Allschools Jahresrückblick 2010 online

01.01.2011
 

 

Der Mensch ist ja durchaus lernfähig. Und ja: es passieren noch Dinge, die unseren Denkhorizont erweitern. Auf welche Art und Weise auch immer. Spätestens seit 2010 wissen wir: auch komplette Staaten können pleite gehen, Aschewolken machen blickdicht und lassen Konzerte ausfallen, der Deutsche an sich ist schon mal Wutbürger und hat wieder Bock auf Protestkultur. Öffentliche Veranstaltungen, von denen man eigentlich meinen sollte, sie seien minutiös durchgeplant, können zu Todes- und Diskursfallen werden, Michael Jackson bleibt tot (bringt aber ein neues Album raus) und diese inflationär zitierten Geheimdepeschen können mitunter stinklangweilig sein. Der gemeine hyperaufgeklärte Westler bleibt ein überreiztes Wesen. Der Informationsoverkill jedenfalls nimmt nicht ab. Zeit also sich in die Welt des schönen (ist ja relativ) Klangs zu flüchten. Was war da los? Zu viel möchte man meinen. Heutzutage hört ja jeder alles, was die Sache nicht unbedingt einfacher macht. Gibt es noch Menschen, die ausschließlich Hardcore hören? Oder Metal? Oder Punk? Eigentlich schwer zu glauben. Ist der THE GASLIGHT ANTHEM-Hörer von heute nicht der Electro-Konsument von morgen? Schon die Karten für die TAKE THAT-Reunion-Tour gekauft? Ist ja prinzipiell alles möglich, da muss noch nicht mal das olle Füllwort postmodern bemüht werden. Kommt da hinten etwa ein Aufstand? Und wer rettet denn endlich mal den Metal? IRON MAIDEN jedenfalls nicht. Die bleiben sich einfach treu (Metal-Hörer kaufen übrigens noch fleißig Tonträger und nicht nur Tourshirts gedruckt auf Gildan Ultra Blend, liebe Hardcorekids). Sonst noch was? Downloading ist immer noch the new Plattenkauf. Playlists substituieren das Albenhören am Stück. Und das Gefühl von einer persönlich bisher völlig unbekannten Band völlig aus den Socken gehauen zu werden, bleibt auch im Jahr 2010 eine existentielle Erfahrung im Leben eines jeden Musik-Nerds. Das wird sich nie ändern. Und das ist verdammt gut so. Man ist ja irgendwie auch froh, dass bei dem ganzen You
Tube-Video und Linkgeposte, Dinge für die Ewigkeit bleiben. Aber jetzt nochmal etwas konkreter: Wertkonservative Bühnenmalocher wie TERROR und SICK OF IT ALL haben nochmal die Kurve gekriegt. An JIMMY EAT WORLD scheiden sich die Geister. THE DILLINGER ESCAPE PLAN stagnieren auf höchstem Frickelniveau und DEFEATER dürfen erst im nächsten Jahr den Hardcore retten. Qualitätslabel bleiben wichtig, geschäftsfähige Modelle bleiben gefragt. Über allem steht natürlich das große, gar nicht mal so unbekannte Wesen. Der Konsument, der Käufer, der Leser, der Macher, der Kritiker, der Spinner. Ohne ihn läuft das ganze Geschäft, das ja immer auch eine verdammte Leidenschaft sein sollte, eben nicht. Deswegen bedanken wir uns bei euch. Weil ihr hier lest, kommentiert, verteufelt, es besser wisst. Hoffen wir auf ein ebenso ereignisreiches Musikjahr 2011. Bei allem Kulturpessimismus bleibt doch zu sagen: (subjektiv) gute Musik darf niemals sterben. Aber dafür werdet ihr schon Sorge tragen.

Euer Allschools-Team

Den Rückblick findet ihr HIER.