Robin, wie war der Auftritt heute Abend in Marburg?
Gut, durchweg gut. Wir sind gerade noch ein bisschen am austesten, was unser Set angeht. Wir haben alle Bock, unser neues Album zu spielen, was aber die meisten Leute noch gar nicht kennen. Insofern sind wir da ein bisschen hin und her gerissen, das war heute wieder ein typisches Beispiel. Wir spielen unser neues Album durch und das ist ein bisschen Kunstgalerie mäßig, weil keiner kennt es und alle kucken sich das an und sagen „Ja, cool“. Dann spielt man einen alten Song und der Mob geht ab. Das ist natürlich geil und wir haben da Bock drauf und sind schon eine Band, die eine recht energetische Live-Show hat. Wobei das neue Zeug eben ein bisschen introvertierter ist. Daher gibt es gerade eine große Debatte innerhalb der Band, wie viel neues Material wir spielen sollen. Da gibt es Positionen, die sagen 100% und gar nichts altes und Leute die sagen maximal ein bis zwei neue Songs und sonst nur altes. Heute war wieder so ein Abend, an dem man gesehen hat, dass die Leute altes Zeug hören wollen. Mir geht es auch so, wenn ich auf Shows von Bands gehe, die ich mag dann wäre ich wahrscheinlich auch angepisst, wenn die nur das neue Album spielen würden. Andererseits ist das aber auch ein geiles Statement, es liegt Kraft darin, den Leuten nicht das vor die Füße zu werfen, was sie haben wollen, sondern sie mit etwas anderem zu konfrontieren. Das ist gerade so ein bisschen die Diskussion in der Band. Heute war wieder so ein Musterabend, an dem man die beiden Pole gesehen hat.
Seht ihr denn euer neues Album als euer Bestes an, wenn ihr das komplett präsentieren wollt auf Tour? Sagt ihr, oder sagst du, dass es das rundeste oder das kompletteste Album ist?
Ist es für mich schon. Wobei ich damit die alten Alben nicht diskreditieren will. Alles hat seine Berechtigung und es gibt immer einen zeitlichen Index, sozusagen. Songs wurden zu einer gewissen Zeit geschrieben und haben in dieser Zeit auch immense Bedeutung gehabt, die sie dann vielleicht drei, vier, fünf Jahre später – zumindest was die persönlichen Assoziationen anbelangt – wieder verlieren. Bands, die immer nur mit einem Album, oder einem Song in Verbindung gebracht werden leiden. Das war zum Beispiel für CONVERGE und „The Saddest Day“ einfach lange so ein Thema. Jeder hat diesen Song erwartet, ich selbst ja auch. Jedes mal, wenn ich sie gesehen habe und sie haben ihn nicht gespielt war ich wirklich angepisst. Die Band war irgendwann völlig genervt, weil niemand hat irgendwie Bock, auf jeder Show den Song zu spielen. Das ist ein bisschen schwierig. Wir haben natürlich total Lust, das neue Album zu zocken, weil wir die „Centrics“ hoch und runter gespielt haben in den letzten zwei Jahren und uns das alles so ein bisschen zum Hals raushängt. Andererseits machen die Songs natürlich auch Bock und es macht auch Spaß, wenn die Leute mitsingen und Lust auf das Material haben. Das ist eben wie gesagt ein bisschen der Zwiespalt. Ich denke aber schon, dass das neue Album musikalisch am stimmigsten ist. Ich weiß nicht, ob es das beste Album ist, da bin ich auch nicht die richtige Person, die das beurteilen sollte. Das sollten lieber andere tun. Ich bin sowohl soundmäßig, als auch was das Songwriting angeht sehr damit zufrieden. Was das Album wirklich von unseren Vorgängerwerken absetzt ist die Tatsache, dass es wirklich als ein Stück Musik komponiert wurde und die ganzen anderen Alben sind einfach Songs gewesen. Die haben wir zwar auch mit Bedacht in eine gewisse Reihenfolge gebracht, aber sie wurden eben als einzelne, isolierte Tracks geschrieben. Das ist hier anders und dadurch hat das Ganze eine andere Zusammengehörigkeit. Ich finde das fühlt man schon, wenn man das Album hört.
