Plattenkritik

Casper - Hinterland

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Release Date: 27.09.2013
Datum Review: 06.10.2013

Casper - Hinterland

 

 

CASPER ist eindeutig nichts für Puristen und Genrefaschos. An ihm scheiden sich Geister und Geistlose, doch eins hat er unbestritten: Talent. Die einzig Konstante bei CASPER ist die Veränderung; Stillstand ist für ihn künstlerischer Suizid, Bewegung hingegen Entwicklung.

„Dies ist kein Abschied, denn ich war nie willkommen...“

War XOXO Vergangenheitsbewältigung, Bestandsaufnahme und romantischer Sehnsuchtskrampf in einem Aufguss, inhaltlich und musikalisch mit eigener, schwerer Note dargeboten, gibt CASPER bereits im Opener des neuen Albums “Im Ascheregen“ die Devise für die kommende Stunde aus: Ihr braucht nicht denken, dass Ihr es hier mit XOXO Teil II zu tun habt, das hier ist neu, das ist Euer neuer CASPER. Das hier ist Euer neues Hassobjekt.

Düstere Schwere, Perspektivlosigkeit, die Zelebrierung des Kaputten, alles das sucht man auf dem neuen Werk vergeblich. Dabei ist eine gewisse lyrische Tiefe durchaus geblieben, nur CASPER präsentiert, verpackt sie anders. Er ist nicht mehr der zerbrechliche Junge, der erst den kompletten Seelenstrip vollziehen muss, der erst nackt auf dem Boden liegen muss um die Gaffer zu befriedigen. CASPER ist nun der entspannte Lyriker, der tiefgründig erzählt, aber stets reflektiert und mit einem Lächeln im Gesicht, weil er seine Fehler kennt und gelernt hat, diese zu akzeptieren und mit ihnen zu leben. Eigentlich muss er ja auch niemandem mehr was beweisen. Er hat die Leute bewegt ohne sich anzubiedern und hat damit verkauft.

Und genau das wird ihm auch mit “Hinterland“ gelingen. Insgesamt elf Tracks bekommen wir im gefälligen Popgewand vorgesetzt. Das Problem: die Lieder erreichen mich größtenteils nicht, sie bewegen nichts in mir. Sie tun nicht weh sondern plätschern dahin. Hin und wieder zwar mit illustren Gästen aufgepimpt wie in “Lux Lisbon“ mit Tom Smith von den EDITORS als Gastsänger. Dennoch fehlt die Spannung, das Sperrige, Rebellische, das einst den CASPER'schen Sound ausgemacht hat.

Natürlich gibt es hin und wieder einen Lichtblick in dem sonst seicht poppigen und radiotauglichen Output, so gehört in “La Rue Morgue“ oder dem folgenden “Jambalaya“. Glaubt man der schreibenden und ewig besser wissenden Zunft, so scheint beim Erstgenannten sogar TOM WAITS durch. Nun soweit will ich nicht gehen, denn um wirklich dessen Authentizität zu erreichen, fehlt in dem Track schlicht der Dreck, das Kratzen, aber es ist zumindest schön schräg arrangiert. Dagegen ist “Jambalaya“ ein richtiger Clubbanger, der endlich mal zum Tanzen anregt. Gefällig mit Chören und Bläsern angereichert und mit einem pumpenden Beat.

Das war's aber auch schon mit dem umgangssprachlichen Licht am Ende des Tunnels, denn zu dem abschließenden “Endlich angekommen“ fehlen mir schlicht die Worte. Ein R'n'B meets MOBY Beat, darüber gelegt eine Erzählung ohne großartige Höhen und Tiefen in Modulation oder Text, untermalt mit spärlichen Instrumentals. Eben in “Jambalaya“ noch ein mitreißender Sturzbach, nun ein fast nicht auszumachendes Rinnsal an Bedeutungslosigkeit.

Für “Hinterland“ hat CASPER intensiv mit Konstantin Gropper, besser bekannt als GET WELL SOON zusammengearbeitet. Leider trägt die gesamte Produktion auch genau dessen Handschrift, will heissen, wer mit GET WELL SOON nichts bis überhaupt nichts anfangen kann, der sollte auch von “Hinterland“ die Finger lassen. Wo man beim Vorgänger noch den Wolf im Schafspelz bekommen hat, steckt jetzt nur noch ein Lemming drin. Schade. Sehr schade.

Auch ich habe kein zweites XOXO gebraucht oder gewollt, aber die Rückbesinnung auf die Markenzeichen von CASPER wäre mehr als wünschenswert für das nächste Album.


Tracklist:
1.Im Ascheregen
2.Hinterland
3.Alles endet (aber nie die Musik)
4.Nach der Demo ging's bergab
5.20qm
6.Lux Lisbon
7.Ariel
8.Ganz schön okay
9.La Rue Morgue
10.Jambalaya
11.Endlich angekommen

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Markus L.

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Wenn mich interessieren würde, was andere über mich denken, könnte man sicherlich mit mir über meine Einstellung und den ganzen Bla diskutieren. Tut es aber nicht, ergo kann man es sich auch ersparen. Beratungsresistent eben!