Geschlagene 16 Sekunden brauchen BLACK KITES, dann haben sie dich an der Gurgel. Und verbeißen sich darin wie ein tollwütiger Hund, der sein Opfer lieber noch hin und herschleift, statt ihm kurz und schmerzlos den Garaus zu machen. Und das obwohl „Songs Written While Things Were Changing“ an sich zumindest eine recht schnelle Angelegenheit ist. Nach knapp 17 Minuten nämlich ist das Inferno schon wieder vorbei. Doch diese knappe Viertelstunde gehört zum intensivsten, was im vergangen Jahr auf Vinyl gebannt wurde und macht die Platte damit zu der wohlmöglich am ungerechtfertigsten übersehenen Perle in 2010.
Rollentausch: um BLACK KITES zu verstehen muss man auch auf die andere Seite sehen. Sie sind sowohl der Jäger als auch seine Beute. Da ist eben nicht nur der wildgewordene Köter, sondern auch der hakenschlagende Hase, der vor ihm davon rennt. Wie dieser ändern auch die drei Musiker hektisch die Richtung, spielen mit der Geschwindigkeit so als würde es um ihr Leben gehen. Schon lange kein Album mehr gehört, das dermaßen manisch nach vorne schießt, ohne sich in wirren Strukturen zu verfangen oder aber auf der anderen Seite in belanglosem Gepolter zu enden.
BLACK KITES wissen, was ein Song braucht, um hängen zu bleiben. Dazu gehören vor allem gute Riffs und die Vermittlung einer gewissen Dringlichkeit. „Songs Written While Things Were Changing“ hat beides in genau dem richtig dosierten Maß. Weder muss man sich vor penetrantem Gegniedel fürchten noch generell vor zu Tode gerittenen Songlängen. Altes Hardcore-Gesetz: Wenn man in einer Minute alles sagen kann, sollte man das auch tun. Bloß nicht ermüden. Weder den Zuhörer, noch sich selbst. Stattdessen immer wieder auf ihn mit Gebrüll, dabei aber musikalisch so variabel wie möglich. Und irgendwie auch so antagonistisch es geht. Denn wenn BLACK KITES eines ganz sicher nicht sind, dann ist es trendy. Man könnte sagen: die Songs auf ihrer zweiten Platte sind so sehr "New School"im althergebrachten Sinne, dass sie schon wieder „Old School“ sind. Manisches Gekreische, leicht metallische Riffs, dabei aber stets auch in Richtung Screamo/Emocore schielend und statt „Smash Your Enemy“-Ultratiefton-Breakdowns noch solche, die den wahren Sinn des Wortes erfassen und eben all die aufgebaute Spannung in sich zusammenfallen lassen. Das atmet mehr Neunziger-Jahre-Spirit als alle Eurodance-Compilations zusammen und ist trotzdem nicht nur ein Abklatsch, sondern ein originäres Werk einer Band, die im letzten Jahr dank dieses Albums und einer Split mit SWALLOWED UP gleich zweimal beweisen konnte, dass mit ihnen zu rechnen ist. Bitte alsbald eine Europatour! Bis dahin bleibt der Gang zum Plattenteller. Wieder zurück auf Seite A. 17 Minuten vergehen wie im Flug. Egal ob als Jäger oder als Gejagter. Oder beides.
Tracklist:
1. „Masochist“
2. „Futures“
3. „8x10 Pollution“
4. „Doubt“
5. „Holly’s Song“
6. „And Like It“
7. „Miracles“
8. „Upsides“
9. „Transitional Phase“