- Hi Jake. Danke erstmal, dass du dieses Interview mi tuns machst. Könntest du dich und dein Label erstmal vorstellen?
Hallo. Mein Name ist Jake Round und ich bin Präsident und Gründer von Pure Noise Records.
Jake Round von PURE NOISE RECORDS
- Lass uns von Anfang an beginnen. Was und wer hat deinen Musikgeschmack beeinflusst?
Ich bin schon in einem sehr jungen Alter mit Musik in Verbindung gekommen. In der Grundschule und der Junior High School habe ich der Schulband Trompete gespielt. Als ich in der 6. Klasse war, kaufte ich mir meine allererste CD: “Smash” von THE OFFSPRING. Ich wusste nicht mal, dass das Punkrock war, aber es gefiel mir. Es vergingen dann einige Jahre, bis ich mit dem Skaten anfing und richtig tief eintauchte. Die Skatevideos des Thrasher Magazines waren voll mit Songs von Fat Wreck Chords und Epitaph Bands und ich wurde dann schnell süchtig davon.
- Wann und warum hast du den Plan gefasst, ein Label zu starten?
Ich wusste schon immer, dass ich für mich selbst arbeiten möchte. Für andere Leute zu arbeiten fiel mir schon immer schwer und ich mochte es nicht, dass man mir sagt, was ich zu tun habe, haha. Pure Noise war 2008 anfangs eigentlich eine Booking-Agentur, über die ich meine eigene und ein paar befreundete Bands buchen würde. Ich lernte jedoch schnell, dass Shows buchen nicht so mein Ding war und hatte dann ein paar Freunde, die Hilfe bei der Veröffentlichung einer Platte brauchten. Ich habe mir dann ein wenig Geld von meiner Mutter geliehen, um das Album herauszubringen. Und der Rest ist Geschichte..
- Wie hast du denn angefangen? Ein Label zu starten scheint eine ganz schön große Aufgabe zu sein. Hattest du Partner oder ein Startbudget?
Der einzige Partner, den ich je hatte, war meine Mutter. Sie gab mir am Anfang 10.000$ und in den ersten Jahren musste ich mir hier und da darüber hinaus noch manchmal etwas leihen. Zu dieser Zeit schien das wie eine Riesenstange Geld, aber zurückblickend ist es super zu sehen, wie inwieweit wir dieses Budget dann wieder reingeholt haben. Letztendlich konnte ich meiner Mutter das Geld zurück zahlen. Sie ist immer noch meine Buchhalterin.
SEAHAVEN werden am 20.11.2020 mit "Halo of Hurt" ihr erstes Album seit 6,5 Jahren veröffentlichen.
- NO BRAGGING RIGHTS waren die erste Band, die du herausgebracht hast. Wie groß waren sie zu dieser Zeit? Konntest du dir sicher sein, dass du alle Platten los wirst?
Sie waren überhaupt nicht groß, aber sie haben sich den Arsch abgeschuftet und waren dauernd auf Tour. Ich konnte mir nicht sicher sein, dass sich die Platten verkaufen und es dauerte dan nauch Jahre, bis das Geld wieder raus war. Aber letztendlich klappte das. Ich bin sehr dankbar, dass sie mir diese Chance gegeben haben.
- Würdest du es empfehlen, als erstes Release eine tourende Band herauszubringen, die schon ein bisschen etabliert ist?
Naja, das Problem ist ja, dass du anfangs selbst noch nicht etabliert bist. Du musst also erstmal eine Band finden, die ihr Vertrauen in dich steckt und wiederrum dafür selbst Geld in diese investieren. Es ist definitive wichtig, dass Künstler bereit sind, zu arbeiten, egal ob das nun Online-Promo, Touren, usw. ist.
- Hast du erstmal die erste Platte rausgebracht und dann gewartet, bis du das Geld wieder raus hattest? Was hast du gemacht, damit sie sich besser verkauft?
In unserem ersten Jahr (2009) haben wir das Album von NO BRAGGING RIGHTS im März und die Split von TRANSIT / MAN OVERBOARD im Dezember rausgebracht. Zu dieser Zeit waren unsere Ressourcen sehr begrenzt, weshalb wir nicht viel ins Marketing steckten. Wir legten Flyer in die versendeten Pakete und ich versuchte, die Presse durch E-Mails selbst zu erreichen. Zu dieser Zeit war das sehr boutiqueartig.
Das erste Release von PURE NOISE RECORDS: No Bragging Rights - The Consequence of Dreams (2009)
- War das Label von Anfang an deine Haupteinkommensquelle oder hast du noch andere Jobs gehabt?
Ich würde sagen, dass ich in den ersten vier Jahren überhaupt nichts eingenommen habe. Normalerweise hatte ich zusätzlich zwei Jobs, damit das klappen konnte. Um 2012 herum konnte ich meinen “tagsüber”-Job an den Nagel hängen, aber nachts habe ich noch ein bis zwei Jahre weitergearbeitet. Es war ein langsamer Prozess, aber definitive der richtige Weg, es so zu tun.
