Zugegeben, CODE ORANGE ließen mit der Single "Underneath", dem ersten Vorboten zum gleichnamigen neuen Album, nicht nur mich etwas verdutzt und vielleicht sogar ratlos zurück. Ein komplett durchgestyltes Video, kühle Elektronik und ein reduzierter Beat. Dazu der fast roboterhaft abgespulte Gesang von Reba Meyers im Wechsel mit Jami Morgans verzerrten Shouts, schließlich ein eingängiger Refrain und insgesamt ein Song, der eher an NINE INCH NAILS (zwischen "The Downward Spiral" und "With Teeth") erinnert, denn an den primär auf maximale Brutalität getrimmten, groovelastigen Hardcore der ersten drei Outputs. Auch auf "Forever" hatten die Jungspunde aus Pittsburgh, Pennsylvania zwar schon überraschende Momente ("Bleeding in the Blur"), der vorliegende stilistische Sprung wirkt dennoch zunächst ziemlich radikal.
Der Ersteindruck, man wolle sich auf "Underneath" komplett neu erfinden, relativiert sich allerdings bereits mit der zweiten Single und gleichzeitig dem Opener "Swallowing The Rabbit Whole". Zwar wird auch hier nicht mit elektronischen Einschüben und Samples gespart, die sich übrigens wie ein roter Faden mehr oder weniger vordergründig durch das gesamte Album ziehen, nach kurzer Einleitung durch beklemmende Klavierakkorde und etwas Gefiepse gibt es allerdings ordentlich aufs Maul und man befindet sich wieder in bekannteren Gefilden. Das Stück wirkt in etwa so, als hätten CODE ORANGE ihrem üblichen Brutalosound ein Industrial-Update verpasst. Dieser Eindruck betsätigt sich mit den im Ansatz etwas chaotischen und gleichzeitig beklemmend sterilen Songs "In Fear" und "You And You Alone", auf die Formel CODE ORANGE plus Industrial und Noise lässt sich "Underneath" dann aber doch nicht so einfach beschränken.
Was nach dem brachialen Einstieg folgt, ist ein Album auf dem sich die Amerikaner stilistisch nicht festnageln lassen und sich in verschiedene Richtungen öffnen, wobei unterkühlte Elektronik und die beklemmende Grundatmosphäre ein steter Begleiter sind. Songs wie "Who Am I", "Sulfur Surrounding" und "The Easy Way" haben allesamt diesen Touch von NINE INCH NAILS und konzentrieren sich verstärkt auf die neugewonnene Liebe der Band zu elektronischen Spielereien. "Cold.Metal.Place" wiederum liefert exakt das, was der Titel verspricht und bei "Erasure Scan" herrscht das blanke Mathcore-Chaos, THE DILLINGER ESCAPE PLAN lassen grüßen.
Auffällig häufig tritt auf "Underneath" Reba Meyers ans Mikrofon und verleiht Stücken wie "Autumn And Carbine" oder "A Sliver" mit ihrem etwas knödligen Gesang ein latentes Grunge-Flair, wie man es bereits von "Bleeding in the Blur" vom Vorgänger kennt. Die Gitarristin mag zwar keine virtuose Sängerin und Stimmakrobatin sein, wie ihr Gegenpol Jamie Morgan übrigens auch nicht, das Wechselspiel aus Meyers cool distanzierter Attitüde und Morgans oft elektronisch verzerrten Shouts passt aber gut zur düsteren Grundatmosphäre. Auch an der Gesangsfront ist man also durchaus um Abwechslung bemüht.
Fehlende Abwechslung war auch einer der Kritikpunkte, den sich CODE ORANGE auf ihren vorherigen Releases trotz schier überwältigender Aggressivität gefallen lassen mussten. Dieses Manko hat die Band auf "Underneath" nun erfolgreich ausgemerzt. Aggressiv sind sie über weite Strecken immer noch, hinzugekommen ist eine beklemmende und düstere Grundstimmung, die die ganze Wut in kontrolliertere, aber auch irgendwie bedrohlichere Bahnen lenkt. Ob jeder alte Fan mit jeder stilistischen Neuerung klarkommt ist fraglich; der gemeine Pit-Bollo etwa, der einfach nur seine Karate-Kicks üben will, könnte mit der Neuausrichtung gar etwas überfordert sein. Alle anderen bekommen ein mutiges, vielseitiges und teilweise wirklich spannendes Album serviert, das Update auf CODE ORANGE 2.0 ist gelungen.