RUSSIAN CIRCLES haben Kritiker und Fans zugleich 2016 erneut mit ihrem neuen Album „Guidance“ zu überzeugen gewusst. 2017 hängt das Postrock-Trio direkt ausgiebiges Touren auch in Europa an die Veröffentlichung des Albums dran.
Im Gepäck sind dabei diesmal CLOAKROOM. Keine wahrhafte Postrock-Band aus dem Bilderbuch, denn die drei Musiker aus Indiana mischen zwar durchaus sehr ausgiebige, jam-artige und melodiöse Postrock-Strukturen aneinander, doch werden diese zusätzlich durch den monotonen und tiefen Sprech-Singsang von Sänger Doyle Martin angereichert und driften auch desöfteren in Shoegaze- oder Indie-Gefilde ab. CLOAKROOM sind eine dieser vielen Bands, die man jahrelang auf seinem Zettel stehen hat, aber dann doch nie aufmerksam angehört hat. So geht es mir zumindest, und ich bin vor dem Konzert auch sehr verwundert, dass eine Band auf Run For Cover als Vorband für Russian Circles agiert, schließlich kennt man von dem Label ja eher fröhliche und sanftere Klänge. Vielleicht erklärt sich diese Fügung durch den Wechsel zu Relapse Records im letzten Jahr, in dessen Rahmen CLOAKROOM auch eine Single veröffentlichten und ein Album für die Mitte des Jahres 2017 ankündigten. Doch auch davor war das Klangbild der Band nie das fröhlichste, ich fühle mich unweigerlich an die zerbrechliche Stimme von Kyle Durfey (Pianos Become the Teeth) erinnert, als CLOAKROOM ihren ersten Song im Kölner Gebäude 9 anstimmen. Der sphärische, tagträumerische und irgendwie auch pessimistisch-jammernde Sound der Band funktioniert in dieser Venue sehr gut, denn sie sorgt für einen eher kühlen und sehr verwaschenen Sound. Da wirkt es lediglich etwas verloren und deplatziert, wenn Doyle zwischen den Liedern Ansagen macht, obwohl der Hall auf seinem Mikrofon wirklich auf 11 gedreht ist und man ohnehin kein Wort versteht. Man versteht lediglich, dass er beim Sprechen nicht sehr motiviert klingt. Fazit nach einem etwa vierzigminütigem Set: Das hätte gerne auch etwas kürzer sein können. Zwar hat die Band ihre Hausaufgaben gemacht, versteht ihr Handwerk und platziert sich gekonnt in einer ganz bestimmten Nische (ganz Nahe an der Nische, in der sich Fans von mewithoutyou und The Saddest Landscape auch wiederfinden dürften), aber einer meiner neuen Geheimtipps wird das voraussichtlich nicht werden.
Obwohl die Gegebenheiten bei der Vorband noch ganz andere waren, ist nach der langen Wartezeit bei RUSSIAN CIRCLES direkt zu Anfang klar: Der Sound ist differenzierter und die drückende Wand, zu der sich die Kapelle manchmal entwickelt, ist auch heute massiv wie eh und je. Mit sehr leisen Klängen und an den Drums sehr zurückhaltend dient „Asa“ vom neusten Album auch als Einführung in die Live-Show, gefolgt von „Vorel“. Das Publikum hat das Trio, genau wie man es gewohnt ist, direkt für sich gewonnen. Und zwar anscheinend vollends, und das hat etwas zu bedeuten an einem schon lange ausverkauften Abend im Gebäude 9, an dem die Massen wie in einer Riesensauna auf engstem Raum zusammenstehen, dabei in ihre Jacken eingepackt sind und trotzdem das Tempo von RUSSIAN CIRCLES mitgehen. Andere Bands kriegen ihren Applaus zwischen den Liedern. Nicht so RUSSIAN CIRCLES. Bei fast jeder der neuen Passagen, die Mike Sullivan mit seinen ausgeklügelten Riffs einleitet, jubelt im Publikum jemand los. In den Palm-Mute-Passagen kommen die Headbanger auf ihre Kosten, die Kanten ballen ihre Fäuste und schlagen im Takt die Luft K.O., in ruhigeren Passagen wippen die kleinen Mädels verträumt hin und her - auch heute wird wieder augenscheinlich, wie viele verschiedene Menschen- und Musikgruppen RUSSIAN CIRCLES mit dem ansprechen, was sie da tun. „Deficit“ und „1777“ führen einem wieder einmal vor Augen, was für eine unglaublich gute Platte „Memorial“ doch war. „Afrika“ ist mit Sicherheit der sanfteste Song im Set und durch ihn kann die Band noch einmal eine ganz neue Seite von sich präsentieren, ohne sich selbst untreu zu werden. Und gerade Klassiker wie „Harper Lewis“ und „309“ lassen die eingefleischten Fans schon zu Beginn des Songs aus dem Häuschen fahren. Bei all dieser Euphorie ist es kein Wunder, dass Köln auch nach weit über einer Stunde Spielzeit noch nicht genug hat und Zugabe fordert. In Form von „Youngblood“ liefern RUSSIAN CIRCLES nochmal ein Schmankerl zum Abschied. Da hofft man wie auch im letzten Jahr einfach nur wieder, dass sie schnell zurückkommen mögen. Auch wenn der Sound im Duisburger Grammatikoff im letzten Jahr etwas besser ausgefallen war.