Oh Freud und Leid, wie nah ihr doch immer wieder bei einander liegt. Und ach, wie leicht ihr teilweise doch von einander zu unterscheiden seid und trotzdem nicht ohne den anderen könnt. Paradebeispiel: ABE VIGODA. Da könnte man euphorisch von einer richtig gut gelungenen neuen Platte reden, irgendwo zwischen MY BLOODY VALENTINE, den LoFi-Noiseexperten von NO AGE und gar DEPECHE MODE. Man könnte. Wenn, ja wenn da nicht dieses klitzekleine Detail namens Gesang wäre, das es immer wieder schafft, die gelungenen Songs fast bis zur Unhörbarkeit zu entstellen.
Man muss sich das mal vorstellen: da kommt eine Band daher, die alle Anlagen hat, um ein ausgesprochen stimmiges und originär klingendes Indie-Album mit leichten Elektronik- und Noise-Anteilen zu kreieren und dann lamentiert darüber ein Sänger, dem nichts besseres einfällt, als mit allen Kräften unter Ächzen und Stöhnen zu leiden. Nicht, dass das nicht auch schonmal funktioniert hätte. Bei anderen Bands. Zu anderer Musik. Nun sind zwar ABE VIGODA mit Sicherheit keine sonderlich fröhliche Band, eine solche Einbahnstraßen-Vokalisierung haben sie aber definitiv nicht verdient. Wo musikalisch vor allem die Grautöne mittels elegischer Melodien wie auch knarzender Elektronicbeats bearbeit werden, färben die Vocals alle Songs in das immer gleiche Schwarz ein und berauben „Crush“ hierdurch genau dessen, was diese Platte zu einem wirklich empfehlenswerten Album gemacht hätte und auch das Artwork beherrscht: seiner Unbestimmtheit.
Denn zwischen Shoegaze-Gitarren, Dance-Synthies und Noise-Eruptionen entsteht hier Musik mit Hand und Fuß und mit einem nicht unerheblichen Charisma, die zum richtigen Zeitpunkt fordert, aber auch zurückgibt. Gesetzt dem Fall, man schafft es, das wehleidige Klagen auszublenden, das sich über die Töne legt wie ein Schmutzfilm. Das gelingt mal mehr, mal weniger gut, kann der Band letztlich aber zum Glück nicht gänzlich das Genick brechen. Betrachtet man also Bands und ihre Musik als Summe der einzelnen Teile, so kommt man zwar nicht umhin, ABE VIGODA in einem Punkt auf starkes Verbesserungspotenzial hinzuweisen, dafür macht der Vierer aber ansonsten erstaunlich viel richtig. Das reicht dann zwar natürlich nicht, um restlos zu überzeugen, aber doch um zu bemerken, dass hier eine Band mit mächtig viel Potenzial daherkommt, der eine größere Unbestimmtheit und Vielseitigkeit bei den Vocals allerdings noch fehlt, um mal bei den ganz großen Stimmungsbands mitzuspielen.
Tracklist:
01 - Sequins
02 - Dream Of My Love (Chasing After You)
03 - Throwing Shade
04 - Crush
05 - November
06 - Pure Violence
07 - Repeating Angel
08 - To Tears
09 - Beverly Slope
10 - We Have To Mask