Interview mit Six Reasons To Kill

31.01.2011
 

 

1. Hi SIX REASONS TO KILL! Mit wem habe ich das Vergnügen?

Ich bin Flo, Schlagzeuger von Six Reasons To Kill – aus dem gegenwärtig sonnigen Städtchen Siegen.

2. Euer neues Album „Architects Of Perfection“ steht in den Startlöchern. Ist der Albumname nicht ein wenig zu hochnäsig?

Ich weis, dass es nahe liegt, den Titel programmatisch zu interpretieren. Zumal die letzten beiden Alben unter anderem auch einen gewissen Bezug zur Band und ihrer Geschichte hatten. Allerdings ist es diesmal tatsächlich ganz anders gemeint. Es geht eigentlich um Werte, Normen und Moral. Die Frage nach gut und schlecht, die eigentlich jeden beschäftigt und das Streben nach Perfektion werden im Titel thematisiert. Jeder ist irgendwie ein „Architect Of Perfection“, ein Schöpfer seines eigenen Glücks. „Perfection“ steht für Normen, für Werte oder für Ideale. Jeder lebt ja nach bestimmten Normen und Idealvorstellungen. Das ist nicht schlimm – aber man sollte sich darüber bewusst sein, dass Normen nicht grundsätzlich immer gut sind. Sie schließen meistens jemanden aus. Denken wir mal an das dritte Reich: Damals gab es bestimmte Wertvorstellungen, die bestimmte Glaubensgemeinschaften diskriminiert haben. Ganz klar: Die Nazis hatten tödliche Wertvorstellungen, was die Judenfrage anbelangt. Wer auf das Artwork blickt, sieht einen anderen, keinesfalls vergleichbaren Aspekt dieses Themas abgebildet: Ein zum Zombie mutiertes Model? In diesem ganzen Schönheitswahn – auch ein Wahn der Perfektion übrigens – spiegelt sich ja auch eine gewisse Dekadenz wieder. Wir eifern massenmedial geprägten Phänomenen nach. Gewisse Normen sollten einfach mal hinterfragt werden. Und sind wir doch mal ehrlich: Perfektion ist ein Superlativ. „Nobodys perfect“. Aber offenbar will die Welt nobel zugrunde gehen.

3. Warum habt ihr das Label gewechselt? Eigentlich müsste Bastardized wegen eurer modernen Ausrichtung doch besser auf euch passen als Massacre Records, oder?

Das hatte ganz pragmatische Gründe. Zum einen war unser Deal mit Bastardized erfüllt. Nichts lag also näher, als es einfach mal woanders zu versuchen. Massacre hatten dann Interesse gezeigt. Der Rest ist Geschichte. Massacre bedeuten für uns noch mal einen großen Schritt nach vorne. Sie haben ein großes weltweites Vertriebsnetz und intensive Promokontakte, von denen wir profitieren. Außerdem sind das alles total nette und umgängliche Jungs, deshalb macht die Zusammenarbeit sehr viel Spaß. Und so ganz weg sind wir ja von Bastardized Recordings gar nicht, denn sie bringen eine Vinyl-Version des Albums raus.

4. Ihr habt schon einige Sänger in der Band gehabt und auch sind Bandmitglieder der Anfangstage von 6R2K nicht mehr so stark im Lineup
vertreten. Könnt ihr die Rufe nach „Umbenennung“ nachvollziehen?


Nein, und das stand auch nie zur Debatte. Marco ist Gründungsmitglied. Ein Großteil der Band mittlerweile seit 7 bis 8 Jahren dabei. Das ist viel für eine Band, die es seit 11 Jahren gibt. Man darf mit Fug und Recht sagen, dass das Bild dieser Band nun seit längerem recht konstant ist. Wir haben uns die Sängerwechsel nicht ausgesucht. Thorsten hat die Band letztes Jahr verlassen, weil er beruflich jetzt in der Schweiz tätig ist und auf diese Distanz keine Möglichkeit mehr sah, die Band weiter zu führen. Ich sehe keinen Grund, wegen eines Sängerwechsels den Bandnamen zu wechseln. Der Ruf nach einem Namenswechsel hätte dann konsequenterweise schon viel früher erschallen müssen.

5. Bei Allschools überschlagen sich die Kommentare in Bezug auf eure offen zur Schau getragene Freundschaft zu BY MY FURY (im Song „Awaken“). Was sagt ihr zu Äußerungen wie „Beatdown- Breakdowns sind total out und
für welche die nüx können aber ist halt so wenn der Sänger nur Beatdown Freunde hat“ und „Zumindest bei den By my Fury's hats geklappt, der Kopf dieses Kindergartens hat den neuen Six Reasons Sänger ja in die Band
gebracht und als Lohn durfte er seine Stimme auf eine richtige CD packen und nun ratet mal welche... Richtig! ...die neue Six Reasons Scheiben enthält Guestvocals von By my Fury!“?


