Interview mit A Day To Remember

03.03.2011
 

 

Müde. Ausgebrannt. Leer. Wörter, die vielen Bands in den letzten Tagen einer Tour unsichtbar auf der Stirn eingebrannt scheinen. Einige Bands schaffen es, das gekonnt zu überspielen. Andere dagegen sehen aus, als lägen ihre Gesichtszüge in den Händen eines Marionettenspielers, der gerade schläft.

Müde. Ausgebrannt. Leer. Diese Worte sind im Raum spürbar. Auf einer alten gammeligen Couch sitzen Jeremy und Josh, durch eine Glaswand abgetrennt von dem Bereich, der wie der Raum eines Jugendzentrums aussieht. Von dem Bereich, in dem die anderen Bandmitglieder intensiv Tischkicker spielen und essen. Blicke, die sagen „da wär ich jetzt auch lieber, anstatt zum hundertsten Mal irgendwelche Fragen zu beantworten“ verlassen den Raum Richtung draußen. Fragen werden gestellt, müssen wiederholt werden, weil man „sorry gerade woanders“ mit seinen Gedanken war. Vielleicht überlegen sie, wo sie die Kräfte für die Show heute Abend hernehmen sollen. Fragen werden gestellt, es wird lange überlegt oder einfach den Tourmanager gefragt („hey was würdest du sagen?“), der im selben Raum vor seinem Laptop sitzt. Vor Josh steht sein Macbook, das schnell nur halb runtergeklappt wurde, zwischendurch wird immer durch den offenen Spalt geschaut. Online mit Freunden zu reden scheint interessanter, als einer Wildfremden mal wieder seine Musik zu erklären.

„Ich habe noch niemanden getroffen, der auch nur halb so viel erlebt hat, wie wir“

Müde. Ausgebrannt. Leer. Und trotzdem würden A Day To Remember nicht mit Freunden tauschen wollen, die zu Hause ein geregeltes Leben führen: „In einer Band gibt es immer Höhen und Tiefen. Trotzdem würde ich mit niemandem auf der Welt gegen ein normales Leben tauschen wollen. Bisher habe ich noch niemanden getroffen, der auch nur halb so viel erlebt hat, wie wir. Und wir sind Mitte 20. Ich bin glücklich mit dem, was ich bin und den Entscheidungen, die ich getroffen habe, um jetzt an diesem Punkt zu stehen“, sagt Jeremy und für einen Moment ist ein Hauch von Leidenschaft in seiner Stimme hörbar.
In einer Band sein das ist wie ein Rund-um-die-Uhr-Job, bei dem man immer bereit sein muss. Alles was man erlebt, könnte eine Situation für einen neuen Song sein, weiß Jeremy: „Ich reise immer mit Akustikgitarre und Zettel und Stift. In der Musik gibt es keine Arbeitszeiten, es kann zu jeder Tages- und Nachtzeit eine Idee kommen. Deshalb ist es nicht nur meine Arbeit, sondern ein Teil von mir.“

Obwohl ein Musikerleben sich nicht an feste Zeiten und geregelte Abläufe hält, gibt es insgeheim ein paar Regeln. Zum Beispiel Wörter, die man auf keinen Fall in Songtexten verwenden sollte. „Es gibt viele Sachen, die ich nie schreiben würde. Da sind so viele Wörter, die oft auf lahme Art und Weise benutzt werden, das geht echt gar nicht. Eins von diesen Wörtern ist «Träume». Das ist ein Wort, das zu häufig benutzt und schlecht eingesetzt wird. Ich muss zugeben, dass ich in unseren Songtexten auch mal irgendwas mit «Träume» geschrieben habe. Aber da finde ich es nicht schlimm, weil es immer um den Zusammenhang geht, in dem es geschrieben wurde. Und bei den meisten Bands ist der echt lahm“, erklärt Jeremy.

