Man wird A RIVER CROSSING nicht gerecht, wenn man die Schweizer lediglich als eine Postrockband beschreibt. So trauen sich die Jungs auf ihrer zweiten full-length Platte „Forsaken“ (2021) verschiedene Genres in ihren Arrangements einfließen zu lassen. Dieses Vorhaben gelingt an einigen Stellen einwandfrei. Einzig die Vocals brauchen lange, um wirklich zu begeistern.
So ist die Anfangsnummer „Ashes“ einerseits mit sehr interessanten Harmonien seitens der Gitarren ausgestattet, ohne dabei zu sehr in den Vordergrund zu rücken. Drums und Bass halten sich ebenfalls weitestgehend zurück, um dem Gesang den nötigen Platz zu lassen. Dieser jedoch erscheint viel zu brav, fast schon schüchtern, als wolle er sich nicht entfalten. Die dazu einsetzenden weiblichen Vocals machen das Geschehen leider nicht wirklich besser, sondern eher kitschiger.
Dieser Linie bleiben sich A RIVER CROSSING zunächst treu. Bei „Hidden“ ist die Rollenverteilung bei abermals klar und klug verteilt: Zurückhaltende Drum- und Basslines, kombiniert mit atmosphärischen Gitarren geben ein starkes Klangbild wieder. Einzig die Hintergrundgitarre hätte ruhig den ein oder anderen Akkordwechsel, der erst gegen Ende eintritt, vertragen können. Die Vocals, die gegen Ende der Nummer einsetzen, sind an sich solide und dennoch zu brav sowie monoton. Das nahezu Gleiche ließe sich bei „Torn“ formulieren – instrumental läuft alles reibungslos ab, während der Gesang viel zu wenig aus sich herauskommt.
Erst gegen Ende der vierten Nummer „Death“ scheint der Gesang über seinen eigenen Schatten zu springen. Davor ist wieder einmal das Gesamtpaket mit dem der vorherigen Stücke identisch. Kreatives Songwriting, kombiniert mit zu braven Vocals. Nach ca. fünf Minuten scheint auch der Gesang verstanden zu haben, dass höhere Lagen nötig sind, um nicht allzu monoton zu wirken. Besonders das Outro mit dem Einsatz der Blechbläser weiß zu gefallen. Ab diesem Moment entwickelt sich aus einer bislang soliden Platte ein wirklich gutes Album.
Die letzten Stücke „Spines“ und „Tar“ scheinen diese Entwicklung zu bestätigen. Ersteres begeistert nicht nur durch seine Taktwechsel (mal ein 4/4, mal ein 6/8-Feeling) oder coolen Betonungen. Der ohnehin schon offene Sound wird durch die nun sehr leidenschaftlichen Vocals perfekt abgerundet. „Tar“ wirkt zum Abschluss dagegen äußerst düster und melancholisch, bringt jedoch alles mit, was man sich unter einem starken Postrock-Song vorstellt. Auch hier beweisen die Vocals ihre eigentliche Klasse.
„Forsaken“ ist definitiv eine hörenswerte und vor allem kreative Platte. Am instrumentalen Handwerk hat man bei A RIVER CROSSING wenig bis gar nichts auszusetzen. Zudem sind die Stücke atmosphärisch und nicht zu eintönig, was bei Postrock keine Selbstverständlichkeit ist. Es gilt jedoch festzuhalten, dass die Vocals sich erst gegen Ende der Platte wirklich entfalten konnten – das ist in Anbetracht der ersten drei Songs ziemlich schade. Trotzdem, A RIVER CROSSING können auf die letzten drei Stücke absolut aufbauen!