Punkrockfrontmann auf Solopfaden: Klar, kennt man. Lagerfeuerhymnen mit Akustikgitarre, die Stimmung zugleich melancholisch und hoffnungsvoll. Wohlfühlmusik eben. Ein hundertfach bewährtes Rezept. Fat Mike scheißt drauf.
“There’s no way to describe the sense of grudge / when you’re not sure / if the person you loved the most / is still alive or dead / She was just floating up / her eyes where closed / but here mouth was full / of water.“ Diese Zeilen singt Mike Burkett alias Fat Mike alias COKIE THE CLOWN im Albumopener “Bathtub” über eine todtraurige Klaviermelodie. Aufgenommen nach eigener Aussage sturzbetrunken um 3 Uhr morgens in seiner Küche, beschreibt er hier den Moment, als er seine Frau mitten in der Nacht mit einer Überdosis in der Hotelbadewanne treiben sieht. Uff. Und das ist noch nicht einmal der emotionale Tiefpunkt des Albums. Nein, hier gibt es keinen Wohlfühlmoment. „I peeled my fuckin‘ skin off for this record“, sagt er selbst über “You’re Welcome”, dem Debütalbum seines Alter-Egos COKIE THE CLOWN. Dieser erblickte 2009 auf der gleichnamigen EP von NOFX das Licht der Welt. Fanden sich damals noch vier typische NOFX-Stücke in voller Bandbesetzung, zeigte einzig die abschließende Akustikversion von „My Orphan Year“ (im Original vom 2009er „Coaster“) die Richtung auf, die Cokie nehmen würde. Seine bislang einzige Liveinkarnation gab es 2010 auf dem SXSW-Festival. Neun Jahre später nun also „You’re Welcome“: Achtunddreissig Minuten schmerzhafter Seelenstriptease von einer der berühmtesten Figuren des Punkrockuniversums. Abgesehen von „Bathtub“ holte sich Fat Mike so illustre Namen wie Travis Barker (BLINK 182, TRANSPLANTS) oder Dizzy Reed (GUNS N‘ ROSES) zur Hilfe und ließ Danny Lohner (NINE INCH NAILS, A PERFECT CIRLCE) an die Regler. Den weitaus größten Einfluss aber hatte ein Franzose namens Baz, der 2015 mit einer Orchesterversion von NOFX‘s Punkepos „The Decline“ bei Fat Mike tiefen Eindruck hinterließ. “He’s the only person I’ve ever co-written with,” so Fat Mike. “He created ‘The Decline’ symphony on his own. I cried when I watched it. I couldn’t believe someone did that. So I ended up flying him out to the U.S. to work with me. He plays every instrument - he even has a degree in jazz drumming.”
Zusammen schreiben die beiden Songs, die so wenig nach NOFX klingen, wie es eben möglich ist, wenn Fat Mike seine unverkennbare Stimme dazu gibt. Reduzierte Singer-/Songwriter-Momente stehen neben symphonischen Balladen mit breiter Instrumentierung. Leicht angepunkte Swinger finden sich neben traurigen Klavierballaden. Definitiv kein Album zum Nebenbei hören, denn thematisch gibt es ausschließlich harten Tobak. Wie im selbsterklärenden „That Time I Killed My Mom“, laut Burkett „a 100 percent true story, just like everything else on the record”. In “Swing And A Miss” wird die Geschichte von einem alten Zimmergenossen erzählt, der Selbstmord begeht und dessen Wertsachen von den im Haus lebenden Punks geplündert werden, bevor seine Eltern ankommen. Bei so viel Tod und Elend in der Biografie wundert man sich eigentlich über gar nichts mehr und ist im Gegenteil froh, dass Fat Mike immer noch da ist, um seine Geschichten zu erzählen. „These stories are all horrible parts of my life. But I have no shame and no pride. It’s the way to live. Once you lose shame and pride, you’re fucking free—and that’s where I am right now. I gave it my all.” Diese Haltung spiegelt sich im treffend betitelten „Fuck You All“ perfekt wider.
Das Highlight aber, wie sollte es anders sein, findet sich ganz am Ende: „Punk Rock Saved My Life“ beginnt mit Pianos und Phatos, wandelt sich dann aber - für das einzige Mal auf dem Album – in klassischen NOFX-Trademarksound. Die finale Abrechnung mit seinen Eltern und die Liebeserklärung an Punk Rock endet mit den so pathetischen wie rührenden Zeilen: „You see, punk rock was never just music to me / it was my life / My parents were just relatives / My family / was always NOFX“.