Du hast schon gesagt andere Leute sollen das einschätzen. Jetzt hat euch die Musikpresse nur gute Reviews ausgestellt. Lest ihr das? Freut ihr euch darüber? Beeinflusst euch das?
Wir lesen das zum Teil und freuen uns natürlich darüber. Es ist schön, wenn Leute das geil finden, was man so macht. Ob uns das beeinflusst weiß ich jetzt nicht, ich glaube um ehrlich zu sein nicht. Ich schreibe Musik zu aller erst für mich selbst. Ich selbst bin mein schärfster Kritiker und wenn mir selbst etwas nicht gefällt, dann bringe ich das nicht raus. Es ist mir ein egal, ob alle Leute das abfeiern oder nicht, wichtig ist wirklich, dass ich damit zufrieden bin, beziehungsweise meine Bandkollegen natürlich. Wenn andere Leute das mitmachen ist das natürlich cool. Natürlich freut man sich darüber, wenn man einen Soundcheck in der Visions gewinnt, aber das ist nicht die Motivation, dann würden wir ganz andere Musik machen. Das ist ein cooler Bonus, aber zu allererst müssen wir funktionieren und einfach Lust dabei haben, Songs zu spielen und auch zu schauen wie das wirkt aufs Publikum und so weiter und wenn die Leute das mit machen, dann freuen wir und auf jeden Fall darüber.
Lass uns nochmal zu den beiden Centric-Alben zurückgehen. Darin wurden viele Standpunkte darin eingenommen, aber im Grunde genommen war die Quintessenz Religionskritik. Gab es darauf denn sehr kontroverse Meinungen? Sehr viel Kritik vielleicht von Fans, die ein bisschen religiös eingestellt sind?
Das gab es überraschend wenig. Was wiederum auch nur bezeugt, dass die Rolle der Kirche, zumindest in Westeuropa, mittlerweile einfach so in den Hintergrund getreten ist in der Gesellschaft, dass es nicht wirklich mehr für Kontroversen sorgt, wenn man die Kirche kritisiert. Das ist in Amerika anders, da haben wir zum Teil auch etwas lautere Reaktionen hervor gerufen. Aber selbst da war es eher bescheiden. Ich habe schon das Gefühl, dass die meisten Leute, die unsere Musik hören, überwiegend doch aus der Hardcore und Metal Szene kommen in der es zwar diese christliche Subnische gibt, die merken dann aber gleich, THE OCEAN sind böse und kommen gar nicht erst und insofern gibt es da relativ wenig Konfrontation. Es gab ein paar interessante Fälle, ich hatte zum Beispiel mal ein Gespräch in Berlin im White Trash mit einem Pfarrer der uns kennengelernt hat, als ich in irgendeiner Radio-Talkshow über die Alben erzählt hab. Der hat das halt gehört und ist selbst evangelischer Pastor gewesen. Der ist zu unserem Gig gekommen und wir haben uns danach drei oder vier Stunden unterhalten. Wir waren absolut nicht einer Meinung, in den wenigsten Dingen gab es Überschneidungen, aber er war wirklich jemand, der sich Gedanken macht und der sich mit dem ein bisschen auseinander gesetzt hat und mit dem man sich auch cool unterhalten konnte. Das weiß ich dann auch zu schätzen. Ich erwarte ja nicht, dass alle mit dem Kopf nicken zu allem was wir sagen, in so fern ist das spannend. Wir hatten auch mit Fans Diskussionen, die auf uns zu gekommen sind und gewisse Dinge in Frage gestellt haben. Das finde ich sehr spannend und sehr cool. Wir suchen da auf jeden Fall auch den Dialog. Ich finde das immer geil, wenn Leute sich mit den Texten auseinandersetzen und dir irgendwie etwas zurückgeben. Sei es positiv oder negativ - Das ist gar nicht wichtig. Ich weiß, was ich denke und wenn jemand anders denkt, dann kann ich mich damit auch auseinandersetzen. Aber überhaupt die Tatsache schon, dass jemand so tief gräbt, dass er sich irgendwie mit deinen Texten auseinandersetzt und womöglich was konträres dir entgegenbringt ist cool. Deshalb machen wir das auch. Weil man irgendwie auch Feedback bekommen will, welcher Art auch immer. Wenn das passiert, freue ich mich.
