Auf dem ersten Blick erscheint natürlich das große, mit aufwändigem Medien Tam-Tam begleitete Rock Am Ring das bessere, angesagtere, größere und hippere der beiden Zwillingsfestivals zu sein. Betrachtet man jedoch die Situation vor Ort so besticht das kleinere Rock Im Park schon immer mit unschlagbaren Qualitäten wie kürzere Wege zwischen den Bühnen (max 10 Minuten), Stadtnähe zu Nürnberg, einer perfekten Infrastruktur und einer herausragenden Location. Dieses Jahr hatte Rock Im Park noch den Bonus des substantiell besseren Wetters: bis auf ein paar heftige Regenschauer und kleinere Gewitter verlief das Festival wie geplant ohne Unterbrechungen. Die schrecklichen Ereignisse bei Rock am Ring und die Absage müssen hier nicht weiter vertieft werden, weil bekannt.
Für mich begann der Freitag relativ spät und entspannt: man schlenderte zu BRING ME THE HORIZON auf die Hauptbühne um sich während selbigen einen guten Platz für Black Sabbath zu sichern. Dabei hatte der Abschluss der Hauptbühne eine sehr interessante Konstellation zu bieten. Es standen potentiell drei Wegbereiter neuer Metal-Genres hintereinander auf der Bühne. Bring Me The Horizon als die jungen, neuen Innovativen, Korn als Erfinder des Nu Metal und Black Sabbath als die Begründer des Genres Metal. Fangen wir mit BMTH an: selbige lieferten zwar eine energie- und effektgeladene Show ab, die auch beim Publikum regen Anklang fand aber so sehr ich mich als Autor dieses Artikels auch bemühe einen Zugang zu dieser Band zu finden, es mag mir nicht gelingen. Das wirkt auf mich vom Songwriting bis hin zur Show alles viel zu sehr konstruiert und aufgesetzt.
KORN haben in ihrer Karriere zweifelsohne herausragende aber auch schwache Alben veröffentlicht. Unabhängig davon war die Band immer ein Garant für sehr gute Konzerte, egal ob 1995 vor 300 Leuten im Backstage in München oder auf den ganz grossen Festivalbühnen: Korn haben live immer und ohne Ausnahme überzeugen können. Am Rock Im Park Freitag war das leider nicht so recht der Fall. Korn waren ein Schatten ihrer selbst und lieferten einen recht unmotivierten, gar halbseidenen Auftritt ab, der auch im Publikum nur verhaltene Reaktionen auslöste.
Ganz anders präsentierten sich hingegen die fast 70 jährigen Pioniere von BLACK SABBATH, die Bill Ward daheim liessen und wie schon bei den vorherigen Touren Ozzy’s Dummer Tommy Clufetos hinter die Schiessbude setzten. Black Sabbath werden nach dieser Tour ihre Live-Karriere beenden weil die Strapazen des Tourens einen erneuten Krebsausbruch bei Tony Iommi auslösen könnten. Black Sabbath setzten zu Beginn ihrer Show auf tendenziell sperrigeres Material. Los ging es mit „Black Sabbath“, dem Song mit dem in den 60ern alles in Birmingham begann, „Fairies Wear Boots“, „After Forever“ und „Into The Void“. Das Publikum war von Anfang an textsicher dabei und unterstützte Ozzy lautstark. Selbiger wirkte zwar körperlich recht fit, war allerdings musikalisch auf der gesanglichen Ebene das schwächste Glied der Band: die hohen Töne wollten nicht mehr so recht kommen. Tony Iommi und Geezer Butler waren hingegen eine Bank und rollten ein fettes Riff und einen fetten Groove nach dem anderen über das Zeppelinfeld. Die stoische Ruhe, die die beiden dabei im Gegensatz zum sympathischen Hampelmann Ozzy ausstrahlten war beachtlich. Im Vergleich zu vielen anderen grossen Bands des Festivals zelebrierten Black Sabbath Understatement in Perfektion: einfachstes Licht, ein bisschen Videowall, ein paar Verstärker und das war es. Wo andere Bands (hallo an Heaven Shall Burn) Feuerinferno zelebrieren setzen Black Sabbath auf animierte Flammen im 16 Bit Farbschema, göttlich. Der letzte Teil der Setlist wurde primär mit den Top-Hits der Band bestritten. Es wurden unter anderem „War Pigs“, ein Song dessen Text heute zeitgemäßer ist denn je, „Iron Man“, „NIB“ oder „Children Of The Grave“ gespielt. Zwischendurch gab es noch mit „Hand Of Doom“ eine kleine aber feine Überraschung und „Rat Pack“ leutete den Übergang zu einem wahrlich grandiosen Schlagzeug Solo von Tommy Clufetos ein. Der Kerl beherrscht sein Handwerk auf beeindruckende Weise und befindet sich in der Liga von Dave Lombardo, Marco Minnemann oder Tim Alexander. Beendet wurde die Show natürlich mit dem obligatorischen „Paranoid“. Nach all der Lobhudelei ist allerdings auch ein wenig Kritik nötig: da veröffentlichen die Herren mit 13 ein irre gutes Reunionalbum mit klasse Lyrics und spielen keinen einzigen Song davon live, nur „Zeitgeist“ schaffte es als Ausklangsong vom Band in das Set.