- Wie bist du denn mental mit dem finanziellen Risiko umgegangen?
Ich war jung, also glaube ich, dass ich darüber nicht allzu viel nachgedacht habe. Ich war zu dieser Zeit ziemlich furchtlos und habe sehr hart gearbeitet. Ich vermisse oft diese Anfangstage des Labels. Das war spannend und zugleich spaßig.
- Welche Fehler in der Anfangsphase kannst du aus heutiger Sicht sehen?
Ich habe dermaßen viele Fehler gemacht. Ich habe viel zu viel in Platten investiert, die ich geliebt habe, die sich aber nicht verkauft haben. Ich bereue aber nichts und vermisse auch diese Zeit mit dem Label.
- Was sind denn generell klare „Dont’s“ als Labelchef?
Das größte “Do” ist auf jeden Fall: Bezahl deine Bands! Der Papierkram nervt und nimmt viel Zeit in Anspruch und ich bin sehr froh, dass ich dafür früh jemanden angestellt habe, damit wir damit keine Fehler machen. Was “Don’t’s” angeht, würde ich sagen, dass man in erster Linie nicht erwarten sollte, dass die Dinge schnell passieren. Musik ist ein langsamer Prozess und es dauert einige Jahre, einen Katalog aufzubauen, von dem man dann ab irgendeinem Punkt leben und sogar Angestellte bezahlen kann.
- Welche Dinge hättest du gerne früher gewusst? Welche Tipps würdest du heute einem Freund geben, der ein Label starten will?
Zurückblickend wäre ich gerne vorsichtiger gewesen, wenn ich Produkte bestellt habe. Ich habe auf jeden Fall von manchen Alben zu viele CDs und LPs bestellt und bin drauf sitzen geblieben, haha. Der einzige Tipp, den ich jemandem geben würde, der ein Label starten möchte, wäre: Sei dir lieber sehr sicher, dass du die Musik liebst, die du rausbringen willst.
EASTWOOD um den Gitarristen und Sänger Cole Crutchfield (bekannt durch KNOCKED LOOSE) haben in diesem Jahr ihr Debüt über PURE NOISE veröffentlicht.
- Wie hat die Zusammenarbeit mit Partnern auf anderen Kontinenten begonnen?
Als das Label anfing zu wachsen, haben wir mit größeren Distributionen gearbeitet, die in allen Gegenden Büros hatten, also war das ein relativ natürlicher Prozess. Weil Musik heutzutage größtenteils digital konsumiert wird, ist es nicht mehr schwer, sie überall auf der Welt zugänglich zu machen.
- Macht es den Labelstart schwerer oder einfacher, wenn man in einem kulturellen Knotenpunkt wie Los Angeles lebt?
Mit Sicherheit denke ich, dass es wichtig ist, in einer Musik-Stadt zu leben. Wir sind jetzt in Los Angeles, aber das Label hatte seine Anfänge in der San Francisco Bay Area, was nicht traditionell ein musikalischer Hotspot ist. Aber wir haben es trotzdem ans Laufen gekriegt.
- Gab es einen bestimmten Zeitpunkt, an dem du dir gedacht hast: „Okay, jetzt haben wir es mit Pure Noise geschafft.“?
Ich weiß nicht, ob es zwangsweise einen großen Moment gab, aber es gab über die Jahre sicherlich einige gute Momente, als ich mit ein paar der Bands durch die ganze Welt reisen konnte und dabei sehen konnte, wie ihre Musik Anklang findet. Um den finanziellen Aspekt habe ich mir nie so viele Sorgen gemacht. Ich wusste, dass sich das mit dem Geld von alleine klärt, wenn wir Platten rausbringen, die die Leute über Jahre hinweg interessieren könnten.
- Hat es dich überrascht oder hast du es erwartet?
Ich glaube, ich hatte immer geplant, dass es letztendlich klappt. Sonst hätte ich der Sache nicht so viel Zeit und Energie widmen können.
Zur Zeit auch in aller Munde: BEARINGS mit "Hello, It's You" (erscheint ebenfalls am 20.10.2020).
- Ist das Label kontinuierlich gewachsen oder gab es auch Rückschritte?
Glücklicherweise war es über die Jahre ein ziemlich stetiger Zuwachs. In den letzten Jahren wird der jährliche Gewinn immer ein bisschen moderater, aber ich kann mich nicht beschweren.
- Ihr habt ja auch LANDSCAPES aus England unter Vertrag genommen und zwei fantastische LPs mit ihnen rausgebracht. Wie kam der Kontakt zustande und habt ihr noch mehr europäische Bands veröffentlicht?
