Schon krass, dass sie alle nur von dem einen sprechen. Egal ob das hinterkleinste Hardcore/Punk-Fanzine oder die Intro, Zeit, Spex etc. - CASPER ist Hans Dampf in allen Gassen. Und überall der Gewinner. Aber woran liegt das letztendlich? Sogar der Retter des Rap / Hip Hop soll er sein, obwohl „XOXO“ doch rein gar nichts damit zu tun hat? Na schauen wir mal.
Ob Jan Wigger in seiner Spiegel.de Rezi wusste, wen er da zitiert? Natürlich ist das nicht CASPER, sondern einfach eine Zeile von MODERN LIFE IS WAR. Das weiß Wigger nicht, wahrscheinlich weil diese übergute Band nie kennengelernt hat. Vielleicht weiß er auch nicht, dass CASPER eigentlich nichts anderes tut, als zitieren. TURBOSTAAT, MLIW, JOY DIVISION-Anekdoten, all die Anspielungen auf SMITHS und überhaupt all das potente Zeug aus guten Zeiten, welches nun Kultstatus genießt. Alles richtig gemacht also. Und alle fressen es aus der Hand. Aber warum nicht mal hinterfragen und abchecken? „Michael X“, dieses „Gänstehaut-Stück“, ist so von Kitsch und einer „Gefallener Bruder“-Romantik durchzogen, dass man sich fragt, warum man nicht auch „Nur die besten sterben jung“ von den Onkelz einfach abfeiert. Klar, klar. Ich möchte niemandem zu nahe treten, aber diese jonglieren mit deutschen Wörtern ist durchaus schwer und eben das wirkt auf „XOXO“ einfach oft wie eine Postkarte (Wahlweise wie ein Songtext von Kettcar, Tomte, Hosen, Onkelz.. setze beliebigen deutschen Bandnamen ein). Der „Grizzly Song“ hingegen ist das „Steh auf wenn du am Boden bist“ der Hosen für die heutigen Kids, „So Perfekt“ das Atzen-Lied für alle Nicht-Atzen und „Der Druck steigt“ samt Video die pure Reinkarnation von LINKIN PARK und ihrem Rebellen-Image. Gar nicht zu erwähnen, wie furchtbar Songs wie die 08/15 Beziehungskiste „Auf und Davon“ oder der Song ohne Sinn, „Alaska“, wirken. Irgendwie alles so kalkuliert und fruchtbar gut durch die Eigenständigkeits-Maschine gedreht, damit das alles nicht so offensichtlich ist.
ABER, und jetzt beruhigt euch erstmal alle bevor die Comments explodieren vor Hass: „XOXO“ hat alles, was eine Platte von heute benötigt um von den Kids gemocht zu werden. Niemand will mehr deine Mutter ficken, niemand will mehr deine Freundin ausspannen. Hier sind alle zusammen und hier wollen alle ihren Frust loswerden. Das gelingt CASPER auf eine mir nicht deutliche Art und Weise so gut, dass dieser „Hype“ durchaus seine Berechtigung, und vor allem diese Platte, den berechtigten Erfolg einfährt. Denn die Leidenschaft, das Herzblut, den gekonnten Umgang mit den Gefühlen einer Jugend, das hatte lange niemand mehr so perfekt drauf wie eben CASPER. Und wenn man den einzigen, wirklich reinen Rap-Song auf diesem Album hört, nämlich „Blut sehen“, dann weiß man auch, warum dieses Teil so steil geht. Ich mach mit. Trotz aller Bedenken. Denn am hören bin ich dieses Teil seit Tagen ununterbrochen. Ich mag alles von mir kritisierte, ich mag die Stimme CASPER's, ich mag diese Lyrics und ich steh verdammt nochmal drauf, wenn viele Lager sich einfach so auf ein Album einigen. Peace Out.
Steffen - 6/10 Punkten
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CASPER polarisiert. Er verbindet alle Lager; er ist der Hardcore-Mensch, der Hip-Hop macht und jetzt doch irgendwie nicht mehr, er zitiert hier mal MODERN LIFE IS WAR, dann plötzlich mal ATMOSPHERE und dann wieder ausgerechnet JOY DIVISION, die man in der Hardcore-Szene ja mittlerweile durchaus als regelrechtes Pulverfass bezeichnen kann. Dazu ist er mit all seinen Querverweisen immer noch mit einem Fuß im Underground, hat den anderen Fuß allerdings bereits aufgrund Radio-Airplay und medialer Euphorie im Mainstream setzen müssen. Und dann ist seine neue Scheibe „XOXO“ auch noch die angebliche Rettung des Hip-Hops, um die sonst eigentlich sehr treffsichere Intro zu zitieren „Hip-Hop 2.0“. Die Frage ist: Welcher Hipster will hinter all dem übertriefenden Hype bitte noch stehen?
