Ein schwieriges, ein versponnenes, ein kaputtes, ein doppelbödiges Album. Dass BRAND NEW sich zur sehr in der Rolle der Konsequentverweigerer gefallen, als dass sie die epische, fragile Tiefe des Vorgängers einfach replizieren, war irgendwie klar. Unter all den Geräuschen, der Skelettierung und der fast schon zu unmittelbaren Emotion lauert sie trotzdem: Die Wahrheit, dass Bands mit dem Herz am rechten Fleck einfach nicht tot zu kriegen sind.
Unglaublich, die haben mal Poppunk gespielt! oder aber: Deja Entendu, das war Emo mit den richtigen Einflüssen. Das dachten, nein, das denken viele. Danach war auf einmal alles anders. Danach nämlich lieferten BRAND NEW die wahre Blaupause für gleichsam emotionalen wie unkonventionellen Gefühlsrock, der sich glücklicherweise bereits im Vorfeld an sämtlichen Standards abgearbeitet hatte. Diese Band ist ein Gefühl, ist ein Gefühl, ist ein Gefühl. Immer noch unglaublich, wie viele spannende Wendungen "The Devil And God " nahm, nimmt und nehmen wird, wie wenig die Gefühlswelt des sich-ewig-deplatziert-Fühlenden scheinbar bisher ausgeleuchtet wurde. Nur, was sollte danach noch kommen? Das Album, während dessen Konsum der Hörer stirbt, weil er einfach nicht genug bekommen kann von dieser überbordenden Macht der Gefühle? Er sich schlichtweg nicht lösen kann, von diesen Melodiefolgen, diesem stetigen Auf- und Abwogen von herzzereissenden Szenen, er einfach austrocknet mit einem wohligen Lächeln auf dem Lippen ob dieser schieren Schönheit. Der Literaturfreak denkt jetzt zu recht an David Foster Wallace und dessen Infinite Jest. Nur soviel: "Daisy" will nicht alles auf einmal. Es ist anders. Verstörter und auch ein bisschen gemein. Öffnen wir mal den Korpus und schauen nach, was BRAND NEW im Jahre 2009 im Inneren zusammenhält. Die Gitarren klingen wie spukende Geister, Störgeräusche intervenieren immer wieder. Halten spannend und machen schwer. Irgendwie ist das alles konziser und trotzdem weiter weg als zuvor. Über allem thront wie gehabt die alte Metaphysik, die Heilsverprechen, die in Jesse Laceys Biographie begründet liegen und einfach nicht (heute oder übermorgen) eingelöst werden wollen.
'Vices' lädt ein mit Pianogeklimmper und einer weiblichen Stimme aus längst vergangenen Zeiten. Eine Ode an den Verflossenen? Ein Klagelied? Dann plötzlich reißen BRAND NEW den Vorhang auf und schauen auf eine trübe, graue Betonwand. Schlagzeug, Feedback, beißender Schreigesang und schiefe Gitarren. Ein atonaler Schlag mit dem Handrücken ins Gesicht all jener, die beim Konsum des Vorgängers noch regelmäßig das Taschentuch zücken mussten. In 'Bed' sind sie dann plötzlich da, die klaren Gitarren und Lacey lässt sich wispernd in den Gehörgängen nieder, wenn auch längst nicht so ausladend wie früher. Die alten, großen Themen Liebe & Verrat referierend wie wenige andere. 'At The Bottom', die erste Single klingt dann tatsächlich ein wenig so wie MODEST MOUSE in der BRAND NEW-Version: Herrlich angeschrägt in der Melodieführung, mit stringentem Refrain. Jesse Lacey singt so, als lägen ihm all die unausgeprochenen Worte noch im Mund und als wolle er sie nicht ausspucken, noch ein wenig darauf herumkauen, bis zumindest ein wenig Klarheit herrscht. Die natürlich nicht kommt. Nicht auf diesem Album. 'You Stole' schließlich ist der erste Song auf "Daisy", welcher an den zunächst zerbrechlichen dann ausladenden Gestus des Vorgängers gemahnt. Der Titelsong flirtet mit programmiertem Beat, einer phantastischen Gesangslinie und gemäßigter Atonalität. 'Noro' gibt sich zunächst im Gewand des versöhnlichen Rausschmeißers, ist allerdings mit kantigem Bass und kaltem Beat ebenfalls nicht eben leicht verdaulich. Ein Album wie ein Trip, der die Schönheit zwar immer wieder umkreist, ihr allerdings misstraut im Detail. Ein spannendes, ein forderndes Album. Auch wenn BRAND NEW ein stückweit wieder andere sind.
Tracklist:
01: Vices
02: Bed
03: At The Bottom
04: Gasoline
05: You Stole
06: Be Gone
07: Sink
08: Bought a Bride
09: Daisy
10: In a Jar
11: Noro