Also eigentlich ignoriere ich ja niveaulose, schlecht artikulierte und die Interpunktion gänzlich ignorierende Kommentare grundsätzlich. Da du aber offenbar deiner journalistischen Sorgfaltspflicht Genüge leistest und uns hier die Möglichkeit zur Stellungnahme bietest, gehe ich natürlich gerne darauf ein. Also der Reihe nach: Ob Beatdown-Breakdowns „In“ oder „Out“ sind, kann ich nicht beurteilen. Es ist mir auch irgendwie total egal. Wir machen einfach, was uns gefällt! Soviel nur dazu. Was unsere „offen zur Schau getragene Freundschaft zu BY MY FURY“ anbelangt, so wäre zunächst zu fragen, wo eigentlich das Problem liegt? Tatsächlich hat jemand aus dieser Band einen Part auf dem Album gesungen. Das verheimlichen wir ja auf dem Album auch gar nicht. Steht sogar schwarz auf weiß drauf. Im Artwork. Und hey – er hat seinen Job sehr gut gemacht. Er ist ein sehr höflicher und netter Mensch und ich kann diese Anfeindungen nicht nachvollziehen. Jemanden auf einem Board anonym zu derart anzugehen, ist charakterlos und pubertär. Solche Äußerungen disqualifizieren sich von selbst. Die Behauptung, dass unser Sänger „nur Beatdown-Freunde“ hat, ist ebenfalls Unsinn. Und wenn es so wäre, müsste man erstmal klären, was daran verwerflich sein soll?! Wieder so ein Schwarz/Weiß-Denken. Als Du mich vorhin auf den Album-Titel angesprochen hast, habe ich ja von den zwei Seiten bestimmter Wertvorstellungen gesprochen. Mir scheint, da hat jemand ganz konkrete Vorstellungen davon, welche Menschen gut und welche schlecht sind. Und jenen „Beatdown-Freunden“ wird ja im gleichen Atemzug noch nachgesagt, sie seien „welche die nüx können“. Die zählen für ihn offenbar zu den schlechten. Mit Blick auf bestimmte Ereignisse im dritten Reich, denen genau diese Weltanschauung zugrunde lag, wirken solche Äußerungen nebenbei bemerkt sehr zweifelhaft und unaufgeklärt. Aber das ist ein anderes Thema, und gegen den Mangel an Pragmatismus muss der Autor jetzt einfach selbst was tun. Ich empfehle dazu die Lektüre von Kant. Oder unserer Lyrics. Deutlich wird aber, dass diese Äußerung vor allem eines sein sollte: verletzend. Und da gilt, was ich vorhin schon einmal gesagt habe: Es ist peinlich und an Feigheit kaum zu unterbieten, anonym und noch nicht einmal als Member der Community solche Kommentare über völlig friedliche Menschen auf einem Board wie Allschools zu tätigen. Sie noch dazu namentlich zu erwähnen… Das ist gesichts- und charakterlos! Und schlechter Stil!

6. Musikalisch wird euch auch Trendanbiederei vorgeworfen, so sollt ihr eure Musik an die aktuelle Mode anpassen, um noch ein wenig in der Szene bei den Kids punkten zu können. Wäre nicht eine etwas metallischere Schiene ohne zu viel Core nachhaltiger und authentischer gewesen?

In der Frage davor hast Du mich mit einem Kritiker konfrontiert, der bei uns „Beatdown-Breakdowns“ gehört hat. Jene Stilelemente sind nach Ansicht dieses Autors aber völlig „out“. Jetzt wird uns aber Trendanbiederei vorgeworfen. Mich verwirrt, dass wir uns einerseits also Elementen bedient haben sollen, die „out“ sind, zugleich aber angeblich mit Trends kokettieren. Das will nicht so recht zusammenpassen. Wie dem auch sei: Wer sich mal die Zeit nimmt und das Album hört und unsere früheren Veröffentlichungen kennt, wird sehen, dass wir nicht zum ersten Mal einen Breakdown auf einem Album haben. Ich unterstelle jetzt einfach Mal, das der lautet, das wir jetzt plötzlich Deathcore spielen. Das haben wir schon getan, als von Deathcore noch kein Mensch gesprochen hat. Der Song Cutting Away steht auf dem Album Reborn von 2005 und hatte damals schon einen Sound, den man heute in diese Schublade einordnen würde. Den Deathcore-Stempel hat man uns sogar schon bei Kiss The Demon aufgedrückt, unserem ersten Album aus dem Jahr 2000. Leute – das war alles schon mal da. Insofern ist das Argument doch völlig albern. Wir haben einfach dass gemacht, worauf wir gerade Lust haben. Wir wollten ein gutes und zeitgemäßes Album aufnehmen. Die Platte bietet weit mehr als Breakdowns und Blastbeats. Es ist doch total einseitig, es auf zwei, drei markante Momente zu reduzieren. Das wird der Sache einfach nicht gerecht. Auf Trends zu schielen hieße im Übrigen, dass wir dem Geld hinterher hecheln. Da wir alle erwachsene Menschen sind, die einem geregelten Beruf nachgehen, sind wir darauf gar nicht angewiesen. Wir sind in der glücklichen Situation, einfach die Musik machen zu können, die uns gefällt.

