Plattenkritik

CITIZEN TIM - C Is For Chaos/Control

Redaktions-Rating

Info

Release Date: 25.09.2020
Datum Review: 25.09.2020
Format: Vinyl Digital Tape

Tracklist

 

01. Chaos
02. Control
03. They Are Coming Closer
04. French Movies (ft. Amy Bevan from The Travis Waltons)
05. Sad Barrista Patterns
06. MLN Dialog
07. Pandemic
08. C Is For… (ft. Chris Snelgrove)
09. Harvest Season
10. The Eighth Color Of This Land

Band Mitglieder

 

Marco Kallenborn

CITIZEN TIM - C Is For Chaos/Control

 

 

Auf Album Nummer zwei erweitert CITIZEN TIM seinen Singer/Songwriter-Kosmos um allerhand Elektronisches. Bleibt dabei der ursprüngliche Charme erhalten?

CITIZEN TIM heißt im wahren Leben Marco Kallenborn und kann so ziemlich alles. Also alles, was mit Musik zu tun hat, jedenfalls. Schon die EP „Human Circus“ und das Debütalbum „Hospital Breakfast Conversations“ hat der Mann komplett selbst komponiert, im eigenen Homestudio eingespielt, aufgenommen, gemixt und gemastert. „Kein Kunststück, ist doch nur ein Typ mit Gitarre“, mag sich jetzt der ein oder andere denken. Weit gefehlt, denn die atmosphärische Dichte seiner Kleinode erreicht er durch den Einsatz verschiedenster Instrumente, die sich dabei aber nie in den Vordergrund drängen. In Verbindung mit seiner ruhigen, unaufgeregten Art, Geschichten zu erzählen, hebt sich CITIZEN TIM so deutlich vom Gros der punksozialisierten Liedermacher ab. Auf „C Is For Chaos/Control“ erweitert er seinen Sound nun um viele neue, elektronische Aspekte und weicht dabei öfter mal von klassischen Songschemata ab. Schon im Einstieg „Chaos“ wird das deutlich: Sphärisches Rauschen und ein leise getupftes Klavier begleiten die ersten Zeilen, bevor sich das Klavier in eine Synthie-Orgel wandelt und ein elektronischer Beat Struktur bringt. Das liest sich jetzt vielleicht etwas prätentiös, klingt aber umso stimmiger. Der zweite quasi-Titelsong „Control“ kommt zunächst konventioneller daher, leise Akustikakkorde begleiten die einnehmenden – und wie immer hervorragend pointierten -  Zeilen Kallenborns, nach und nach wird aber auch hier der Klang dank Streicher und Klavier und was sonst noch alles wunderbar dicht. „They Are Coming Closer“ steigt mit einem Sample aus „Night Of The Living Dead“ und kämpft dann mit inneren Dämonen. „Sad Barrista Patterns“ weicht vielleicht am deutlichsten von klassischen Strukturen ab: Der Song besteht eigentlich nur aus einer geloopten Strophe, während im Hintergrund verschiedene Ebenen aus Streichern, Keyboard, Beats und Samples für eine enorme Tiefe sorgen. Warum das alles so gut funktioniert? Weil CITIZEN TIM bei aller Experimentierfreude nie vergisst, wie ergreifende Gänsehautmelodien funktionieren. Selbst das Interlude „C Is For…“, dessen Kern aus einer Tonbandaufnahme des kanadischen Kollegen Chris Snelgrove besteht, auf der er darüber sinniert, wie man auch unter widrigsten Bedingungen stets die Kontrolle behält, wird durch die unterlegten Streicher, Klaviernoten und Beats zu einem stimmungsvollen Highlight. Der mit Abstand beste Song findet sich dann ganz am Schluss: „The Eight Color Of This Land“ nimmt sich viel Zeit, um eine ergreifend melancholische Stimmung aufzubauen, um dann mit einer traurig-schönen Trompete und Marschbeats stolz und erhaben ein absolut gelungenes Album abzuschließen. „C Is For Chaos/Control“ mag – mehr noch, als der Vorgänger - melancholische Stimmungsmusik sein, die nicht bei jeder Gelegenheit funktioniert, im richtigen Moment aber mit der ganzen emotionalen Wucht zuschlägt.

Autor

Bild Autor

Daniel

Autoren Bio

Musikverliebt und reisefreudig, meistens nett und umgänglich, mit einer Gefühlspalette von "Live your heart and never follow" über "Hold Fast Hope" zu "I want to smash my face into that god damn radio / It may seem strange but these urges come and go"