen Magazinen oder Medienpartnern wg. dem Jubiläum?

Nur von ein paar Guten wie euch und ein paar freien Radiosendern. Vor fünf Jahren zu unserer 50. Ausgabe war da mehr Resonanz, und ich fürchte, das liegt unter anderem auch daran, dass die Situation in der Branche so angespannt ist, dass der eine dem anderen die Butter auf dem Brot nicht mehr gönnt.

Erzähl mir doch etwas über das Ox, dich und den Weg den ihr zusammen gegangen seid? Wie war das als du dich entschlossen hast mit einem Magazin deine Brötchen zu verdienen. Was sagten deine Eltern, das Umfeld, etc.?

Ich hab das Ox zu Zivi-Zeiten gegründet, hatte da viel Zeit, und dann während des Studiums kontinuierlich daran weitergearbeitet. 1996/97 war ich dann an dem Punkt, an dem ich mich entscheiden musste, was ordentliches zu machen oder das Studium zu beenden - und so habe ich mich fürs Ox entschieden. Da meine Mutter in Süddeutschland lebt (ich damals in Essen), bekam die nie mit, was ich eigentlich gemacht habe, und so richtig verstanden, was ich da mache, hat sie glaube ich bis heute nicht. Aber immerhin, sie hat mich bis zu dem Punkt, wo das Ox dann dier Miete und alles andere bezahlt hat, immer unterstützt. Außerdem war das nie ein Entschluss von heute auf morgen, ich bin in die Selbständigkeit eben so reingerutscht. Und jetzt hänge ich da, haha. Aber ich sage immer: Es gibt schlimmere Schicksale.

Was denkst du ist der Hauptgrund dafür, dass es das Ox noch immer gibt?

Meine Starrsinnigkeit! Ich habe so viele Leute kommen und gehen sehen, die mit riesigem Trara und unglaublichem Anspruch gestartet sind, für die Punk und Hardcore das Wichtigste im Leben war und die auch immer gerne gegen das Ox gewettert haben, doch die sind heute längst wieder verschwunden – das bürgerliche Leben war dann doch spannender ... Ansonsten müsste man wohl unsere Leser fragen, warum die dem Ox immer noch die Treue halten, irgendwas scheinen wir ja zu haben, was das Ox auch nach 20 Jahren und unter vielen "Konkurrenten", trotz unzähliger Webzines noch interessant macht. Vielleicht hat es damit was zu tun, dass alle, die für das Ox schreiben, das aus Begeisterung für die Musik, für die Bands machen?

Wenn man das Ox so liest fällt auf, dass es im Vergleich zu anderen Musik-Magazinen verdammt viele CD-Reviews abdruckt. Sortiert ihr nicht aus?

Oh doch, ohne Ende! Aber wir decken eben ein sehr breites Spektrum aus und haben zudem den Anspruch, auch umfassend zu dokumentieren. Wozu das Aussortieren führt, sieht man ja an den großen Print-Magazinen: Die ignorieren so viele coole Releases, dass das wirklich Ignoranz ist. Und kleine Labels gaben haben da nur selten ein Chance, berücksichtigt zu werden.

Alle Artikel werden deutlich aus der Ich-Perspektive geschrieben. War es dir wichtig, immer den Fanzine Charakter zu bewahren?

Klar, denn darum geht es doch: Man ist Fan, man berichtet, man bringt seine Meinung zum Ausdruck. Leider ist das vielfach verloren gegangen, da wird dann nur nch stumpf aus dem Presseinfo zitiert und kopiert, aber das hat ja nicht mit Musikjournalismus zu tun. Irgendein Cretin hat in irgendeinem Forum mal geschrieben, im Ox wäre ihm zu viel Meinung drin - wir haben stundenlang über diesen Einfaltspinsel gelacht.

