Wann wird’s mal wieder richtig Sommer - auf einem Punkalbum? Die Antwort pachten in diesem Jahr CULTURE ABUSE aus dem sonnigen Kalifornien für sich, denn mit „Bay Dream“ hat man den Soundtrack für den hoffentlich noch ausstehenden Hochsommer gefunden.
CULTURE ABUSE sind durchaus ein Phänomen. Mit ihrem simplifizierten Wohlfühl-Punk (und simplifiziert ist hier so positiv gemeint wie man es nur meinen kann, denn zu viel Kopf steht dem Punkrock oft nicht gut) sind die Jungs aus San Francisco schon längst die neue Lieblingsband der Bandmember verschiedener Szenegrößen (z.B. Touché Amoré). Doch hierzulande scheint die Band noch nicht über den Status eines Geheimtipps hinweg gekommen zu sein. Kein Wunder, schließlich wurde Festland-Europa bisher ausgespart und lediglich Großbritannien mit Tigers Jaw betourt. Dieses Jahr dann aber gleich Knallgas: Neben Sommertour mit einigen großen Festivals (Hurricane bzw. Southside) wurde just vor einigen Tagen schon gleich die zweite Tour für dieses Jahr als Headliner in kleinen Clubs bestätigt. Was also kann „Bay Dream“? Da das Vorgängeralbum „Peach“ es 2016 auf einige Bestenlisten geschafft hatte stellt sich natürlich unweigerlich die Frage nach dem direkten Vergleich. Und die Gegenfrage lautet: Macht es Sinn, zwei so unterschiedliche Alben miteinander zu vergleichen? Auf „Bay Dream“ haben CULTURE ABUSE sozusagen ihren Biss abgelegt und ihre Energie etwas heruntergefahren.
Frontmann David Kelling schreit auf Platte nicht mehr, live allerdings auch bei den neuen Songs fast durchgehend (so das Fazit vom gestrigen Vainstream Rockfest). Ohne diesen Schritt hätte jedoch niemals ein dermaßen entspanntes und grundpositives Album entstehen können. Die neue Platte hangelt sich von Ohrwurm zu Ohrwurm, denn bereits die eröffnenden Tracks „Bay Dream“ und „Rats in the Walls“ bleiben ab dem ersten Durchgang in den Gehörgängen kleben. „Dip“ und das flippig verrückte „Bee Kind to the Bugs“ waren dem geneigten und aufmerksamen Zuhörer ja bereits vorher ein Begriff, ebenso wie der später im Album versteckte Höhepunkt „Calm E“. CULTURE ABUSE halten das Niveau über die gesamten 32 Minuten Spielzeit hoch, lediglich gegen Ende wird die ohnehin bereits entspannte Fahrt beinahe ein Stehenbleiben am Straßenrand, denn nach dem lofi-artigen „Dozy“ ist „Bluebird On My Shoulder“ dann so ziemlich der gechillteste Ausklang, den man sich vorstellen kann. CULTURE ABUSE klingen wie eine etwas modernere Version von The Clash, lassen auf dem zweiten Album weiterhin an jeder Ecke kreative Ergüsse einfließen und sind dabei authentisch und dank Kellings charmanter und scheinbar permanent besoffener Art auch sehr liebenswürdig. Unter dem Strich kann „Bay Dream“ also die hohen Erwartungen erfüllen und ist jedem Punk-Fan mit hoher Dringlichkeit ans Herz gelegt.