Plattenkritik

ADAM ANGST- Neintology

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Info

Release Date: 28.09.2018
Datum Review: 21.09.2018
Format: CD Vinyl Digital

Tracklist

 

01. Der Beginn von etwas ganz Großem
02. Punk
03. Alexa
04. Blase aus Beton
05. Alle sprechen deutsch
06. Damit ich schlafen kann
07. Kriegsgebiet
08. Immer noch
09. Alphatier
10. D.I.N.N.
11. Physik

ADAM ANGST- Neintology

 

 

 

"Der Beginn von etwas ganz Großem" heißt das Intro der zweiten Platte von ADAM ANGST und klingt ziemlich groß, brachial, bombastisch, rennt Türen ein. ADAM ANGST schicken die Panzerfaust vor, bevor sie den Vorhang aufziehen und den krawallfreudigen Menschen zu einem Tänzchen bitten.

 

Ironie setzt Intelligenz bei den Empfangenden vorraus. Ja. Aber das ist ja bei diesem Emopostpunkcorewhatever, wie ihn ADAM ANGST schon auf ihrem Debut gezeigt haben. Felix Schönfuss hat das Dilemma überwunden, dass Bands in denen er seine Finger im Spiel hatte (ESCAPADO, FRAU POTZ) nie über ein Debut mit ihm hinaus gekommen sind. Und im Falle von ADAM ANGST hat sich das wahrhaftig gelohnt.

 

ADAM ANGST legen auf Neintology definitiv noch eine Schippe von allem oben drauf. Der Wind in der Gesellschaft ist rauher geworden, also muss man sich eben noch lauter und energischer dagegen stemmen. Ironie kann da hilfreich sein, um die Bodenlosigkeit der blau angemalten Scheiße zu ertragen. "Alle sprechen deutsch" ist so ein Paradebeispiel dafür. Pauschalurlaub im Ausland, aber eben doch nicht aus der Blase rauswollen. Filterblase könnte übrigens auch so ein Stichwort sein. ADAM ANGST packen die Menschen in ihren sauberen, hübschen Scheibchenvillenblasen aus Beton am Kragen und schütteln sie mal ordentlich durch. Dabei lassen sie keines der aktuellen Themen aus. Faschismus, Flucht, Krieg, Ausbeutung, Überwachung durch neue Technologien. Mit viel Krach und Wut, dabei die schweren, feinen Arrangements zwischen simplem Punkrock und mirreißenden Metalriffs nicht vergessen. Kraftvoll geht es durch all diese Themen, denn Kraft braucht es. Dabei klingt es selten so wutverzweifelt, sondern wirklich energetisch. Am ADAM ANGST führt kein Weg vorbei und das ist auch gut so. Einmal RundumSCHLAG.

 

Und auch bitterste, persönliche Themen werden nicht ausgeklammert. Beziehungsdramen im ureigentlichen Sinne sind damit nicht gemeint. "Damit ich schlafen kann" klingt schon fast balladesk und haut einem mit seiner vergleichsweisen Ruhe eben genau in die Kerbe, vor der alle engagierten Menschen Angst haben. Burnout, Depression, psychische Erkrankung, verzweifelte Hilflosigkeit der Betroffenen und ihrer Angehörigen. Ein Thema, welches in der Szene seit einiger Zeit dankenswerter Weise Sichtbarkeit durch Benennung erlangt. Und zwar tiefergehend, als der übliche Liebskummerherzschmerzkrams, der immer schon ein großes musikalisches Thema war. Eines der letzten Tabus der Leistungsgesellschaft findet Beachtung. Das Private ist und bleibt politisch. Dankesehr.

ADAM ANGST schaffen mit "Neintology" ein neues Stück wichtiger Emopostpunkcorewhatever. Keine Schublade bleibt geschlossen, aber in keine passen sie rein. Und das ist auch gut so. Nichts für leichte Gemüter, aber diese Zeit ist vielleicht auch nicht die Zeit für Leichtigkeit.

 

Autor

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Jule

Autoren Bio

wäre gern teil einer postfeministischen emopunkband/ verbalprimatin/ kuchenveganerin/ ich kann mir keine songtitel merken, selbst die meiner lieblingssongs vergesse ich.../ ich bin nicht betrunken, ich bin immer so/ fraujule.blogspot.de