Keine leichte Übung, modernen Hardcore mit viel Atmosphäre und Post-Rock-Anleihen zu verbinden und sich dabei Eigenständigkeit zu bewahren. CHIEFLAND probieren es dennoch. Mit Erfolg?
Der Einstieg in “Moving Parts / Fever Dream“ ruft mit verhallter Gitarre, einzelnen Schlägen auf die Toms und einer Spoken-Word-Einlage zunächst einen ganz bestimmten Namen ins Gedächtnis: Wer hier nicht sofort an LISTENER denkt, der hat letztes Jahr ganz tief geschlafen. Frontmann Corwin schaltet jedoch schnell vom Sprechgesang in hardcoretypisches Shouting um und offenbart dabei eine beachtliche Stimmgewalt. Und lässt dabei sofort vergessen, dass CHIEFLAND aus Deutschland kommen. Schimmert in den gesprochenen Passagen noch ein leichter Akzent durch, ist sein mitreißendes Geschrei makellos. Das war auch auf der EP „To Part Means To Die A Little“ nicht anders, die kurz nach der Bandgründung 2015 in einer abgelegenen Waldhütte entstand. Songwriterische Klasse war hier bereits klar zu erkennen, soundtechnisch aber noch Luft nach oben. „Wildflowers“ kann das besser und überzeugt mit dicker und glasklarer Produktion. Aufgenommen von Sören Kucz im Klanggeist Studio Hildesheim und abgemischt von Lewis Johns, der auch schon Bands wie FUNERAL FOR A FRIEND oder ROLO TOMASSI veredelte, klingt das Ergebnis im besten Sinne international. Druckvoll und ausdifferenziert, aber nie glattgebügelt. Das hilft den Songs, die sich gerne mit einem ruhigen Aufbau zeitnehmen, um dann intensiv auszubrechen. Exemplarisch beweist das neben besagtem Einstieg besonders das stimmungsvolle „Cathedrals“. Zackiger nach vorn hingegen geht es mit dem moshigen „Untied“ oder treibend mit „Homestead Pt. I“. Die Songs bewegen sich dabei durchweg zwischen zweieinhalb und drei Minuten, nur der Rausschmeißer „Homestead Pt. II“ nimmt sich mit über 4 Minuten deutlich mehr Zeit. So knackig die Songs sind, hätte manch guter Idee ruhig etwas mehr Platz zur Entfaltung gewährt werden dürfen. Eine Wiederholung des raumgreifenden, beinahe epischen Mittelteils in „Blueprinted“, hätte aus einem sehr guten Song wohl einen echten Hit gemacht. Wobei CHIEFLAND so etwas gar nicht nötig haben.
Wer noch Referenzen braucht, dem seien COUNTERPARTS, THE CARRIER und DEFEATER („Northbound“!) als Orientierungshilfe genannt. Aber keine Angst: Chiefland wollen nicht bloß kopieren, sondern etwas Eigenes kreieren. Und überzeugen dabei: „Wildflowers“ gelingt das Kunststück, sich abwechslungsreich und variabel zu präsentieren, ohne dabei nach Stückwerk zu klingen, gleichzeitig homogen, aber nie eintönig zu wirken. Bei weitem keine Selbstverständlichkeit in diesem Genre und wirklich beachtenswert.
Und als wäre ein bärenstarkes Debüt ohne echte Schwächen nicht bereits genug, beweisen die vier Jungs von CHIEFLAND obendrein auch noch Herz für die Sache, wovon beispielsweise die enge Zusammenarbeit mit der Meeresschutzorganisation „Sea Shepherd“ zeugt: Spendensammlungen und gemeinsame Aufräumaktionen am Seeufer sprechen eine deutliche Sprache. Nicht nur reden, machen.