Demnächst für ein noch größeres Publikum auch ohne dieses Fahrrad-Video, welches 'The Funeral' schließlich den finalen Überdruß bescherte? Gemeine, von Holzfällerhemden und affektiertem Bartwuchs genervte Rezipienten könnten BAND OF HORSES erstmalig so etwas wie gemäßigte Trivialität vorwerfen. Überhören würden sie dabei einige wirklich große Songs. So stellen sich Stadtmenschen saubere Naturbelassenheit vor.
Ben Bridwell ist so ein Typ, den man bereits nach Sekunden an seiner aufgeräumten, um Harmonie bettelnden und glasklaren Stimme erkennt. Beim Klang dieser Stimme wird alles gut. Der Staatshaushalt konsolidiert sich von alleine, zerdepperte Gläser nach dem letzten großen Streit über Kleinigkeiten setzen sich wieder zusammen als würde das Leben zurückgespult und im Großstadtdschungel auf Kurzstreckenbahnfahrten glaubt man plötzlich so etwas wie Bestand und Belassenheit zu erkennen. Aufbruch in der Stadt bedeutet: in eine neue Wohnung ziehen, mit den selben alten Klamotten und den selben alten Gedanken. Aufbruch bei BAND OF HORSES bedeutet: das Ding einfach mal harmonieversonnen aussitzen. Was beinahe perfekt austarierte Gesangsharmonien doch mit einem machen können. Viele Bands tricksen uns auf diese Art und Weise aus. „The world is such a wonderful place.“ Warum auch nicht? Es ist daher vielleicht gar nicht mal die schlechteste Idee, dieses Harmonieorgan mit Streichern und sonstigem Bombastbrimborium ins Rennen zu schicken. Damit haben einen BAND OF HORSES zunächst in der Tasche. Nur ganz fies verbitterte Menschen nennen sowas kitschig oder gar schmierig. 'Factory' jedenfalls kokettiert mit anheimelnder Atmosphäre, bewusst atmender Produktion und Effekten, die ja irgendwie konterkarieren, wofür eine uramerikanische Band wie BAND OF HORSES eigentlich steht: das Naturwüchsige und die Reduktion.
Dann denkt man plötzlich, es ginge Schlag auf Schlag. 'Compliments' schält sich euphorisch-marschierend, mit gedoppelter glasklarer Stimme und einem Refrain, der – so will es das gute Klischee – gleichermaßen Trainhopping als auch Baden im Gebirgsbach ist, aus den Boxen. 'Laredo' könnte zur neuen Band-Hymne avancieren, ist gleichsam stringent und auf eine positive Art und Weise breitbeinig unterwegs. Danach flacht "Infinite Arms", das nunmehr dritte Studioalbum von BAND OF HORSES, etwas ab. 'Dilly' klingt dann beinahe ein wenig beschwingt-naiv und überspannt den Unbekümmerheitsbogen trotz perfekter Harmonien. 'Blue Beard' gemahnt an die BEE GEES und möchte das bestimmt nicht. Alles, was sich im Spannungsfeld NEIL YOUNG und gemäßigtem, aufpoliertem Americana bewegt, funktioniert auch auf Album Nummer drei gut. BAND OF HORSES bleiben die Naturpopband für Großstädter. Leider stehen einigen wirklich großen, beinhahe nicht verbesserungswürdigen Songs doch ein paar triviale gegenüber. Es ist ja jetzt so: das Leben ist genauso. Mit leichter Neigung zum Trivialen wohlgemerkt. Wollen wir jedoch mittels der Musik einer Band davor fliehen, Eskapismus halt, sollte sich der Kitsch in Grenzen halten. Zumal, wenn es der Band eigentlich ernst ist. Zum Ende hin retten das abgehangene 'Older' mit Slide-Gitarre und traumwandlerischer Melodik („After all my plans, they melt into the sand…“) sowie 'Neighbor' mit seiner feierlichen Zurückhaltung, Orgelreigen und versöhnendem Finale ein Album, das bei allem Niveau noch stärker hätte ausfallen müssen. Die goldene Platte der Band, sie steht dennoch weiterhin aus. Wir sind aber zuversichtlich.
Tracklist:
01: Factory
02: Compliments
03: Laredo
04: Blue Beard
05: On My Way Back Home
06: Infinite Arms
07: Dilly
08: Evening Kitchen
09: Older
10: For Annabelle
11: NW Apt.
12: Neighbor