Mit Hayley Connelly haben wir im Vereinigten Königreich einen wunderbaren Kontakt. Sie hat uns in Kontakt mit der Band gebracht. Wir haben auch noch andere Künstler aus England rausgebracht.
- In den letzten Jahren habt ihr einige „alte Eisen“ raus gebracht, die schon vor 20 Jahren populär waren (LESS THAN JAKE, BOUNCING SOULS, SENSES FAIL). Wie kam das ins Rollen?
Wir sind über die Jahre ein etabliertes Zuhause für Punkrock-Bands geworden. Unsere Infrastruktur ist groß genug, um den Bands weltweit zu helfen, aber wir sind auch klein genug, dass es sich noch nach Spartenmusik anfühlt. Mit diesen Bands verbinden uns großartige Partnerschaften.
Immer noch aktive THPS-Veteranen: LESS THAN JAKE bringen im Dezember mit "Silver Linings" ebenfalls ein neues Album auf den Markt.
- Glaubst du, dass Bands heutzutage noch Labels brauchen, um bekannt zu warden? Durch das Internet können die Leute mehr und mehr ihr eigenes Ding machen.
Bands brauchen vielleicht nicht unbedingt ein Label, um bekannter zu warden, aber viele Bands brauchen ein Investment, was definitive der Job eines Label ist. Wir bieten finanzielle Unterstützung, Marketing, Netzwerke usw. – die Landschaft hat sich definitive verändert, aber Labels haben nach wie vor viel zu bieten.
- Glaubst du, dass das Remake von TONY HAWK’S PRO SKATER einen Einfluss auf die musikalische Jugendkultur haben wird? Mir kommt es vor, als ob nun wieder mehr Kids mit dem Skaten anfangen. Ich denke, dass das auch an Filmen wie “Mid 90s” liegen könnte. Und natürlich an den Klamottenlabels, die nach wie vor popular sind.
Es ist ein großartiges Spiel. Ich bin mir aber nicht sicher, ob es nochmal einen ähnlichen Einfluss haben wird wie vor 20 Jahren. Wir werden sehen.
- Auf Spotify habt ihr einige Playlists veröffentlicht, eine davon heißt „Skate 4“. Seid ihr da irgendwie involviert? Ich habe unterschiedliche Informationen dazu gefunden, ob EA nun an einem vierten Teil arbeitet oder nicht.
Wir sind da nicht involviert. Wir wollen nur Playlists für unsere Anhänger bereitstellen, vielen davon gefallen diese Games auch so sehr wie uns.
Skate 4 Playlist - click to listen! :)
- Nach meiner Zählung hat PURE NOISE dieses Jahr 28 Platten rausgebracht. Das sieht nicht so aus, als ob Corona euch stark beeinflusst hätte, aber das hat es doch mit Sicherheit?
Was das Plattenlabel angeht, sind wir nach wie vor in der Lage, Musik relative normal zu veröffentlichen. Aber durch den Verlust von Tourneen geht natürlich eine Menge an Marketing für diese Veröffentlichungen verloren. Unsere kleineren Künstler, die gerade in den Startlöchern stehen, betrifft das am meisten, da sie früh in ihrer Karriere keine Fans durch Live-Konzerte generieren können. Wir werden die Effekte von Covid-19 in ein paar Jahren starker spüren, als wir das jetzt tun.
- Kannst du uns schon Releases für das Jahr 2021 verraten?
Da müsst ihr leider abwarten und Tee trinken. Aber wir haben ein paar gute Sachen für euch parat. 😉
- Gibt es noch bestimmte Ziele, die du mit PURE NOISE erreichen willst?
Ich würde einfach weiterhin gerne gute Platten rausbringen und unseren Bands und Angestellten bei ihrer Karriere helfen. Mir gibt es am meisten, wenn ich einfach einen guten Job für unsere Bands mache. Wenn wir das weiterhin aufrechterhalten können, wird es uns gut gehen.
- Bzgl. der von dir rausgebrachten Platten: Kannst du deine drei Favoriten nennen?
Ich würde nicht sagen, dass ich Favoriten habe. Aber ich liebe definitive THE STORY SO FAR - “What You Don’t See”, THE AMERICAN SCENE - “Haze” und KNOCKED LOOSE - “Laugh Tracks”.
Definitiv eine lohnenswerte Investition geworden: KNOCKED LOOSE.
- Kannst du drei Künstler nennen, mit denen du gerne zusammenarbeiten würdest?
Die würden wahrscheinlich auf PURE NOISE keinen Sinn machen, aber ich liebe CHRIS STAPLETON und MORGAN WALLAN (Anm. d. Red.: zwei Country-Künstler)… und ich habe in letzter Zeit viel DR. DER gehört, haha.
- Gibt es sonst noch was, dass du uns mitteilen möchtest? Vielen Dank, Jake!
Das deckt denke ich soweit alles ab, haha. Danke für das Interview.