Der Samstag begann für uns mit den Wikingern von AMON AMARTH, die gerade mit ihrem sehr guten neuen Album „Jomsviking“ die europäischen Festivals beharken. Amon Amarth lieferten wie immer ein aufwändiges Bühnenbild. Zwar legte das Wikingerschiff nicht im Hafen von Rock Im Park an, dafür landeten allerdings zwei große, rauchende Drachenköpfe auf der Bühne. Die Band bot eine gute Auswahl aus alten Songs und dem neuen Album sowie eine schöne Show mit viel Rauch und Feuer. Leider haperte es allerdings am Sound, denn die Bass-Drum war viel zu übersteuert was dazu führte, dass die melodischen Gitarren - ein Trademark im Amon Amarth Sound - leider untergingen. Lieber Sound-Guy, das müssen wir nochmal üben ;-)
Nach Amon Amarth ging es rüber zur Park Stage um Maynard James Keenan (ua Tool) mit seiner Band PUSCIFER zu sehen. Selbige lieferten die mit Abstand kreativste und zugleich skurrilste Show des Festivals ab. Das visuelle Motto des Konzerts lautete „Wrestling“ und Puscifer hatten einen Kampfring samt Wrestler auf der Bühne. Die Wrestler waren in zwei Teams (rot und blau) eingeteilt und lieferten sich während des Konzerts laufend Provokationen und Kämpfe. Dazwischen stand ein unabhängiger Kämpfer mit Zunge im Gene Simmons Format, der überall mitmischte, und die Band. Letztere spielte zu all dieser Action betont langsame, behutsame und melodiöse Musik, was für ein Kontrast. Puscifer sind eine klasse Band, die man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte.
Nach Puscifer betraten PANIC AT THE DISCO die Bühne, die primär durch Belanglosigkeit und einer Unverschämtheit sondergleichen glänzten. Liebe Leute: wir sind alle grosse Queen Fans, wir finden alle, dass Bohemian Rhapsody einer der überragendsten Rock Songs aller Zeiten ist aber bitte bitte, covert diesen Song nicht wenn Euer Sänger nicht mindestens auf dem Level von Freddy Mercury liefern kann. Das war kein Cover, das war Blasphemie. Ein wenig mehr Respekt wäre angebracht.
Den Samstag beendeten die dänischen Senkrechtstarter von VOLBEAT, welche eindrucksvoll bewiesen dass sie inzwischen auf die grossen Bühnen gehören. Die Rocker boten eine aufwändige Bühnenshow, allerbesten Sound und eine massenkompatible Auswahl an Songs. Auch wenn ich als Autor dieser Zeilen noch immer finde, dass Dominus besser waren als Volbeat, muss man anerkennen, dass hier eine super Gruppe auf der Bühne stand, die live immer liefert. War ein sehr gutes Konzert.
In der Nacht von Samstag auf Sonntag wurde Rock Am Ring wohl zurecht aber dennoch leider abgebrochen. So etwas wünscht man keinem Veranstalter. Der Park ging hingegen wie geplant weiter.
Los ging es mit den DEFTONES, welche sich zwar mächtig ins Zeug legten, aber auf einer solch grossen Bühne am Nachmittag einfach deplatziert sind. Die defontes sind einfach keine Festivalband sondern eine Gruppe, welche es versteht jeden Club zum brennen zu bringen. Für einen bierseligen Festivalnachmittag sind deren Songs einfach zu vertrackt und anspruchsvoll.
Weiter ging es auf der Park Stage mit KILLSWITCH ENGAGE, der Band die bisher im Schnitt die besten Albumbewertungen in 19 Jahren Allschools erhalten hat. KSE lieferten eine engagierte Show ab und wechselten munter zwischen alten und neuen Songs. Adam nimmt sich noch immer nicht ernst und glänzte durch dumme Sprüche und geexte Biere. Leider hatten die Niederschläge der vergangenen Tage ihren Tribut am Gelände gezollt. So klaffte eine riesen Schlammpfütze zwischen den vorderen Wellenbrechnern und dem hinteren Bereich der Bühne, was zur Folge hatte, dass nur eine überschaubare Anzahl von Metalcore Fans den Weg durch den Matsch auf sich nahm wodurch der vorderste Wellenbrecher gut und der zweite Wellenbrecher gar nicht gefüllt war. Dahinter standen dann die nächsten Leute in 200 Metern Abstand. Schlussendlich war die Show von Killswitch Engage solide, aber zum Highlight hat es doch nicht ganz gereicht.
Eines der absoluten Highlights von Rock Im Park sollte danach mit HEAVEN SHALL BURN folgen: die „German Warmachine“ lieferte auf allen Ebenen ab als gäbe es keinen Morgen. Vom Black Sabbathschen Understatement war keine Rede mehr, es wurde aus allen Rohren Blastbeats, Konfetti, Riffs Luftschlangen, Melodien und Feuer geschossen. So beeindruckend das war und so gut es ankam wäre es mal wieder spannend eine grosse HSB Show ohne all diesen Popanz zu sehen. Dennoch präsentierten sich HSB unaufgesetzt und sympathisch wie eh und je. Ein Lob verdient zudem der Mixer (Jo) von HSB: es gab auf dem Festival keinen Metal Act der so ein ausbalanciertes und klares Soundbild hatte wie Heaven Shall Burn. Auf der anderen Seite ging das Publikum mit und lieferte seinerseits grosse Wall Of Deaths und Circle Pits. Heaven Shall Burn haben sich mal wieder für höhere Weihen empfohlen und es ist schlichtweg unverständlich warum die Jungs vor Bullet For My Valentine und Boss Hoss auf die Bühne müssen. Man muss sich nur anschauen was nach Heaven Shall Burn bei Bullet For My Valentine los war: nichts nennenswertes.
Zusammenfassend kann man festhalten, dass Rock Im Park ein gelungenes Grossfestival mit perfekter Organisation und überwiegend guten Bands war. Highlights waren Black Sabbath, Puscifer und Heaven Shall Burn. Wer grosse Festivals mit all ihren Vor- und Nachteilen mag wird bei Rock Im Park sicher eine gute, wenn nicht bessere Zeit als am Ring haben.