to live and to die in berlin
Berlin ist ein verdammter Hexenkessel, der minütlich droht komplett zu explodieren. Im einen Moment scheint die Sonne, im anderen regnet es und verwandelt selbst den schönsten Fleck in einen dreckigen Schwamm, der stinkenden Dunst aus allen Straßendeckeln aufsteigen lässt. Kaputzen werden hochgezogen, die Augen auf den Boden gerichtet und die Schritte werden hektischer. Das hier ist der Vorhof zur Hölle, ganz sicher.
Und es gibt so vieles, was man aus gutem Grund hassen kann und sollte. Mario Barth, die Simon-Dach-Str. inkl. all ihrer Besucher und natürlich das eigene Leben. Warum Berlin eigentlich nur ein beliebiger Fleck auf dieser Erde ist, das wissen AT DAGGERS DRAWN nur zu gut. Auf ihrem Debütalbum „Serving Sorrow“ platzieren sie gekonnt Wut und Frust in 37 Minuten purer Ursachenforschung. Nicht für das Elend in Berlin, Deutschland oder der Welt. Sondern für das Elend in unseren Köpfen. Denn irgendwo hat all das seinen Ursprung – Irgendwo graben wir alle unser eigenes Grab.
Was sich AT DAGGERS DRAWN angewöhnt haben ist eindeutig dieser reduzierte Minimalismus, der vor allem beim großartigen Opener „Darkest Days“ und dem Übersong „Embed“ zu hören ist. Es scheint an manchen Stellen fast, als würde nie jedes Instrument zusammen aufeinander einwirken, sondern als würde irgendwer kontinuierlich für Sekunden ruhig sein. Was man beim Opener sicherlich auf die Funktion der Einleitung schieben kann, ist schon bei „Embed“ nichts weiter als das pure Stilmittel zum Spannungsaufbau: Ab Minute 1.15 haben ADD den Hörer voll in ihren Bann gezogen. „i know how it feels and how easy it is to just run away“ schreit Sänger George während im Hintergrund lediglich die Gitarre für Intensität sorgt und der Rest der Band auf Bereitschaft steht. Was nach dem Song folgt: Eine kleine Anekdote. Man hört die Staße, man hört das Elend, man hört den Frust. Jene Anekdoten folgen übrigens nach jedem Song, irgendwie ergänzend zu dem brachialen Liedgut und irgendwie auch passend. Überhaupt wirkt „Serving Sorrow“ verdammt passend und schlüssig, während trotzdem jeder Song für sich alleine als in sich gekehrte Geschichte besteht und vor allem im Abgang von „Why Do You Always Push Me Forward?“ oder dem großartigen „The Way Of Inspiration“ vollends überzeugt. Was aber das Beste an dieser Platte ist, ist dieser ungeschliffene Sound der vor allem auch Bass und Schlagzeug dezent nach vorne drückt, sodass „Serving Sorrow“ vor allem eines ist: Die Platte einer Band, die ganz offensichtlich ihr Gefüge gefunden hat und von der man so noch eine Menge erwarten kann. Absoluter Tip.
Tracklist:
1. Darkest Days
2. Embed
3. Dyspnoea
4. Different Directions
5. Matured Hearts & Distress Calls
6. Empty Hands & Half-Full Pockets
7. Raised Me Up, But Put ME Down
8. Serving Sorrow Pt. VI
9. Why Do You Always Push Me Forward?
10. The Way Of Inspiration