Achse der Guten, mal wieder. Auch im mittlerweile elften Jahr ihres Bestehens erfinden sich die bodenständigen COBRETTI alle naselang neu. "Axis" ist die vielleicht kompakteste und experimentierfreudigste Veröffentlichung der Kölner. Hardcore, der weiß, was Punkrock ist. Punkrock, der weiß, dass ohne Leidenschaft und kurze Blicke über den Tellerrand jegliche Kunst vor die Wand gefahren wird. Ach ja: der eine von denen (Brille und Bart) spielt jetzt auch bei ORBIT THE EARTH. Die sollte man sich ebenfalls mal anhören.
Auch eine Leistung: beständig am Trend vorbeimusizieren, Dinge (meint hier: Konzerte) auf die Beine stellen, die eigene Band niemals in den Vordergrund rücken, weiter existieren. COBRETTI waren nie die Band der Stunde, spielten weitestgehend an angesagten Strömungen vorbei (wo bleibt das D-Beat/Crust-Seitenprojekt?) und sind wahrscheinlich aus eben jenen Gründen heute immer noch eine Band. Interessanterweise fließen genau diese Widrigkeiten in die Texte ein, ausgeprochen in der ersten Person Singular. Ohne zu meckern, versteht sich. Die anderen kommen, um sich zu beschweren.
"Axis" handelt vom Individuum. Hier geht es um Identitäten und Kommerz, um Konformitätsdruck und Alltag. Kurzum: der klassische Themenkanon des Hardcore/Punk (gerne auch mit Bindestrich, weil das durchaus ein Unterschied ist) wird bedient. COBRETTI allerdings sind schlau genug um zu wissen, dass der Zeigefinger besser in der Nase bleibt. In kompakte Zeilen gefasst, geht das dann so: „I keep on dancing although the music’s already stopped. It’s not just hedonism, it’s the attitude that I got. I want a life. I want identity for everyone.” Wunschdenken, könnte man jetzt einwenden. Weil Sänger Carsten Werheit stets genug raubeinige Varianz in seiner Stimme hat, die Gitarren sowohl von GRADE im Speziellen als auch vom emotionalen (Post-)Hardcore der 90er im Allgemeinen erzählen, funktioniert das nach wie vor ganz prächtig. COBRETTI waren nie eine Band, deren Musik sich rein über Körperlichkeit definierte. Die Dynamik liegt in den Zwischenräumen. Im "Intro-Call-To-Arms"-Song 'X' mit seinen positiv gestimmten "Wir-sind-Viele"-Chören. In 'The Attitude Account' mit variabler Gitarrenarbeit und textlichem Wahrhaftigkeitsgestus.
Ihre Stärke findet die Band bereits seit dem letzten Album nicht mehr in bloßer Geschwindigkeit. 'Seriousness Will Tear Us Apart' und vor allem 'Valueless' sind erwachsener Punk, der sich nicht dafür schämt. Der seine Gitarren schön breit ausstellt und die Melodien länger stehen lässt als bisher. Das Herzstück der Platte jedoch befindet sich am Schluss und benötigt von der Idee exakt so lange, um in Fahrt zu kommen wie ein durchschnittlicher BAD RELIGION-Song insgesamt. Mit dem Unterschied, dass es dann erst richtig losgeht. Anderthalb Minuten windet sich 'Courtesy Is The Safest Form Of Contempt' effektbeladen mit hallendem Bass, nervösem Schlagzeug und ordentlichem Gesamtdrive, um dann mathematisch exakt auf den Punkt zu kommen. Das Ende ist dann fast schon Ambient. Was bleibt zu sagen? „It’s part of me. It’s part of you.“ Leidenschaftlicher Hardcore ist für alle da.
Trackliste:
01: X
02: The Attitude Account
03: Seriousness Will Tear Us Apart
04: Valueless
05: Courtesy Is The Safest Form Of Contempt