Interview mit Vierkanttretlager

05.02.2012
 

 

Kleiner Raum den ihr hier heute habt.
Ja, wir wollten das gerne ein bisschen intimer halten. Ein bisschen näher an den Leuten sein, die uns die ganze Zeit begleitet haben. Darum ist es denke ich ganz schön, das so zu machen.

Wer sind Vierkanttretlager?
Vierkanttretlager ist- wie die Presse sehr gerne sagt- sehr junge Band aus Husum, das ist in Norddeutschland. Wir fassen langsam ein bisschen Fuß, was mich sehr freut.

Wer gehört alles dazu?
Leif, Christian, Momme und ich.

Was waren die größten Einflüsse für eure Musik?
Ich glaube, wir haben uns relativ frei entwickelt, innerhalb unserer Möglichkeiten, die natürlich mit der Zeit und der Erfahrung immer größer geworden sind. Am Anfang konnte man einfach noch nicht so viel, wie man vielleicht wollte. Wir haben aber nie gecovert. Jetzt covern wir tatsächlich ab und zu, einfach weil es uns Spaß macht. Viele Bands fangen ja damit an. Viele Bands möchten ja am Anfang gerne so klingen wie ihre Lieblingsbands. Wir haben tatsächlich immer so drauf los gespielt und uns dabei natürlich im Rahmen des Möglichen bewegt. Natürlich existieren immer Sachen im Hinterkopf. Wir haben aber immer unsere eigene Vorstellung der Sache erarbeitet.

Wie würdet ihr eure Musik beschreiben?
Ich sage am liebsten, es ist immer sehr simpel. Es ist einfach deutschsprachige Rockmusik. Das ist natürlich ein sehr breites Feld, aber das ist eben deutschsprachige Rockmusik.

Als ich euch das erste Mal hört, musste ich sehr an die alte Hamburger Schule denken. Ist das für euch so eine Richtung in die ihr euch gerne wendet?
Einige Sachen auf jeden Fall, das kann ich so unterschreiben. Gerade die älteren Sachen. Aber das ist jetzt keine Musik, mit der wir uns vordergründig beschäftigen. Ich bin da was einige Sachen angeht sehr offen. Gerade die älteren Sachen von Tocotronic, das ist auf jeden Fall etwas, was mir sehr gut gefällt, was ich wenig höre, aber wenn ich das mal bei der zufälligen Wiedergabe auf meinem iPod höre, dann freue ich mich trotzdem und fühle mich an die alten Zeiten zurückerinnert.

Was ist für euch der wichtigste Grund oder Antrieb Musik zu machen?
Ich bin ein Mensch, der sehr viel nachdenkt und auch manchmal ein wenig zu weit denkt, der versucht, die Sachen zu einem Abschluss zu bringen in seinem Kopf. Um das zu teilen ist es denke ich wichtig, meine Gedanken in Wort zu fassen und eben dann auch in Musik. Wir waren, was das angeht eben nie so verbissen. Wir haben nicht das große Ziel vor Augen gehabt, als wir angefangen haben. Wir haben einfach nicht irgendeinen Übergrund, warum wir das machen. Vieles hat sich einfach entwickelt.

Ist es so, dass ihr euch mitteilen müsst, euch sortieren? Die alte Hamburger Schule wäre wohl in die politische Richtung gegangen. Macht ihr das anders?
Wir sind auf jeden Fall keine politische Band. Die Texte sind wahrscheinlich schon dadurch nicht politsch, dass wir uns selber immer mit anklagen. Ich finde das albern, über Dinge zu sprechen, von denen man nichts weiß und von den Dnigen, von denen ich was weiß, an denen bin ich selber schuld.

Das hört man auch wirklich einige Male heraus. Zum einen gibt es einige Forderungen auf eurer Platte zu hören, wie z.B. in "Mein Ruf" aber auch eine Spur Unbehagen wie bei "Zwischen den Zeilen". Ist das euer Ruf nach Veränderung?
Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass es in der nächsten oder igendeiner anderen Zeit irgendeine Verbesserung geben wird. Also bin ich da ein optimistischer Pessimist und hoffe, dass es so bleibt, wie es ist. Schlimmer werden kann es immer, besser werden kann es schwer. Von daher hoffe ich, dass es so bleibt, wie es ist.

Wo wir gerade bei Hoffnung sind: Was erhoffst du dir von eurer Platte, die heute rauskommt?
Ich würde mich einfach freuen, wenn das viele Menschen erreicht, auch im Sinne davon, dass sie etwas damit anfangen können. Also wenn das jetzt nur überall läuft und alle davon angenervt sind, dann bringt mir das nichts. Ich möchte, dass Menschen das nachvollziehen können und ihre eigenen Schlüsse daraus ziehen. Dass es eben für beide Seiten gewinnbringend ist, auf einer anderen als finanziellen Ebene. Mir gefällt eben auch das Gespräch über die Sachen, wenn es dann ein bisschen weiter geht.