7. Immer wieder ist von der Koblenzer Hardcore-Szene zu lesen. Wie stark ist diese und welchen Stellenwert hat 6R2K innerhalb dieser Musikkultur?

Es gibt ein paar Bands in Koblenz, die sich einer Hardcore-Subkultur durchaus zugeneigt sehen. Neben den oben bereits erwähnten By My Fury wären da unter anderem noch Blessed By Hate und Bloodattack erwähnenswert. Sicherlich sind wir länger als die meisten Bands dabei. Bloodattack gibt’s aber auch schon recht lange. Mitglieder von Bloodattack und Six Reasons To Kill (sowohl „neue“ als auch bestimmte „alte“, die heute bei weit bekannteren Bands spielen) haben früher gemeinsam bei Gomorrha und anderen Bands gespielt und insofern haben viele auch eine gemeinsame Vergangenheit. Man kennt sich halt und hat ein freundschaftliches Verhältnis. Außerdem unterstützt man sich gegenseitig. Die Leute sind aktiv, spielen Konzerte und veranstalten selbst Konzerte. Alles in allem eine lebendige, tolerante und friedliche Szene. Das ist Erfreulich für Koblenz, da dort lange nix ging. Wir haben trotzdem immer Musik gemacht. Wir waren aber nie nur auf Koblenz fixiert.

8. Ihr seid sehr melodisch, habt aber immer einen aggressiven Unterton. Dazu gesellen sich entweder hohe oder tiefe Stimmlagen. Habt ihr es auch mal mit Cleangesang oder mittlerem Shouting versucht?

Auf dem letzten Album Another Horizon haben wir ja viel mit Cleangesang experimentiert. Die melodiösen Refrains haben wir für meinen Geschmack auf Another Horizon gut integriert. Mit dem Ergebnis, was wir seinerzeit erreicht haben, sind wir alle sehr zufrieden. Auf dem neuen Album sollte es wieder ein bisschen mehr auf die Zwölf geben. Die Songs waren für unseren Geschmack so, dass man nicht unbedingt darüber singen musste. Sie kamen mit einem geshouteten Refrain intensiver und härter rüber. Es gibt übrigens durchaus Stellen, wo mittleres Shouting zu hören ist. Das schöne an der Situation ist, dass sich My Poison als Ruhepol vom Rest jetzt noch stärker absetzt.

9. Sehr gut gefällt mir auf eurem Album der Gastbeitrag von Kurt auf „My Poison“. Ich habe selten eine emotionalere Performance auf einem
Metalcorealbum gehört. Wie kam die Zusammenarbeit zustande.


Wenn man sich – wie einige von uns – in der Koblenzer Musikszene aufhält, kommt man an Kurt und Carlos Ebelhäuser natürlich nicht herum. Wir wollten zu "My Poison" einen Gastgesang haben, weil der Song sehr außergewöhnlich für das Album und die Band ist. Uns war es wichtig, dass es jemand aus dem Bekanntenkreis ist. Da kamen wir schnell auf Kurt.

10. Typisch mittlerweile ist auch eine Kohle Produktion. Warum seid ihr nicht zu Tue Madsen nach Dänemark gefahren? Erzählt mal ein bisschen von der Zusammenarbeit mit Kohle.

Wir haben jetzt zum dritten Mal mit Kohle zusammen gearbeitet – und jedes Mal war das Ergebnis eine Steigerung zu vorher. Außerdem sind wir mittlerweile einfach gut aufeinander eingearbeitet. Es erleichtert die Arbeit schon erheblich, wenn man weiß, wie der Produktionsprozess ablaufen wird und man sich gezielt darauf vorbereiten kann. Das ermöglicht einem auch, sich mehr auf die gesetzten Ziele zu konzentrieren und nicht schon auf dem Weg dahin hängen zu bleiben. Außerdem ist der Kohle ein äußerst angenehmer und stressfreier Mensch, der eine sehr entspannte Arbeitsatmosphäre zu schaffen in der Lage ist. Es gibt tausend Gründe, warum ich den guten Kohle immer wieder aufsuchen würde, um ein Album zu produzieren. Der beste Grund ist einfach das Resultat: der Sound auf unserem Album.

11.Das ist noch zu sagen:

Danke, Clement, für dein Interesse an der Band und der Möglichkeit, hier zu Wort zu kommen. Endlich mal ein interessantes Interview mit herausfordernden Fragen, hehe. Ich bitte zu entschuldigen, dass ich manchmal etwas sehr ausführlich geworden bin. Aber das ließ sich leider nicht vermeiden, wenn Du solche Fragen stellst. Ich denke, damit habe ich jetzt auch genug gesagt.

12. Ich danke euch für das Interview und wünsche 6R2K alles Gute!