Weil du ja schon angesprochen hast, dass in Amerika mehr Kritik aufkommt, die verstehen die Texte wahrscheinlich wesentlich schneller und besser.
Ja das kommt wahrscheinlich auch noch dazu. Wobei natürlich bei geschrieenen Vocals immer die Frage ist, wie viel man am Ende wirklich versteht. Aber der Muttersprachler-Effekt macht natürlich auch noch einen Unterschied. Das liegt aber auch daran, dass in Amerika die christliche Kirche immer noch eine ganz andere Rolle inne hat als bei uns. Bei uns ist es mittlerweile fast nur noch so eine Art soziale Einrichtung. Das ist ja auch in Ordnung, wenn es das wäre und wenn es dabei bliebe. In Amerika ist schon ziemlich anders und da gibt es gerade in den ländlichen Regionen noch sehr extrem ausgeprägten Fundamentalismus. Da haben wir das auch oft gespürt, dass uns die Leute sehr feindlich gesonnen sind. Wir hatten auf unserer letzten US-Tour einen Fall, wo wir in Vancouver die Tour beendet haben, aber unsere Flüge waren von Boston gebucht. Wir mussten dann von der Westküste zurück an die Ostküste fahren und haben uns dann ultra-last-minute so eine DIY-Tour zusammen gebucht und bei Menschen zu Hause geschlafen. Das lief alles über Facebook. Da kam dann zum Teil auch mal echt eine Absage nach dem Motto „Wir würden euch gerne aufnehmen, aber wir haben gehört ihr seid Atheisten“. Das ist schon spannend.
Dann wieder zurück in die Gegenwart. Neues Album. Früher habt ihr euch als Kollektiv gesehen, heute seid ihr eher eine Band. Wie wäre es denn, wenn ein Mitglied ausfallen oder aussteigen würde? Zum Beispiel euer Sänger, der ja ein großer Bestandteil eures neuen Sounds ist?
Diese Frage haben wir uns sehr konkret gestellt, bevor wir das Album veröffentlicht haben, weil es tatsächlich so aussah, als ob das passieren würde. Nicht weil er das gewollt hätte, sondern einfach, weil er gesundheitlich sehr angeschlagen war. Weil er verschiedene Ärzte konsultiert hat, die ihm alle gesagt haben, er muss sofort aufhören zu schreien und er muss sofort aufhören zu rauchen. Er hat beides nicht getan und in so fern war lange Zeit unklar, wie seine Zukunft bei der Band aussieht. Wir haben uns dann eigentlich dazu durch gerungen uns damit abzufinden und zu sagen „Hey, wir können da nichts daran ändern“. Das Album war ursprünglich sowieso als Instrumental Album geplant gewesen, da war für Gesang gar kein Platz. Dazu kam die gesundheitliche Situation von Loic, so dass wir uns alle gedacht haben vielleicht ist jetzt die richtige Zeit um ein Instrumental Album zu machen. Dann mal schauen wie es weiter geht, vielleicht erholt er sich, vielleicht aber auch nicht. Wir wollten auf keine Fall ein Album mit Gesang machen und das dann nicht Live spielen können. Dann war es so, dass es Loic wieder besser ging und er sich in dem halben Jahr Pause, die wir nach der Australien Tour hatten, weitestgehend erholt hat und ich gleichzeitig nach vielem Nachdenken zu dem Schluss gekommen bin, dass er schon irgendwie ein sehr wichtiger Teil der Band ist. Weil er einfach extrem viel der Energie, die wir auf der Bühne entfachen ins Publikum, trägt. Das wäre einfach etwas völlig anderes gewesen ohne ihn. Deshalb sind wir einstimmig zu dem Entschluss gekommen, wir nehmen Gesang auf für die Platte. Eigentlich wollten wir nur für die letzten beiden Songs Gesang aufnehmen, das hatten wir relativ schnell gemacht. Am Ende der Woche