Für wen mach ihr eure Musik?
Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen platt, wenn ich jetzt sage: wir machen das für uns. Aber wahrscheinlich machen wir das für uns. Wir hatten nie den großen Plan und das haben wir nach wie vor nicht. Wir setzen uns hin und fangen an was zu machen. Die Entwicklung nimmt dann von ganz alleine ihren Lauf. Ich freue mich sehr über jeden Menschen, der das hört und habe auch Gegenrespekt davor. Die Menschen zeigen ja uns Respekt. Darum respektiere ich das auch sehr, wenn Leute sich damit auseinandersetzen und damit auf mich zukommen und mir sagen: "Hier ich empfinde das und das und denke das und das", und dann setze ich mich ja auch damit auseinander. Aber im Großen und Ganzen glaube ich, dass ich immer in irgendeiner Art und Weise meine Gedanken nach außen bringen werde. Ich freue mich, wenn es Leute hören wollen und wenn es keine Leute hören wollen, dann mache ich es trotzdem.

Was verbirgt sich hinter dem Titel der Platte "Die Natur greift an"?
Die Natur greift an ist ja auch der Titel dieser drei Stücke am Ende der Platte. Es ist so ein bisschen ein Abriss des Gefühls was uns innerhalb der letzten Zeit beschlichen hat. In diesem Lebensabschnitt in dem ich mich gerade befinde und die anderen auch, haben wir sehr viel aufgenommen in der letzten Zeit. Die letzten 13 Jahre quasi in der Schule verbracht, uns wurde sehr viel aufgehalst, wir mussten immer alles wissen. Jetzt ist eben der Zeitpunkt, an dem wir uns entscheiden können, was wir wissen wollen und was wir wissen müssen und was uns überhaupt weiterbringt. Da setzt nämlich der erste Teil dann an. "Um Schönheit zu sehen", da geht es eben darum, zu hinterfragen. Der Titel "Die Natur greift an" steht für mich dafür, dass man einsieht, dass man älter wird. Das ist so die einzige Naturgewalt, die man durch keine Dinge, die bis jetzt erfunden worden sind irgendwie unterdrücken kann. Ich glaube man kann bis jetzt fast alles unterdrücken. Man kann alles vorraussehen. Aber jeder weiß auch, dass es irgendwann zu Ende ist. Und ich denke, dass diese Bewusstwerdung eine ganz wichtige ist, wenn es um geistige Freiheit geht. Wenn man weiß, dass es am Ende des Tages eigentlich egal ist, was man getan hat, weil es sowiso ein Ende gibt, was für jeden vorbestimmt ist. Egal auf welche Art und Weise. Das soll jetzt nicht irgendwie sektenphilosophisch oder esoterisch klingen, aber ich denke die eigentlich Nachricht dahinter- die einzig gute und hoffnungsvolle Nachricht- ist auch, dass alles egal ist.

Weil du irgendwann eh weg bist?
Ja. Also nicht im Sinne von "Nach mir die Sintflut" und ich lebe auf Kosten anderer, sondern "Wir müssen uns keine Sorgen machen". Es wird diesen Zeitpunkt in jedem unserer Leben geben, wo einfach alles vorbei und weg ist und nichts mehr kommt. Und dann hat alles seinen Frieden gefunden. Ich finde das hört sich natürlich auch ein bisschen traurig an. Für mich ist es einfach der ultimative Anstoß zu einer geistigen Freiheit, weil ich keine Angst mehr haben muss.

Also muss jeder für sich im Leben selbst sehen, was er tut?
Ich sehe viele Menschen, die sich sehr versteifen. Die sich gerade in einer sehr sicheren Zeit, immer noch weiter nach Sicherheit sehnen. Das ist das höchste, das wollen alle. Das ist irgendwie der neue Gott. Sicherheit ist irgendwie das, was jeder predigt und jeder auch hören will. Ich finde das sehr unangehm, ehrlich gesagt. Ich bin mir auf eine andere Art und Weise sicher. Ich bin mir sicher in dem was ich tue. Aber möchte mir auch die Sicherheit erlauben, nicht zu wissen was morgen ist. Ich finde das ist eher eine grausige Vorstellung.

Klingt ziemlich abgeklärt für so eine junge Band.
Ja, isses. Aber was soll ich dazu sagen?

