Manchmal passieren im Leben Dinge, die auch die Sonne eines noch so frohen Gemütes verdunkeln und einen hinabziehen in die Dunkelheit der eigenen Gedanken. Über allem thront dabei die Frage nach dem Sinn und dem „Warum“. Dinge die so unerwartet und voller Wucht über einen hereinbrechen, dass man sich nicht mehr weiter zu helfen weiß, als durch absolute Kapitulation und Selbstaufgabe. „Bis nichts mehr bleibt. Außer Fragen. Außer Zweifel.“ Ein Licht am Ende dieses dunklen Weges ist nicht in Sicht und so verliert man sich immer mehr im Selbstmitleid, ohne zu merken, dass die Welt sich weiterdreht und man in Vergessenheit gerät, wenn man nicht irgendwie wieder aufsteht und aus diesem Trott rauskommt. Die traurige Wahrheit ist: Mehr oder minder passiert jedem Menschen genau so etwas mindestens einmal im Leben. Verlust, Ängste, Zweifel, Depression, wie auch immer man das nennen möchte.
„...in Scherben spiegeln sich die Mauern...“
CALEYA haben mit ihrem zweiten Album genau das sowohl musikalisch, als auch inhaltlich und textlich (mittlerweile komplett auf deutsch) vertont. „Trümmermensch“ ist traurig, niederschmetternd, verzweifelt und hoffnungslos. Es beschreibt Geschichten aus dem Leben. Geschichten, die das Leben schreibt. So bitter sie auch sein mögen. Passend dazu hat man sich ein Gewand aus Screamo und Sludge, kurz gesagt Post-Hardcore, übergezogen und macht somit reinen Tisch mit der Gedankenkotze, die einem durch den Kopf schwirrt. Nur um einmal alles rauszuschreien, was einen belastet. „Aporie“ ist dafür ein treffender Opener. Oszillierend zwischen verzweifeltem Geschrei und gesprochenen Passagen, untermalt von dem Wechsel zwischen laut und leise. Nichts neues eigentlich und dennoch mehr als beeindruckend, da gerade lyrisch sehr anspruchsvoll, vorgetragen. In jeder Silbe, in jedem Ton steckt die Wut, die man sich gerne trauen würde, seinem gegenüber einfach mal ins Gesicht zu schreien, es aber letztlich, aus Respekt oder anderen Gründen, einfach sein lässt. CALEYA haben damit keinen Vertrag und spucken es dir vor die Füße und ins Gesicht. Was bleibt ist eine Pfütze aus Hass und Verzweiflung. Bis eben nichts mehr bleibt.
„...scheiternd lässt du deine tauben Sinne sprechen, besingst die tröstende Leere...“
Schön dabei zu beobachten sind die ruhigen Passagen zwischen all der ausufernden Lautstärke, die in so ziemlich jedem Stück zu finden sind. Sie lockern die im Allgemeinen sehr dunkel gehaltene Atmosphäre ein wenig auf, geben Zeit zum Verschnaufen und zum Verarbeiten des Gehörten. Gleichzeitig geben sie einem aber auch die Möglichkeit, sich vorzubereiten, denn dass es immer noch schlimmer kommen kann, wissen auch die Nordlichter und zeigen das ihren Hörern ohne Rücksicht zu nehmen. Ganz ehrlich und ganz einfach. Und machmal schimmert eben hinterrücks doch die Hoffnung durch, ohne, dass sie wirklich da ist. Der Inhalt ist eben das, was man draus macht und nicht immer das, was man vorgezeigt bekommt.
„...die Worte sind leere Schallhülsen , denn in den Silben liegen die Scherben gebannt...“
Musikalisch virtuos und scheinbar immer eine halbe Note zu spät und doch so denkbar passend, schleudern CALEYA einem mit „Trümmermensch“ immer mehr ihr dunkles Inneres entgegen, legen ihre kaputten Seelen offen dar und sprechen dir damit aus dem Herzen. Deine eigene Verzweiflung wirkt mit einem Mal so unglaublich ungerecht und klein und doch ist es das Gefühl des Teilens, das Verständnis, dass man nicht alleine ist. Hier wird die Geige gezückt, da spricht ein Textfetzen das aus, wozu du nicht im Stande bist und schon verlierst du dich in der Musik und in dir selbst. Balsam für die Seele und Salz in die offene Wunde. Beides zugleich. CALEYA schaffen den Spagat und diesen mit Bravur. Wenn dann die Musik auch ohne textliche Untermalung genau diese Emotionen weiterträgt, kann man sich von einer Platte eigentlich nicht mehr wünschen. Dafür ist dieser Band größter Respekt zu zollen und das soll hiermit geschehen sein.
Tracklist:
01. Aporie
02. Archetyp
03. Apogaeum
04. Anima
05. Akrasia
06. Amygdala