Ist das noch dieselbe Band? COBRETTI melden sich geschwindigkeitsreduziert dafür ausgefeilter, tiefgründiger und mit einer Wagenladung GRADE-Gitarren ausgestattet zurück. So aufrichtig, unaufgeregt und aus der Zeit gefallen kann (Hardcore-)Punk heutzutage also klingen. In den Subtext mischt sich immer auch eine gehörige Portion Rock.
Der erste Blick wandert dann doch wieder über das quietschbunte Albumcover. Mit wem haben wir es hier zu tun? Lebenszerknirschtes Regenbogengesicht. Massig Sorgenfalten, zusammengekniffene Augen. Dazu, dezent in der oberen rechten Ecke platziert: ein neues Bandlogo. Tatsächlich glaubt man während des Openers 'Remorse' einer anderen Band zu lauschen. Carsten Werheit hat das Aggressiv-Kehlige in seiner Stimme durch – nun ja – unaufdringlichen aber kraftvollen emotionalen Gesang ersetzt. Klingt ungewohnt, klingt gut. Und Energie kann auch in sich langsam aufbauenden Songs und wohl durchdachten, flirrenden Gitarrenarrangements freigesetzt werden. Nicht gleich mit der Tür ins Haus, wir haben schließlich noch neun weitere Songs Zeit dafür.
COBRETTI (aus Köln!!!) existieren jetzt seit nunmehr über acht Jahren. Acht Jahre in denen der Sound im zugegebenermaßen sehr eng gesteckten Hardcorefeld immer wieder feinjustiert wurde, Ruhepausen wichtig waren, sich befreundete Bands (z.B. DENY EVERYTHING) auflösten und Bandmitglieder dafür sorgten, dass in schimmeligen, halblegalen Kaschemmen kleine, aufregende Bands ohne Krankenversicherung dafür mit umso mehr (Achtung: Unwort) Herzblut und Haltung, Parolen aus dem einfachen Leben verbreiten dürften. Köln, diese alte Fotzenbude (Jack Letten), die Sonnenbrillenstadt – kann Spuren von Subkulturen enthalten. Dieser kleine biographische Exkurs wäre natürlich völlig unnötig, würden sich Erfahrungshunger, Engagement und Wissen nicht auch auf die Aufnahmen übertragen.
So findet sich die Dringlichkeit der „alten“ COBRETTI komprimiert gekoppelt an einen latent-schmieriges Rockfundament in 'Choice Of Ends' wieder. Das ist gut. Das haben ANOTHER BREATH auf ihrem energetischen Deplatzierteitsmeisterwerk "Mill City" auch so gemacht. 'The Four Eyes Principle' greift Geschwindigkeitsfantasien und Hymnenhaftigkeit des Vorgängers geschickt auf, wohingegen die finalen Sekunden von 'Birds Of A Feather' auch von einer Götterplatte wie "Under The Radar" stammen könnten. Immer wieder blitzen auf "Trip Down Memory Lane" hochmelodische Doppelgitarren auf, die unweigerlich an die seligen Endneunziger denken lassen ('First Day Alive'). Der Autor dieser Zeilen plädiert an dieser Stelle für mindestens ein GRADE-Cover pro Set. Der Titelsong wiederum klingt mit seinem klopfenden Schlagzeug, monologisierendem Gesang, verhaltenen Gitarren und späterem Ausbruch noch am ehesten nach modernem Hardcore. Darin allerdings besteht die Kunst dieser Platte: nie ist sie ranschmeißerisch. Immer weiß sie, wo sie eigentlich her kommt. Wer das für langweilig, unzeitgemäß, nicht hart genug etc. befindet, der hält auch „Live your heart and never follow“ für eine Zeile von Scott Vogel.
Tracklist:
01: Remorse
02: Choice Of Ends
03:From This Day On
04: The Four Eyes Principle
05: Birds Of A Feather
06: Trip Down Memory Lane
07: Better Off Than Dead
08: First Day Alive
09: What Do You See Through The Heart Of Your Glasses
10: Topical State Of Mind