hatten wir dann Gesang für das ganze Album. Das war gar nicht so geplant. Aber wir haben uns diese Frage sehr konkret gestellt. Auf diesr Tour hatte Loic wieder Probleme mit seiner Stimme, wir haben ein paar Instrumental Shows gespielt. Das coole ist jetzt, dass es nichts macht. Es funktioniert auch. Es ist einfach ein anderes Erlebnis. Es ist genau, wie wenn du die Instrumental Platte und dann die Gesang Platte hörst und beide miteinander vergleichst. Ich mag die Vocals sehr und finde, die fügen dem Album noch etwas hinzu. Gleichzeitig kenne ich das Album auch als Instrumental-Version und habe das neun Monate lang so gehört und der Gesang ist für mich etwas total Neues. Insofern, wenn wir das instrumental spielen ist es nicht so, dass etwas fehlt. Es ist halt ein bisschen introvertierter und wirkt anders, aber es funktioniert auch. Das war halt anders, als auf der Red Fang Tour im April 2011. Da war auch der Fall, dass Loic ein paar Tage ausgefallen ist und da haben wir Centric Songs ohne Gesang gespielt und das hat sich blöd angefühlt. Die Songs waren auch für Gesang komponiert gewesen und das ist jetzt etwas völlig anderes.
Wie rum würdest du denn jemandem empfehlen, die Platte zu hören? Erst das Instrumental und dann das mit Gesang?
Unbedingt erst als Instrumental! Deshalb haben wir auch erst die instrumentale Version gestreamt. Wir wollten, dass die Leute zu erst das hören, dann fügt der Gesang halt noch etwas hinzu. Andererseits hat man immer das Problem wenn man es erst mit Gesang hört und dann instrumental, dann wird etwas weg genommen, dann fehlt etwas. Ich finde es so sinnvoller. Wenn der Sänger nicht da ist, achtet man viel mehr auf die Musik und es ist schön, wenn das als erstes kommt.
Dann kommen wir wieder zum heutigen Abend zurück. Stören die Projektionen, die ihr auf der Bühne habt, nicht beim Spielen?
Unser Schlagzeuger hat heute ziemlich geflucht. Es war nicht optimal. Das kann man aber auch nicht immer optimal machen, weil heute war zum Beispiel einfach die Decke im Club nicht hoch genug. Wir mussten daher relativ niedrig projizieren, das heißt der Strahl vom Beamer – der sehr hell ist – blendet den Schlagzeuger und auch die anderen Leute. Idealerweise hat man einen Ort mit einer großen Deckenhöhe und einer fetten Leinwand hinter der Bühne, wo man den Projektor unter die Decke hängt und wir überhaupt nicht im Bild sind. Das geht aber nicht überall und es ist jeden Abend ein neuer Kompromiss den wir immer irgendwie lösen müssen. Wir haben zum Beispiel auch in Paris im Glazart schon gespielt Das ist eine super Halle, in die 500 Leute rein passen, aber die Decke ist 2,20m hoch. Da kann man dann überhaupt nicht projizieren, das geht halt einfach nicht. Für unsere Headliner Tour im Herbst haben wir unseren Agenten angewiesen, dass er nur Venues bucht, wo das funktioniert. Aber das ist halt auch nicht immer ganz einfach, man muss sich manchmal einfach nach den lokalen Gegebenheiten richten.
Dann hast du jetzt die letzten Worte!
Da bin ich ganz schlecht drin. Hört euch Pelagial an und kommt zu unseren Shows! Wir werden im Herbst nochmal eine größere Tour spielen und spielen dann auch das komplette neue Album von A bis Z plus alte Songs. Jeden Abend eine andere Auswahl, worauf wir halt gerade Bock haben. Das geht so Mitte Oktober los und geht dann bis Mitte November denke ich.
Danke an Luisa fürs abtippen!