2011: Jahr des Wiederaufbaus, A-Seite und B-Seite. BRIDGE AND TUNNEL (Frauen und Männer) oszillieren immer noch am schönsten zwischen angeschrägten Dischord-Manierismen, die davon zeugen wie aufregend das alles mal gewesen war, hemdsärmeligen Kumpelhymnen und dem emotionalen langen Song, der sich windet, steigert, in die Ecke rotzt und am Ende doch immer vom Leben handelt. Ein Mann, den man selten sieht (J. Robbins), hat all das punktgenau eingefasst. Ein großes Glück für alle Beteiligten.
Im Zweifelsfall geht es ja immer um Freundschaft. Um Zusammenhalt und verlässliche Strukturen in unübersichtlichen Zeiten. Heute klammern wir Postmoderne, Neoliberalismus, Hedonismus, Turbokapitalismus, die katholische Kirche, Plastiktitten und Starbucks (den ganzen beziehungsschädigenden Rotz also) einfach mal aus und fallen uns gegenseitig in die Arme. BRIDGE AND TUNNEL wissen bestimmt, dass das nichts Neues ist. Dass ab heute eigentlich nur noch Parolen, Allgemeinplätze und Selbstaffirmation regieren. Ob die Menschen hinter der Musik es allerdings ernst meinen, sich reinwerfen in ihre Songs und ansingen gegen den ganzen Scheiß und sich auch stark machen für das Gute, das kann der werte Hörer dann aber wohl doch bitte für sich selbst entscheiden. Soviel Kompetenz trauen wir ihm durchaus zu. Klar, er hat ja auch FUGAZI gehört in seinem Leben, LUNGFISH, CURSIVE, SMALL BROWN BIKE und wie sie alle heißen.
Und wie geht die Band selbst jetzt damit um? Wie lautet die Antwort? Ein Sprung ins mäßig warme Wasser, fein aufeinander abgestimmte Bewegung, Intuition, Synchronschwimmen! Sendungsbewusstsein! 'Synchronized Swimming' wühlt sich zu Beginn ziemlich erhaben, hernach bisweilen sympathisch ungelenk und ungestüm durch flirrende Gitarrenteppiche, Freundschaftsbeschwörungsgesang und posturbanes Pathos. „When the Atlantic Ocean freezes over I will walk across with you to the other side.“ Nennen wir das einfach einen großartigen lyrischen JIMMY EAT WORLD-Moment. Denken wir einfach an 'Blister' oder so. BRIDGE AND TUNNEL für ihren Teil schreiben nach wie vor nicht die ganz großen, himmelöffnenden Refrains. Verzichten weiterhin auf Strophe-Refrain-Schemata (vielleicht wissen sie es nicht besser). Die Melodik, all das also, was in der richtigen Stimmung Erinnerungen an große Lebensmomente triggert, findet sich verstreut in ihren Songs, in mitunter abgehackt wirkenden Passagen, muss zusammengepuzzlet werden, ist nie ranschmeißerisch, dafür von Dauer. Zwischendurch immer mal wieder der Beweis, dass die Band durchaus wütend ist ('Outgrowing Pains'), respektive eine sehr abgründige Seite besitzt ('Drill Instructor'). Wer bereit ist, sich durchzuwühlen, der findet. Das absolut versöhnliche Finale von 'Cooked Books' („Rest and be proud“) zum Beispiel. Oder die wirklich gute Message von 'Footnotes', welches die Nicht-Verfügbarkeit akademischer (Streit-)Schriften für den Teil der Bevölkerung anklagt, welcher von der Lektüre eigentlich profitieren würde. Nein, im Elfenbeinturm haben BRIDGE AND TUNNEL nie gewohnt.
Steht man als Mensch auf große Teile des Dischord- und No Idea-Backkatalogs, mit all seinem Idealismus, dem Community-Gedanken, den Haken und Ösen, der großen Chance, auf dem Gitarrengriffbrett auch mal gekonnt daneben greifen zu dürfen, dann packen Bands wie BRIDGE AND TUNNEL einen ohnehin am romantisierenden Schlafittchen. Das Stampfen, der Schweiß, das Winden, das Ausloten der kleinen großen Momente, die nur nicht wahrnimmt, wer die timelines anderer Facebook-User auswendig lernt. Das Leben ist der hartnäckige schwarze Dreck auf deinen Leinenschuhen nach einem Schwitzkonzert. And everything in between…Mit gedoppeltem Frauen-Männer-Gesang und dieser heart on sleeve-Überwältigungsstrategie. Den großen Rest wird es nicht jucken. Was ja durchaus ok ist. Heute ist großer Empathie-Tag.