Interview mit Rod Usher von THE OTHER

03.07.2020
 

 

Hi, zuerst mal hoffe ich, dass ihr und eure Lieben gesund seid und gratuliere euch zum Release des neuen Albums. Hatten die Einschränkungen durch das Coronavirus Einfluss auf die Veröffentlichung oder hat da terminlich und logistisch alles geklappt?

Danke, wir sind total begeistert vom tollen Feedback das wir zu „Haunted“ bekommen, die Reaktionen sind wirklich phänomenal und wir sind erstmals in die deutschen Albumcharts eingezogen – auf Platz 67. Natürlich haben wir vorher mit unserem Label Drakkar gesprochen und überlegt, ob die Platte verschoben werden muss, waren aber auf beiden Seiten dann der Meinung, dass die Situation für uns vielleicht positiv ist. Wir haben gruselige Zeiten und viele Menschen wünschen sich derzeit Ablenkung und neue Musik und haben sogar Zeit, sie zu hören. In der bescheidenen Situation derzeit ist das immerhin das Positive für uns als Musiker.

 

Wie geht ihr mit der schwierigen aktuellen Situation als Band um? Konzerte oder gar Touren sind ja nach wie vor nicht möglich und nicht wenige Musiker geraten dadurch in eine Notlage. Arbeitet ihr schon an neuem Material und sind Dinge wie z. B. Streaming-Konzerte eine Option für euch oder sitzt ihr die Sache aus?

Wir haben dieses Jahr erst ein unmaskiertes Unplugged-Konzert im kleinen Rahmen vor nur 150 Fans gespielt, der nächste Gig im März diesen Jahres wurde schon abgesagt. Mitte Juni gab es noch eine Streaming Show aus dem legendären Luxor in Köln. Alles andere – wie unsere Gigs auf Wacken oder Summer Breeze - ist abgesagt oder verschoben, wir haben nur noch leise Hoffnung, unsere eigene Halloweenshow noch retten zu können und arbeiten schon an einem Plan B. Unsere Oktobertour ist bereits abgesagt und für Oktober nächsten Jahres angedacht, vielleicht sogar erst in 2022. Finanziell ist das ein Desaster. Immerhin können wir derzeit unser Album promoten und vor allem arbeiten wir seit Wochen an unserem kommenden Hörspiel „The Other und die Erben des Untergangs“, geschrieben von „John Sinclair“-Autor Thomas Williams und mit tollen Co-Stimmen von Forsensiker Dr. Mark Benecke, KREATOR-Shouter Mille Petrozza, Bestseller-Autor Wolfgang Hohlbein, IN EXTREMO-Frontmann Michael Rhein, dem legendären Joachim Witt, Porno-Ikone Conny Dachs und ROSENSTOLZ-Stimme Anna R, die auch bei „Dead to You – Dead To Me“ im Refrain mitgesungen hat und bei „Der Tod steht dir gut“ von 2008 zu hören ist. Das war alles eine tolle, ungewöhnliche Arbeit. Das Hörspiel erscheint im September bei Wicked Vision als Mediabook mit CD und als Kassette mit THE-OTHER-Bleistift und mit einem Cover von Rainer Engel.

 

Habt ihr schon konkrete Pläne für die Zeit nach den Beschränkungen? Unzählige Touren sind ja bereits für 2021 angekündigt.

Genau das ist das Problem, die großen Bands waren sehr schnell und haben sofort reagiert, jetzt sind schon die Clubs für die zweite Jahreshälfte 2021 rappelvoll und die Konzertgänger haben ja auch nicht alle plötzlich im Lotto gewonnen. Für Bands wie uns ist das eine beschissene Situation, denn wir wollen natürlich am liebsten sofort raus und unsere neuen Songs live spielen und unsere Freunde vor der Bühne wieder sehen. Wir müssen dann eher spontan planen, dann Shows spielen, sobald es wieder geht und uns wohl auf Wochenendkonzerte, anstatt zusammenhängender Touren, einstellen. Aber wir versuchen kreativ zu sein und baldmöglichst wieder zu spielen.

 

Kommen wir zum Album selbst. War besonders auf euren frühen Releases der MISFITS-Faktor sehr dominant, so seid ihr ja zunehmend eigenständiger geworden und grade auf euren letzten Alben hat sich auch eine leichte Metal-Schlagseite eingeschlichen. War das eine bewusste Entwicklung und habt ihr selbst besondere Vorlieben in dieser Richtung, die ggbfs. auch einen direkten Einfluss auf eure Songs hatten?