Du achtest sehr darauf, dass keine bzw. wenige Major Label Themen ins Heft kommen. Wie funktioniert das für ein Musik-Heft welches tatsächlich fast überall erhältlich ist? Und stößt du da nicht auf viel Kritik?

Ich sag mal so: Major oder nicht ist nicht das wirkliche Kriterium, aber Fakt ist, dass die interessantesten Bands meist auf Indies zu finden sind. Früher waren wir da sicher dogmatischer, heute entscheiden wir da etwas mehr aus dem Bauch raus - eine gute Band ist eine gute Band, unabhängig vom Label – und morgen sind sie, siehe etwa ANTI-FLAG, ja eh wieder bei einem Indie ... Kritik? Im Zweifelsfall wird ja eher hintenrum gemeckert, aber an sich wird unsere Underground-Verbundenheit sehr geschätzt. Das Problem sind eher ein paar der ganz großen Indie-Labels aus dem Metal-Bereich, die sich schlimmer aufführen als jeder Major.

Wie stehst du zur Käuflichkeit von Artikeln, Kollaborationen mit Labels etc. um möglichst exklusiv zu sein etc.

Wir machen, was wir wollen, und wenn wir was nicht wollen, hilft da auch keine Anzeige weiter. Ansonsten ist das Business heute versauter denn je zuvor, und das Schlimmste sind all die Leute, die denken, es sei immer alles überall umsonst, die viel Geld für Promotion verballern, aber nicht verstehen, dass ein Heft nur durch Anzeigen überleben kann. Ja, es wird nicht einfacher.

Wenn ich das so sagen darf, ich denke du bist ein ziemlich lässiger Typ, jedoch einer der auch zu seinen Prinzipien steht. Ist es schwer ein Fanzine wie das Ox neben den großen der schreibenden Zunft im Kiosk zu platzieren und dort einen Platz zu markieren? Bzw. war das schwer?

Ich denke da ehrlich gesagt nicht wirklich drüber nach. Wichtig ist nur, sein Ding zu machen. Und ja, das kann manchmal auch schwer sein, wenn man das Gefühl hat, von immer mehr Opportunisten umgeben zu sein.

Du sagst selbst, ohne Anzeigen überlebt kein Heft. Mit Loyalität aber auch nicht. Wie schaffst du es diesen Spagat zu halten? Gerade im Bezug auf die Konkurrenz ?

Man fängt mit jedem Heft wieder bei Null an, und irgendwie klappt es jedesmal aufs Neue. Auch da kann ich nur sagen: Ich reflektiere das nicht wirklich, mache einfach, was ich für richtig halte.

Gab es schon Punkte, an denen du dachtest nun sei es aus mit dem Ox?

Zum Glück noch nie.

Wie viele Leute sitzen in der Ox-Redaktion? Wieviele schreiben als freie Autoren?

Im Büro sitzen je nach Wochentag zwei bis fünf Leute – ich, Praktikant/in, seut neuestem der Azubi, und wer eben noch "Dienst" hat. Die Freien siten brav zuhause, und mit unterschiedlicher Intensität sind das so ca. 50 Leute.

Fühlst du da eine besondere Verantwortung in Zeiten wie diesen?

Ach, es geht immer irgendwie weiter. Und wir haben ja noch die ein oder andere neue Idee im Hinterkopf ...

Verrätst du sie?

Unter uns: Jetzt noch nicht, aber in 2-3 Wochen sollte da was zu sehen sein.

In einem Review zu DEFEATER's "Travels" schreibst du "Downloads sind für Dumme". Ist ja klar, dass ich nun auf eine Internet-Musikindustrie-Diskussion ansetze. Wie siehst du das?
Ist das Internet und die Musik vielleicht eine Sache, die so gar nicht zusammen passen will? Schon gar nicht bei Leuten, die noch bei der Erfindung der CD dabei waren?


