“Heut´ blas ich dicken Smoke durch die Straßen von Berlin!” (“Wenn es losgeht”) - jo, das kann ich mir sehr gut vorstellen. Dieses Review soll nicht nur die Platte aus dem letzten Jahr, sondern vor allem die anstehende Tour bewerben. Kann ich das tun, nachdem ich die Musik gehört habe? Nun, schauen wir mal.
Die Reggae Truppe aus Berlin hat einen derbe guten Sound, der 2010 von der Pop- und Rock Stiftung mit dem “Beste Reggaeband 2010” und “Bestes Reggaealbum 2010” ausgezeichnet wurde. Als man zu Beginn dieses Jahres ein Neujahreskonzert geben wollte, musste prompt ein weiteres hinzu gebucht werden, weil der Club binnen kurzer Zeit ausverkauft war. Nun handelt es sich bei BERLIN BOOM ORCHESTRA nicht um einen Majoract, sondern eine DIY Truppe, die Unterstützung aus hohen Reggaekreisen bekam: U.a. Kraans de Lutin, der schon für CULCHA CANDELA den Sound gebastelt hat, und der Mix wurde von GANJAMAN gemacht, wohl der größte Artist in der deutschen Szene. Das hört man der transparenten Produktion auch an: Jedes Instrument ausgewogen und ausbalanciert kommt mal von hinten rechts, mal direkt von vorn, dann präsentiert sich die Band wieder im klanglichen Panorama. Das fällt hier extrem auf, weil die Songs (für mich macht das den Reggae an sich aus) durch viele kleine Einzelheiten leben, die sich subversiv in den Klangteppich einschleichen.
Textlich kann ich hier auch nicht motzen: “Alle gegen einen, so fühl ich mich nicht nur manchmal, 'Warum gerade ich?' ist sowas wie mein Mantra!” (“Meister aller Klassen”) - wer kennt das nicht? Überhaupt werden hier mehr als nur die Themenbereiche 'Party' und 'Persönlicher Schicksalsschläge', sondern auch 'Gesellschaftskritik' mit einem Fingerzeig auf die eigene Person, wie es erscheint. Das Ganze aber immer mit einem Augenzwinkern, sodass der Hörspaß nicht nur durch die Finesse der Musiker, sondern eben auch durch die Texte auf hohem Niveau liegt. BERLIN BOOM ORCHESTRA schafft es dann auch ihre Musik mit anderen Stilen zu kreuzen. Wenn ich mich da recht an die musikalische Einweisung meines ehemaligen Mitbewohners erinnere, dann bekommt man hier auch Dub und Balkan-Klänge auf die Ohren, ohne dabei den roten Faden zu verlieren.
Die Truppe hat mit vielen (Inter-)Nationalen Acts gezockt und neben dem Reggaejam in Bersenbrück (und natürlich sehr viel mehr Festivals) auch mit den weitreichend bekannten Acts wie UWE BANTON, OHRBOOTEN oder THE SKATALITES.
Musikalisch erinnert mich BERLIN BOOM ORCHESTRA an die US Band GROUNDATION, die in unserer WG mehrfach am Tag lautstark durch die Hallen dröhnte. Doch dies ist als unbedingtes Kompliment zu sehen, da die Berliner somit sich in einen (Reggae-)Kreis einreiht, der bislang nur aus drei Namen bestand (weil ich einfach nicht der Typ für diese Musik bin): LION TEETH, BOB MARLEY und eben GROUNDATION. Nun sind es vier und das vollkommen zurecht. BERLIN BOOM ORCHESTRA schafft es mit ihren digitalen Effekten, Geige und Bläsern, aber vor allem durch die Liebe für das Detail und die Texte, mich zu begeistern.
Ich bin mir sicher, dass man von dieser Truppe noch viel hören wird, denn hier gibt es neben “Alles was zählt” mit “Spüre den Verlust” und das ergreifende “Weg und Ziel” so manch einen kleinen Hit!
Das einzige Manko: Die Stimme ist nicht schlecht, erinnert mich aber zu sehr an TIM BENDZKO. Das kann man nun als negativ Kritik sehen oder nicht. Aber leider ist das eben nicht innovativ (ob der Vocalist da nun was für kann oder nicht, und wie gesagt: Schlecht klingt es nicht!).
Wie so oft kommt gute Musik aus der Hauptstadt, die mal eben schnell abräumt, wodurch ich die für den Oktober geplante Tour durchaus empfehlen möchte.
Tracklist:
1. Wenn es los geht
2. Meister aller Klassen
3. Security Advice
4. Reisefieber
5. Zwischen Gestern und Morgen
6. Spüre den Verlust
7. Alles was zählt
8. Ein Tag im November
9. Weg & Ziel
10. Stagnation
11. Nein, Mann!
12. Hunde
13. Nicht egal
14. Die dreisten Vier
15. Endbahnhof Rudow
16. Spüre den Dub
17. Wenn es aufhört