"In jedem seiner milden Blicke" ein kleiner lyrischer Unterbrecher auf der Platte. Sollte das mal ein Song werden oder war das so geplant? Ist euch da keine Musik zu eingefallen oder wolltet ihr die Worte da so stehen lassen für sich?
Das ist tatsächlich ein Verbindungsstück zwischen diesen drei Liedern. Das erste und das zweite Stück sind beide ja sehr wütend. Es geht darum, sich frei zu machen loszumachen. Im ersten geht es um "wir werfen alles ab, schmeißen alles weg, sind nackt". Im zweiten Teil merkt man dann, wie viel man eigentlich braucht. Wie viele wichtige Dinge eben auch in diesem menschlichen Kosmos existieren, die man nehmen muss. Der Mensch kann ohne die Menschheit nicht existieren. Das ist eben diese traurige Erkenntnis aus diesem zweiten Stück und um dieses Gefühl deutlich zu machen, gibt es eben noch dieses dritte Stück, was eigentlich ein versöhnliches ist. Wo es darum geht "wir haben versucht uns zu wehren und finden jetzt einen Kompromiss, nämlich wir können es uns nicht wirklich erlauben frei zu sein in jedem Sinn, also suchen wir uns einzelne Stränge aus, in denen wir frei sein können, in denen es auch niemanden stört, dass wir frei sind". Um da den Bogen zu schlagen, war mir eben dieses Sprechstück wichtig, wo es darum geht, wie die Menschheit von außen das Entstehen neuen Lebens entwickelt. Es geht darum, das dieses unüberschaubare Wir der Menschheit zusieht was passiert und denkt zu wissen, was jetzt kommt. Es ist ja immer alles klar und jeder Mensch ist gleich und dann kommt eben dieses Ende. Das ist für mich irgendwie so ein Wiegenlied. Das ist für mich so etwas, was ich auch meinen Kindern mal vorsingen werde, weil es darum geht, sich im Kopf frei zu halten. Also alles was außen passiert, kann man nur überstehen, wenn einem bewusst ist, dass man in seinem Kopf Dinge erschaffen kann, die real werden. Und das ist immer so, es hört nie auf. Nichts was passieren kann, wird mich davon abhalten einen Stift in die Hand zu nehmen und zu schreiben.

Das hört sich alles ziemlich rund und nach einer Menge Gedanken an. Wie verhält sich das dann mit eurem Namen "Vierkanttretlager"? Habt ihr euch da auch so viele Gedanken gemacht? Fahrradantrieb? Wir müssen jetzt mal losfahren? Oder wie verhält es sich mit eurem Namen?
Eigentlich gar nicht. So viele Gedanken, wie wir uns machen, haben wir uns bei unserem Namen eigentlich nichts gedacht. Es gibt da diese schöne Geschichte, dass ich mit einem Mädchen telefoniert habe und sie dieses Wort von der Einradverpackung vorgelesen hat und mir gefiel einfach dieses Wort. Ich bin, was Sprache angeht, einfach sehr interessiert und freue mich immer, wenn ich Sachen höre, die ich noch nie gehört habe. Ich hatte dieses Wort noch nie gehört. Ich habe dann an dem Abend Christian, der heute Gitarre spielt, eine SMS geschrieben und meinte "Wenn wir irgendwann mal eine Band gründen, dann nennen wir die so". Und so ist es dann gekommen.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mir CASPER?
Casper war auf einem Konzert von uns im vorletzten Jahr und wir sind dann ins Gespräch gekommen über die Texte. Ihm gefiel das sehr gut. Ich habe mich da schon sehr geehrt gefühlt, weil mir das auch immer sehr gut gefallen hat, was er gemacht hat. Als wir uns dann entschieden haben, "Hooligans" neu aufzulegen, weil das ist ja schon auf unserer EP, habe ich mir gedacht, was machen wir da anders? Irgendwie brauchte das noch diesen Kick. Einfach nur nochmal das selbe Lied zu machen, war mir dann doch zu einfach. Und wir haben ihn dann einfach gefragt. Und dieses Lied gefiel ihm sehr gut und er hats dann gemacht.

Ihr wart mit ihm auch auf Tour.
Wir waren dann auch mit ihm auf Tour im Oktober.

Das sind dann ja eigentlich schon zwei ziemlich konträre Musikstile. Was war das für eine Erfahrung, auf so eine Tour zu gehen, eigentlich etwas ziemlich anderes zu machen, dann aber eben auch auf einer Bühne gemeinsam zu stehen?
Ich hatte am Anfang tatsächlich ein bisschen Angst, dass das für das Publikum nicht so ganz funktioniert. Ich muss sagen, dass es natürlich Ausfälle gab. Menschen, die sich sehr schlecht benommen haben. Aber das berührt mich nicht. Das habe ich irgendwie von meiner Mutter gelernt, die dann immer gesagt hat: "Was sagt es denn über diesen Menschen aus, das er das macht?" Von daher kann ich darüber hinweg sehen und sehen, wie schön es war, vor so vielen Leuten zu spielen. Und eben auch den Repsekt von jemandem zu bekommen, der im Moment eine so große Öffentlichkeit genießt und der sagt: "Ich möchte" -und es war ja ausdrücklich sein Wunsch- "euch mit auf dieser Tour haben." Und das seht bei mir im Vordergrund. Das Gefühl eben von Casper oder seinem Publikum so respektiert zu werden. Das war am Ende des Tages viel mehr wert.

Und wie ist das für eine so junge relativ unbekannte Band, direkt auf so einer großen Bühne zu stehen? Fühlt sich das nicht ein bisschen schräg an?
Ja, es ist natürlich manchmal ein bisschen surreal. Aber es passiert eben einfach. Ich bin ein großer Freund davon Dingen passieren zu lassen. Und so ist es einfach passiert. Ich bin da drauf gegangen und nach einer halben Stunde war es wieder vorbei und ich hab mich gefreut. Das war einfach schön.

Gibt es noch etwas, das du loswerden möchtest, was dir auf dem Herzen liegt?
Ne, tatsächlich habe ich schon so viel geredet, den Rest können sich die Leute dann einfach denken.

Ich danke dir!