Wer verdient an Downloads? Vor allem Großkonzerne! Aber das stört Leute nicht, die bei Amazon, MediaMarkt und Saturn kaufen, schätze ich. Und was verkaufst du auf dem Flohmarkt, wenn du irgendwann mal keinen Hardcore mehr hörst? Bits und Bytes? Das Internet ist eine wundervolle Sache, aber eben nur für manche Aspekte des Lebens. Ich will nicht auf meine gedruckte Tageszeitung verzichten, Vinyl ist wundervoll, ebenso eine schön aufgemachte CD, und minderwertige mp3-Dateien zum gleichen Preis zu akzeptieren ist einfach nur dumm. Ganz zu schweigen von Menschen, die sich Platten von coolen Indie-Labels via PirateBay etc. laden und nicht kapieren, dass sie damit zerstören, was sie zu lieben vorgeben.

Okay Joachim, was viele sicher nicht wissen ist, dass das Fuze eigentlich nur aus dem Ox entstanden ist.
Wie kommt es, dass ihr nochmal eine Art Ableger veröffentlicht?


Die Geschichte geht ganz einfach: Thomas Renz, der das Fuze macht, war seinerzeit Praktikant beim Ox. Leider hat er eines Tages diese riesige, alte chinesische Vase in der Eingangshalle umgeworfen, und ich stellte ihn dann vor die Wahl entweder bis zum Ende seines Lebens für den Schaden arbeiten zu gehen, oder für freie Kost und Logis - ich wusste sowieso nicht, was ich mit dieser alten Gartenhütte anstellen sollte - dieses neue Heft aufzubauen. Er war jung, hatte kein Geld, und so bekam ich einen neuen "Untermieter". Zuvor war mir nämlich die Idee gekommen, mit dem Fuze ein zweites Heft zu starten, das zum einen umsonst abgegeben wird, zum anderen eine etwas andere Leserschaft anspricht als das Ox. Ich bezeichne das vom Fuze abgedeckte Spektrum immer als "die neueren Spielarten von Hardcore". Warum das nicht im Rahmen des Ox stattfindet? Das Ox ist schon breit gefächert, und da wir mit dem Fuze aber auch eher ins Detail gehen wollten, machte es keinen Sinn, das altbekannte Heft umzukrempeln - sowas verzeihen Leser nie. Also das neue Heft mit neuem Konzept. Ansonsten gilt: Das Fuze istvöllig unabhängig vom Ox, Thomas macht da, was er will, ich rede ihm nicht in die Arbeit rein, aber stehe ihm mit Rat und Tat zur Seite und kümmere mich um viel Arbeit im Hintergrund. Es sind also zwei unabhängige Hefte, das Wort "Ableger" mag ich nicht so gerne.

Ok, Joachim, war auch nicht böse gemeint.
Im Musik-Genre hört man ja oft die legendärsten Geschichten. Welche Geschichte aus deiner Ox-Laufbahn würdest du als Legendär einstufen?


Legendäre Geschichten? Puh, ich fürchte, mein Metier ist unspektakulärer, als das gemeinhin dargestellt wird. Abgesehen davon bin ich auch nicht der Typ, der es für unglaublich rocknrollig hält, ständig wilde Partys zu feiern. Sollen sich also andere Leute ihre Nasenscheidewände mit weißem Pulver ruinieren oder die Leber mittels Kräuterschnaps, dem Crack des RnR-Prekariats zerschießen, ich halte mich da raus. Immer wieder beeindruckend finde ich die langjährigen, guten Freundschaften mit Menschen aus der Szene, denn die Chance, dass man allenthalben und weltweit auf Leute stößt, mit denen man die gleichen Werte und Ideen teilt, ist im Punk und Hardcore doch sehr groß.

Ok, das war es soweit. Hast du abschließend noch etwas zu sagen?

Abschließende Worte? Hört euch "Only a phase" von den SPERMBIRDS an und lest den Text aufmerksam durch. Danke für eure Aufmerksamkeit.