Ich denke, dass wir uns spätestens 2010 mit „New Blood“, aber auch schon mit dem 2008er „The Place to Bleed“ von den MISFITS freigeschwommen haben, denn Metal- oder Goth-Einflüsse hatten wir schon da. Songs wie – z.B. „Back to the Cemetery“ oder „The Lovesick Mind“ von der „New Blood“ hätte man bei den MISFITS garantiert nie gehört. Wir haben seitdem viel mehr Wert auf Dynamik und spielerische Abwechslung gelegt, ohne aber die Wurzeln, nämlich den Punk-Rock und die Einprägsamkeit zu vergessen. Die MISFITS und DANZIG werden sicher immer ein Einfluss sein, aber ich denke, dass wir – ohne das wertend zu meinen - deutlich differenzierter ans Werk gehen und uns kein starres Korsett aufzwängen wollen. Auch gesanglich – aber speziell an der Saitenfront - hat sich viel getan.

Auf „Haunted“ haben wir – nach eher leicht metallischeren Alben wie „The Devils you Know“ und „Fear Itself“ und dem wieder punk-rockigeren „Casket Case“ erstmals mit einer vorher besprochenen Strategie am Album gearbeitet: Wir wollten alles, was THE OTHER ausmacht, in jedem Song integrieren, so dass das Album einheitlich wirkt, als der Vorgänger und damit eher an Scheiben wie „New Blood“ anknüpft. Das bedeutet: Wir wollten etwas Punk-Rock Attitüde der Anfangszeit wiederbringen und gleichzeitig unsere düstere Atmosphäre in jedem Stück spürbar machen. Vielleicht wollten wir eben das passende Album für Zeiten wie diese machen, mit Härte aber melodischer Melancholie.

Dass wir alle Metal lieben kommt aber unterschwellig sicher durch und das mögen wir und unsere Hörer auch. Der Opener „Mark of the Devil“ wird hier und da mit GHOST verglichen. Zwar gibt es uns deutlich länger als Tobias und seine Ghouls, aber neben MISFITS, DANZIG, THE DAMNED, KISS, IRON MAIDEN, TYPE OF NEGATIVE, THE CULT oder ähnlichen, kann auch mal eine neuere Band den Geschmack und unbewusst auch das Songwriting beeinflussen.

 

Auch auf "Haunted" gibt es neben dem überwiegend englischsprachigen Material wieder zwei deutschsprachige Nummern. Beide Songs versprühen einen latenten Deutschpunk-Flair und besonders "Absolution" hebt sich auch textlich von eurer üblichen Horrorthematik ab. Als Band habt ihr ja eigentlich ein recht klares Konzept; ist es euch trotzdem wichtig auch inhaltlich mal etwas vom üblichen Pfad abzuweichen und zeigen solche Nummern auch ein wenig wo ihr herkommt?

Ganz genau. Am Ende steckt in „Horrorpunk“ eben auch „PUNK“ und das ist nunmal unsere Basis und – speziell bei ein paar Bandmitgliedern – Teil der musikalischen aber auch politischen Herkunft. In „Absolution“ wird das besonders deutlich, aber auch in englischen Songs wie „Shadows from the Past“ von 2006, „Howling at the Moon“ von 2010 oder „German Angst“ von 2015 waren politische Kommentare versteckt. Jetzt aber war die Zeit, noch deutlicher zu werden und uns in unserer Muttersprache auszudrücken. Auch wenn ich mit meiner Vorliebe für Deutschpunk etwas alleine in der Band dastehe. Ich würde gerne mal eine Tour mit alten Helden wie SLIME, WIZO oder DRITTE WAHL, aber auch moderneren Truppen wie ZSK spielen. Warum nicht?

 

Bleibt mir zuletzt nur, euch alles Gute zu wünschen. Ich hoffe wir sind irgendwann mit der ganzen Geschichte durch und man kann wieder gefahrlos Konzerte und Festivals genießen. Bis dahin, bleibt gesund und das letzte Wort gehört euch. Danke für das Interview.

Dank dir und euch sehr. Es sind abgefahrene Zeiten und ich hoffe, irgendwann werden wir diese Situation und die Spaltung unserer Gesellschaft überwunden haben und verwundert auf diese Zeit zurückblicken. Wir möchten uns bei all denen bedanken, die uns schon so lange begleiten und uns unterstützen, aber auch denen, die „Haunted“ einfach mal angetestet haben und uns jetzt erst entdecken. Gerade aktuell bekommen wir ein völlig neues Interesse an The Other mit und das tut verdammt gut. Wir freuen uns und blicken trotz aller Einschränkungen positiv in die Zukunft. Alles Gute an die allschools-Leser und alle da draußen.