Plattenkritik

BRUTUS - Nest

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Info

Release Date: 27.03.2019
Datum Review: 27.03.2019
Format: CD Vinyl Digital

Tracklist

 

01. Fire
02. Django
03. Cemetery
04. Techno
05. Carry
06. War
07. Blind
08. Distance
09. Space
10. Horde V
11. Sugar Dragon

Band Mitglieder

 

Stefanie Mannaerts - voc, drums
Stijn Vanhoegarden - git
Peter Mulders - bass

BRUTUS - Nest

 

 

Was ein wilder Ritt für BRUTUS – das Trio aus dem belgischen Löwen spielte im letzten Jahr als Support für THRICE, CHELSEA WOLFE und für RUSSIAN CIRCLES – einige der hochrangigsten Namen der jeweiligen Genres also. Mit gerade mal einem Album („Burst“) unter dem Gürtel werden die Belgier unter diesen Voraussetzungen verständlicherweise gerade als vielversprechender Geheimtipp gehandelt. The next big thing? Komplimente von Lars Ulrich (METALLICA) und Simon Neil (BIFFY CLYRO) bekommt jedenfalls nicht jeder. Mit „Nest“ sehen sich BRUTUS also großen Erwartungen ausgesetzt.

Und tatsächlich übt die Band sowohl live als auch auf Platte eine gewisse Faszination aus. Dies lässt sich einerseits durch die Konstellation erklären (Kennt ihr eine andere Band, bei der die Schlagzeugerin singt?), andererseits zweifelsohne auch durch den eigenständigen Sound. Unverkrampft gelang es BRUTUS bereits auf ihrem Erstlingswerk „Burst“, sphärische Parts mit Härte zu kombinieren und das ganze in Kombination mit Stefanie Mannaerts dringlichen Vocals zu einer ergreifenden Mischung aus (Post)-Rock, Post-Metal, Post-Hardcore und Punk werden zu lassen. Ziemlich viel Post, richtig? Und tatsächlich passt dieses Genre-Wirrwarr doch zu dem Eindruck, dass BRUTUS sich aus keinem Genre zu offensichtlich und zu einseitig bedienen. Auf „Nest“ verarbeiten Mannaerts und ihre Kollegen Stijn Vanhoegarden und Peter Mulders ihre Erfahrungen der letzten beiden turbulenten Jahre. Dabei ist offensichtlich der Wunsch nach innerer Heimat gewachsen. Die durch die Band bedingte Distanz zu dem, was sonst im Leben der drei Mitglieder passiert, hat einen anderen Blickwinkel und eine Menge Einsichten gebracht. Dass Familie und Freunde wichtig sind. Dass Zeit begrenzt ist und man aussortieren muss zwischen Flachserei und dem, was wirklich wichtig ist. So erklären Stefanie, Stijn und Peter im Interview auch das eher abstrakte und schlichte Artwork: Der Wunsch nach Struktur in diesem Chaos. Man sagt Bands oft nach, dass sie erwachsener und reifer geworden sind. Auch auf BRUTUS trifft das zu, nur dass sie schon von Anfang an in jeglicher Hinsicht für voll genommen worden konnten. Musikalisch ist die Spannbreite auf „Nest“ viel größer als auf „Burst“. Neben dem grandiosen, in einer Vorab-Liveversion veröffentlichten „War“ (so fragil und zugleich packend, dass es Gänsehaut auslöst) birgt das Album einige weitere Höhepunkte und rechtfertigt zweifelsohne das Longplayer-Format. „Fire“ und „Cemetery“ zeigen Stefanie von ihrer aggressivsten Seite, doch auch schon auf der ersten Albumshälfte lassen sich sphärischere Klänge und andere Gefühlsfarben ausmachen – so beispielsweise in „Techno“, der erst bassdominiert und leicht vertrackt daher kommt, um sich dann wunderschön in einer verspielten Melodie aufzulösen, die mich tatsächlich fast schon an TURNOVER denken lässt. Damit das hier nicht die einzige Referenz bleibt, denn das würde einen total falschen Eindruck vermitteln: Am ehesten lassen sich BRUTUS auf „Nest“ vermutlich mit einer Mischung aus den großen Post-Rock-Band vergleichen, nur dass sie eben Gesang integrieren und eine Menge Experimente wagen. Ins Vorprogramm von RUSSIAN CIRCLES würde auch „Nest“ hervorragend passen. Referenzen für Stefanie’s Gesang habe ich keine, der bleibt für mich „unmatched“ und macht den Sound der Band unverkennbar. Auf der zweiten Albumhälfte geht es ruhiger, aber nicht weniger spannend zu. „Distance“ startet als Soundwand und lässt dann Mannaerts zusammen mit Vanhoegarden’s Gitarre flehen. Schon nach Spielzeit 1:15 haben BRUTUS hier mehr Soundlandschaften und Stimmungen durchschritten als viele andere Bands aus der alternativen Sparte das in ihrem ganzen Schaffen tun. Mit „Sugar Dragon“ hat sich das Trio ihr erstes wahres Epos kreiert, das einen sanft und nachdenklich aus der Platte herausführt. An „Nest“ führt 2019 kein Weg vorbei! Das Album wird auf einigen Jahreslisten zu finden sein, jede Wette.

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Marcel

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