Wie man eine Frau aus seinem Bett jagt auf A Day To Remember Art

Er gibt zu, früher hat er öfters was von „Träumen“ geschrieben, auf genau diese lahme Art und Weise, die er jetzt so hasst. Es muss schreckliches Zeug sein. Unveröffentlichte alte Demo-Tapes. Josh scheint zu wissen, wovon Jeremy da redet und hat auch eine Verwendungsidee dafür: „Diese unveröffentlichten Songs sind so schrecklich, die spielst du nur einer Frau vor, die du aus deinem Bett jagen willst. Und glaub mir, das funktioniert. Die Frau würde sofort flüchten“, ist sich Josh sicher.
Den besten Eindruck von A Day To Remember bekommt man Jeremys Ansicht nach auf dem letzten Album „Homesick“ und der aktuellen Platte „What Separates Me From You“: „Sie sind ein guter Mix von dem, was wir sind. Darauf kann man unsere unterschiedlichen Einflüsse hören. Ich würde sie jedem empfehlen, der noch nie von uns gehört hat, damit er direkt die volle Bandbreite serviert bekommt.“

Joshs Eltern dagegen konnten erst so gar nichts mit der Musik ihres Sohnes anfangen, haben so etwas früher nie gehört. „Der Grund, warum sich meine Eltern das anhören? Weil ich ein Teil davon bin. Wenn sie Besuch von Freunden haben, machen sie den Computer an und spielen es ihnen vor. Voller Stolz. Mittlerweile hören sie unsere Alben sogar rauf und runter“, freut sich Josh, dass seine Eltern doch noch Zugang zu seiner Musik gefunden haben. Wenn auch nur wegen ihm.
Die Eltern macht der zunehmende Erfolg stolz, die Fans dagegen weniger. „Es ist traurig, dass es Leute gibt, die uns nicht mehr hören wollen, nur weil wir bekannter werden. Dabei tun wir immer noch das, was wir immer getan haben: Musik machen. Ich glaube man muss einfach drüber hinwegsehen und die Leute reden und machen lassen“, erzählt Jeremy und fährt fort: „Unser Album-Trailer hat gezeigt, dass wir damit gut umgehen und uns selbst auf den Arm nehmen können. Die ganzen Kids haben sich darüber beschwert, dass wir keine harten Songs mehr haben und sagen, dass wir nur noch eine Pop-Band sind. Also wollten wir alle ein bisschen verarschen und haben diesen Album-Trailer gemacht. Letzten Endes hat es funktioniert. Es gab Leute, die total verwirrt waren. Aber wir sind ja immer noch die gleichen“, diesmal kann er sich ein Grinsen nicht verkneifen.

„Die Fans erklären mir meine Songs, erzählen mir ihre Geschichten dazu“

Was Jeremy besonders an der A Day To Remember Musik und vor allem an dem aktuellen Album „What Separates Me From You“ mag, kann er schnell erklären: „Ich glaube unsere Musik ist selbsterklärend. Ich brauche nicht ständig sagen was welcher Song bedeutet, ich schreibe sie einfach klar erkennbar.“ Denn sich und seine Musik ständig zu erklären, das langweilt auf Dauer. Außerdem will Jeremy lieber, dass seine Fans ihm seine Songs erklären. „Es ist oft so, dass Leute mir sagen, was sie aus unseren Songs mitnehmen. Sie erklären sie mir, sie erzählen mir ihre Geschichten dazu. Sie sagen mir, welcher Song ihnen aus welchen Gründen etwas bedeutet. Das ist ein unglaubliches Gefühl. Darum schreibe ich gerne Songs. Die Fans können dadurch eine Verbindung zu unserer Band aufbauen. Das ist unglaublich cool“, erzählt Jeremy eher gelangweilt. Die Großartigkeit von dem, was er dort sagt, die ist nicht zu spüren, die kauft man ihm auch irgendwie nicht ab, während er da so an einem Stecker spielt, der vom Tisch runterhängt.
Müde. Ausgebrannt. Leer. Und gelangweilt sein. „Wir sind nicht solche Jungs, die die ganze Zeit scheiße bauen, wenn sie auf Tour sind. Wir sitzen lieber alle zusammen im Bus spielen Videospiele und schauen uns Filme an“, beschreibt Jeremy das Tourleben. Josh, der während des ganzen Interviews nur ein paar Sätze von sich gegeben hat, stimmt ihm kopfnickend zu. Das Interview ist zu Ende. Verabschiedungsgeplänkel. Nachdem die Glastür zufällt, verrät ein letzter Blick: Müde. Ausgebrannt. Leer. Jeremy hat schon seinen Kopf in den Nacken gelegt und die Augen geschlossen, Josh direkt sein Macbook aufgeklappt und Musik angemacht.