Gelobt seien daher vor allem jene, denen es bei all dem Drumherum und all der Fragerei, ob CASPER nun authentisch ist oder nicht vor allem um die Musik geht. Und die darf man gut finden, denn CASPER macht seine Sache auf „XOXO“ trotz der Tatsache, dass er hin und wieder am Kitsch nicht vorbei kommt, verdammt gut.
Klar gestellt werden sollte dabei allerdings als allererstes, dass „XOXO“ bis auf den rauen Sprechgesang nicht mehr viel mit Hip-Hop wie noch auf „Hin zur Sonne“ zu tun hat. Lediglich „Blut sehen“ setzt noch auf einen klassisch straighten Beat, ansonsten macht Benjamin Griffey Platz frei für postrockige oder indie-eske Gitarren oder – wie in der Single „So Perfekt“ – für elektronisches. Dass macht „XOXO“ natürlich etwas schwer einzuordnen, doch genau in dieser Schwierigkeit liegt natürlich auch der Reiz von „XOXO“. Und hier muss man all den schwärmenden Kritikern doch wieder etwas Recht geben, denn „XOXO“ ist in der Tat angenehm anders, wenn auch eben nicht völlig neu. Das schönste an all dem ist allerdings, dass sich der Mix aus CASPERS markanten Sprechgesang und experimentellen Beats völlig natürlich anfühlt, so als sei dieser Genremix die normalste Sache in der jetzigen Musiklandschaft. Dazu kommt, dass CASPER auf „XOXO“ Hit an Hit reiht - ob nun der vom TOMTE-Sänger Thees Uhlmann begleitete Titeltrack, das rebellisch-pathetische, aber doch irgendwie guttuende „Der Druck steigt“ oder die JOY-DIVISION-Verbeugung „Kontrolle / Schlaf“ mit noch mal ganz viel Gänsehaut am Schluss.
Textlich formuliert CASPER dabei vielleicht einen Ticken zu allgemein über die nur mutmaßlich und vielleicht auch nur teilweise eigene Probleme anreißenden Themen. Dennoch berühren Stücke wie „Michael X“, weil die Emotionen dennoch irgendwie ankommen. CASPER weiß sowieso sehr gut was er tun muss, um irgendwas in seinen Hörern auszulösen, und so nimmt die Platte Dinge wie Existenzängste, Liebe oder wie in „Alaska“ den Aufbruch oder Ausbruch aus all dem mit, sprich also Dinge die uns alle auf eine gewisse Weise angehen. Das ist dann eben zwangsläufig nah am Kitsch, macht die Platte aber für jeden selbst zu einer recht persönlichen Angelegenheit. Gut möglich also, dass „XOXO“ irgendwann für so manch einen zu diesen Platten gehört, mit denen man Erinnerungen verbindet. „XOXO“ ist mitten aus dem Leben gegriffen, ist Balsam und der Soundtrack zur Unterstreichung ganz bestimmter Momente.
„XOXO“ ist dabei aber vor allem auch nicht „Hip-Hop 2.0“. „XOXO“ ist in erster Linie eine poppige, diverse Genres schrammende und sich durchaus zwischen den Stühlen befindende Platte, zeigt allerdings nicht an in welche Richtung sich Hip-Hop in den nächsten Jahren bewegen wird (oder bewegen sollte – mal abgesehen von den Texten!). „XOXO“ sollte viel mehr als eine emotionale und leidenschaftliche Angelegenheit betrachtet werden, egal ob man CASPER nun diese Emotionen oder diese Leidenschaft abkauft oder nicht.
Olivier - 8/10 Punkten
Tracklist:
01. Der Druck steigt (Die Vergessenen Pt. 1) [03:30]
02. Blut sehen (Die Vergessenen Pt. 2) [03:18]
03. Auf und davon [03:43]
04. XoXo feat. Thees Uhlmann [04:03]
05. Michael X [05:00]
06. Alaska [04:37]
07. Das Grizzly Lied [04:02]
08. So perfekt feat. Marteria [03:41]
09. Die letzte Gang der Stadt [02:52]
10. 230409 [03:56]
11. Lilablau [03:28]
12. Arlen Griffey Prelude [00:58]
13. Kontrolle / Schlaf [05:21]