Für manche Dinge interessiert sich heute ja vor allem deshalb keine Sau mehr, weil sie offenkundig dann doch nicht den allgemeinen Geschmack getroffen haben und sich niemand dazu berufen fühlte, wenigstens im kleinen dafür zu kämpfen. Genre-Mashups zum Beispiel. Was war das damals für ein Getöse im Blätterwald, als der bis dato nahezu unbekannte DANGERMOUSE das „Black Album“ von JAY-Z mit dem „White Album“ der BEATLES auf kongeniale Weise kreuzte und mit seinem „Grey Album“ sowohl Begeisterung bei der Hörerschaft, als auch gnadenloses Unverständnis seitens der Verantwortlichen auf Plattenfirmen-Seite generierte. Für ein paar Wochen, vielleicht sogar ein paar Monate war das Verknüpfen von unterschiedlichster Musik dermaßen en vogue, dass auf MTV sogar kurzerhand eine eigene Sendung zum Thema erfunden wurde und besagter Jiggaman einige Zeit später gleich noch mit LINKIN PARK kooperierte, um einige ihrer Songs durch den Hip Hop-Fleischwolf zu drehen. Mit eher dürftigem Ergebnis.
Dass das Verknüpfen möglichst vieler unterschiedlicher Musikrichtungen aber nicht nur im Remix-Kontext sondern auch bei der Erschaffung völlig originärer Werke Sinn macht dürfte ja eigentlich schon vorher bekannt gewesen sein. Falls nicht, dann war das „Grey Album“ auf jeden Fall ein Wink mit dem Zaunpfahl. Trotzdem feiert zu weiten Teilen immer noch die Musik (egal ob im E- oder U-Bereich) den meisten Erfolg, die sich mit Leichtigkeit in ein dafür vorgesehenes Plattenregal einordnen lässt. Dies dürfte mithin einer der Gründe dafür sein, warum ANNUALS aus den USA jetzt schon ihr viertes Album heraushauen, aber immer noch nicht wirklich zu den großen Namen innerhalb des Popkosmos zählen. Dabei sind die Ingredenzien ihres zuweilen recht ungestümen Rittes durch die aktuelle Populärmusik oftmals genau die, die anderen Bands Tausendschaften an Zuhörern und einen Lebensstandard der gehobenen Art ermöglichen. Sie werden eben nur nicht wild durcheinander gemixt.
Es ist nahezu unmöglich, sich durch den Zitateurwald, den ANNUALS auf „Count The Rings“ mit erstaunlicher Ungenieniertheit durchpflügen zu kämpfen ohne in seitenlanges Namedropping zu verfallen. Querverweise und Anspielungen geben sich hier die Hand. Wo gerade eben noch COLDPLAY’scher Bombast abgefackelt wird kommt hinter der nächsten Ecke überraschend MASSIVE ATTACK-Electronica vorbeigelaufen und gibt sich ein Stelldichein mit poppig-amerikanisierten Weltmusikversuchen Marke VAMPIRE WEEKEND oder den 80er-Jahre-Flashbacks der letzten YEASAYER. Das erstaunliche daran: das alles klingt trotz gelegentlicher kurzer Ausfälle erstaunlich homogen und vor allem bemerkenswert abgeklärt und zugleich doch so verspielt, dass man nicht umhin kommt, sich eine adäquate Liveumsetzung zu wünschen.
Das hier ist Musik für Querfeldeinhörer, denen schon beim Gedanken an Einbahnstraßenmusik schlecht wird. Dabei aber mit so genialistischen Momenten versehen und auch entspannt nebenbei hörbar, dass als einzige Erklärung, warum diese Band nicht schon deutlich größeren Ruhm eingefahren hat oder zumindest derzeit in aller Munde ist die Tendenz der Massen zu leicht kategorisierbarer Musik gelten kann. Angenehm unverkrampft und leicht goutierbar ist das hier nämlich auch. Allen Zitaten, Anspielungen und Ideen zum Trotz. Eine ganz und gar feine Überraschung, perfekt für den Spätsommer geeignet.
Tracklist:
01. Eyes In The Darkness
02. Hot Night Hounds
03. Springtime
04. Hair Don't Grow
05. Hardwood Floor
06. Loxstep
07. Turncloaking
08. Sweet Sister
09. The Giving Tree
10. Always Do
11. Holler And Howl