„The Guessing Game“ ist definitiv kein Album, mit dem man einen Rezendenten einen Gefallen tut. Genau wie das Album voller Zwiespälte steckt, so ist auch meine Auffassung über dieses Album – nach wohlgemerkt vielen vielen Hördurchgängen – nach wie vor etwas ungeklärt. Dazu kommt „The Guessing Game“ mit einer Spielzeit von 80 Minuten (!) daher, was eine ausgiebige Beschäftigung sehr mühselig macht. Und dann erfährt man schließlich noch, dass es diese Band, CATHEDRAL, schon seit 20 Jahren gibt. Bedeutet: Man muss irgendwie Bezüge herstellen können – kann ich aber nicht. Und ich will auch nicht wüst irgendwelche herstellen, mich auf die Schnelle mal ein wenig mit der Band beschäftigen; weil dann läuft man Gefahr schnell mal etwas Falsches zu sagen. Es bedeutet aber auch, dass man mit Vorsicht an das gehen soll, was man schreibt, dass man Respekt zollen muss. Mach ich aber nicht (bis auf das mit dem Respekt zollen, selbstverständlich). Ich mache also einfach das einzige, was in einer solchen Situation richtig ist, nämlich: das bewerten, was ich vorliegend habe – nicht mehr und nicht weniger.
„The Guessing Game“. 70s Prog-/Artrock trifft auf eine Prise ganz alte BLACK SABBATH, instrumentale und stilistische Verspieltheiten treffen auf eingängige Elemente. Das kann alles sehr gut und ausgereift klingen, beispielsweise wenn in „Cat’s, Incese, Candles & Wine“ virtuose, flotte Instrumentalisierung auf gutes Songverständnis stößt, oder in „Death Of An Anarchist“ wunderschöne Keyboards das Gemüt bezaubern. Es muss aber nicht. Schon „Funeral Of Dreams“ stellt den Hörer zu Beginn des Albums ziemlich auf die Probe, weil man Versuche gen Sprechgesang und einen nach einiger Zeit tierrisch nervenden Refrain monotonst auf 8-Minuten Songlänge ausweiten muss. Ein weiteres Beispiel ist der eigentlich wunderschöne Titeltrack: Eine eben eigentlich wunderschöne Melodie meisterhaft vorgetragen, kaputt gemacht durch tollpatschig platzierte, wirklich nur störende Breaks. Auch „Painting In The Stars“ kommt eigentlich sehr stark daher und überzeugt durch eine schön rockige Schlagseite, wird dann aber von einem ebenso nervigen Refrain zerstört. Nur gegen Ende überrascht man dann noch mit einer herrlich dreckigen Nummern wie „Requiem For The Voiceless“, die ziemlich an die guten alten MELVINS erinnert – und das kann man durchaus als Kompliment verstehen.
Auf 80 Minuten ausgedehnt ergibt das Ganze unterm Strich jedoch ein Hörerlebnis, dass vor allem eines ist: Anstrengend. „The Guessing Game“ ist technisch sicherlich überragend, zeigt aber im Songwriting herbe Schwächen, die den Fluss des Albums gewaltig stören – und das ist das schlimmste, was einer derartig langen Prog-Platte passieren kann. Sicherlich ist das alles auch sehr vom Geschmack geprägt, sicherlich wird es da draußen genug geben, die dieses Album im höchsten Ausmaß verehren werden. Ich hingegen bin letztlich froh, mich mit diesem ambivalenten Stück Musik nicht mehr beschäftigen zu müssen – 20 Jahre Bandgeschichte hin oder her.