Knarzende Dielenbretter, rauschende Richtfeste irgendwelcher Farmhäuser mitten im Nirgendwo, das Liebesleid stets im Reisegepäck: Der im Punk und Grind sozialisierte Folk- und Americana-Vorarbeiter mit der glockenklaren Stimme ist zurück und stagniert auf hohem melancholischem Niveau.
Was ist nur los mit diesen jungen Männern Amerikas, die einstmals alles gegeben haben für Punk/Hardcore/Underground-Network? Die CHUCK RAGANs, BRIAN FALLONs, WILLIAM ELLIOT WHITMOREs oder eben AUSTIN LUCAS dieser Welt, die ihr kollektiv gedachtes Live your heart and never follow eingetauscht haben gegen Geschichten von Naturverbundenheit, ehrlicher Erwerbsarbeit mit schwieligen Händen oder verflossener Liebe? Ist das im Kern der Sache im Herzen nämlich noch Punkrock, oder nicht doch stockkonservativ und rückwärtsgewandt? Wer den Protagonisten dieser Rezension oder ein anderes Mitglied der stetig wachsenden Suburban Home-Mischpoke (man kollaboriert jetzt auch eifrig untereinander) je live erleben durfte, der fühlte sich tatsächlich per Zeitmaschine weit in die Vergangenheit zurückversetzt. Schlecht fühlte man sich dabei allerdings nie. Im Gegenteil.
Ähnlich ergeht es einem auch mit AUSTIN LUCAS neuestem Werk, elf weiteren Schritten sich in der zeitgenössischen Folk- und Americana Parallelwelt zu etablieren. Begleitet von Banjo, Fiedel, Kontrabass, partieller Peddle Steel und dem wunderschönen, konterkarierendem Gesang Chloe Manors. Das klingt im besten Wortsinne erdig, leidenschaftlich und klassisch-zeitlos ('Somebody Loves You', 'She Did', 'Go West'), manchmal sehr zögerlich ('Precious Little Heart'), in jedem Fall weitaus weniger existenziell als auf dem Vorgängerwerk. Beizeiten gar ein wenig zu sehr nach einem Richtfest in den Appalachen ('Wash My Sins Away'). Der gute AUSTIN LUCAS hat dennoch einfach eine schlichtweg fantastische Stimme. Die macht einen fertig. So würde es jetzt wahrscheinlich Holden Caulfield formulieren. Wenn im Promowaschzettel allerdings schon fast blasphemische Parallelen zu Sam Beam (IRON & WINE) oder BONNIE 'PRINCE' BILLY gezogen werden, lautet die Antwort: Den magischen Realismus von IRON & WINE samt wattierter Stimme erreicht niemand sonst. Und in die seelischen Abgründe des (zumindest) frühen Will Oldham begibt man sich ebenfalls nicht, ohne kläglich zu scheitern. AUSTIN LUCAS möchte all das höchstwahrscheinlich überhaupt nicht. Ihm geht es vielmehr um diese kleinen, flüchtigen, uramerikanisch aufgeladenen Lebensbetrachtungen des einstigen Punkrockers. Und davon gibt es auf "Somebody Loves You" wieder eine Menge. Gute 7.
Tracklist:
01: Somebody Loves You
02: Singing Man
03: Resting Place
04: Shoulders
05: Wash My Sins Away
06: Fountain Of Youth
07: She Did
08: Life Ive Got
09: Precious Little Heart
10: Go West
11: Farewell